Impfgegner und Impfdrängler
Corona-Pandemie: Frust und Aggression nehmen zu. Impfgegner radikalisieren sich. Aber auch Impfwillige, die warten müssen, bedrohen zum Teil Personal von Impfstationen
Wer die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) vor einer Woche noch nicht kannte, der dürfte inzwischen ihren Namen kennen. Am Freitagabend versammelten sich vor ihrem Wohnhaus in Grimma etwa 30 Menschen, mit Fackeln und Plakaten, und protestierten lautstark gegen die Corona-Politik in Sachsen. Zahlreiche Presseberichte folgten und Politiker fast aller Parteien verurteilten diese Aktion als Grenzüberschreitung.
Ähnliches trug sich am Freitagabend auch in Köln zu, vor dem Wohnhaus des neuen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD). Vier Personen protestierten dort gegen die Corona-Impfungen, wie die Kölner Polizei am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte.
Montagabend in Mecklenburg-Vorpommern: Mehrere hundert Menschen versuchten zum Wohnhaus von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in der Innenstadt von Schwerin zu gelangen. Statt mit Fackeln in der Hand zogen viele mit eingeschalteten Taschenlampen ihrer Smartphones in den Händen durch eine enge Straße, in der die Politikerin wohnt. Etwa einhundert Meter vor dem Haus stoppte die Polizei den Aufzug.
Berichte über Anschlagspläne gegen Sachsens Regierungschef
Christian Pegel (SPD), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, wertete den Zug als Versuch, "sächsische Verhältnisse herbeizuführen". Nun wurde bekannt, dass es in Sachsen offenbar Pläne gab, den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) zu ermorden. Das legen zumindest Recherchen des ZDF-Magazins "Frontal 21" nahe. Die Journalisten hatten sich in die offene Telegram-Gruppe "Dresden Offlinevernetzung" eingetragen und konnten sich zahlreiche Audio-Nachrichten von den knapp mehr als 100 Gruppenmitgliedern anhören.
Der Administrator der Gruppe sagte demnach: "Ich hoffe mal, dass ich noch ein paar Patrioten finde, die wissen, was die Phase ist, die bereit sind, zur Not mit Waffengewalt gegen diese dummen Spacken (…) vorzugehen". Weiter behauptet er, sich bewaffnet zu haben: "Mich impft keiner, ich habe hier zwei Armbrüste und eine scharfe Waffe. Da sollen die mal kommen. Ich nehme da vorher noch einen mit".
Ob hinter diesen Äußerungen tatsächlich mehr als Gewaltfantasien steckt, konnten die Journalisten nicht klären. Nach Angaben des Landeskriminalamtes Sachsen prüfen nun Polizei und Generalstaatsanwaltschaft die Sach- und Rechtslage in dem Fall. Das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum der Polizei habe die Ermittlungen übernommen.
Diese Beispiele zeigen: Frust und Aggressionen haben in den letzten Monaten deutlich zugenommen. Zuvor zeigten sich die Aggressionen oftmals gegen Impfärzte und Mitglieder von Impfteams – nun scheinen sie eine neue Qualität zu erreichen. Zuletzt warnten verschiedene Verfassungsschutzbehörden davor, dass sich die Corona-Proteste noch weiter radikalisieren könnten.
Demonstrant von Einsatzleiter als Mörder bezeichnet
Die Polizei ist nicht immer ganz unbeteiligt an diesem Prozess, wie ein Video zeigt, dass in den einschlägigen Foren verbreitet wird. Es zeigt einen dieser Corona-Proteste, irgendwo in Sachsen. Ein Demonstrant diskutiert mit einem Polizisten, vermutlich dem Einsatzleiter. Letzterer bezeichnet ihn als Mörder. Wer sich nicht impfen lasse, der ermorde – zumindest indirekt – andere Menschen, so die Aussage des Polizisten. Und er spricht dem Demonstranten das Menschsein ab: Dieser hätte mit seiner Einstellung jegliche Menschlichkeit verloren. Deeskalation geht sicher anders.
Die Aggressivität nimmt aber nicht nur bei den Impfgegnern zu, sondern auch bei denen, die eine Impfung wollen, aber abgewiesen werden. Am Mittwoch berichtete das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Brandenburg, die Bürger würden aggressiv wegen nicht erhaltener Impftermine. DRK-Sprecherin Marie-Christin Lux erklärte am Mittwoch, dass Mitarbeiter bei Impfaktionen schon deswegen bedroht wurden. Eine Mitarbeiterin habe demnach berichtet, dass ihr ein Wartender vor einer mobilen Impfstation gesagt habe: "Sie können froh sein, wenn Sie nicht erschossen werden!". Der Mann sei wütend gewesen, weil er nach stundenlangem Warten abgewiesen wurde.
Aufgrund solcher Vorfälle appellierte das DRK in Brandenburg an die Bevölkerung und forderte einen respektvollen Umgang mit den ehren- und hauptamtlichen Einsatzkräften an den Test- und Impfstationen. Das DRK könne nichts für die Misere, betonte DRK-Präsident Frank-Walter Hülsenbeck. Die Mitarbeiter täten schon alles Erdenkliche, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Doch: "Geringere Verfügbarkeit von Impfstoffen, die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sowie politische Entscheidungen zu Maßnahmen der Pandemiebewältigung liegen allerdings außerhalb der Verantwortung des DRK", erklärte er.
Zahlreiche Landkreise von Brandenburg weisen Inzidenzen von weit über 1.000 Infektionen in den letzten sieben Tagen auf; doch an der Impfbereitschaft der Menschen liegt es nicht. Das bestätigte Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) erst Ende November. Es hapere nicht an der Impfbereitschaft, sagte sie, sondern an den Möglichkeiten. "In Teilen des Landes müssen Bürger wochenlang auf einen Impftermin bei ihrem Hausarzt warten, woanders stehen die Menschen vor den wenigen mobilen Impfstationen stundenlang Schlange."
Frust und hohe Inzidenzen sind mitunter die Folge politischer Entscheidungen – doch kein Politiker übernimmt die Verantwortung.
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