In Deutschlands Moscheen wird für Erdogan spioniert
Seite 2: Ditib dementiert Einfluss der türkischen Regierung
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Der Dachverband ist in Erklärungsnöten. Vehement dementiert er Verbindungen zur türkischen Regierung. Lediglich die Bezahlung der Imame würde die türkische Regierung übernehmen, nicht aber die Inhalte der Predigten und des Religionsunterrichts. Schon gar nicht würde in ihren Gemeinden spioniert. Politische Inhalte würden in den Religionshäusern nicht vermittelt. Ditib-Moscheen seien Orte der Spiritualität, der Verband sei überparteilich.
Dagegen spricht eine schon länger bekannt gewordene türkische Broschüre, die den Dschihad und die "Märtyrer" für den Islam huldigt und die als Unterrichtsmaterial verwendet wird. An einer Hagener Moschee hing nach dem Putschversuch ein Schild, dass hier Verräter beim Gebet unerwünscht seien.
In Kassel lobte der Imam einer Moschee einen Angriff auf ein Jugendzentrum der Gülen-Bewegung: "Gott möge es euch lohnen!" Der Verfassungsschutz in NRW will nun als Konsequenz alle Imame, die in Gefängnissen muslimische Inhaftierte betreuen, einer Überprüfung unterziehen.
Der Koordinator der Ditib-Landesverbände in Deutschland, Murat Kayman, der schon öfters als Gast in Talkshows auftrat, attackierte unlängst den Freiburger Islamtheologen Abdel-Hakim Ourghi. Der Theologe ist als Kritiker eines fundamentalistischen Islams und Verfechter eines aufgeklärten Islams bekannt.
Er distanziert sich von den gewaltsamen Passagen des Korans der zweiten medinensischen Eroberungsphase und beruft sich auf den friedlichen Koran der mekkanischen Offenbarungsphase.
Kayman unterstellte Ourghi, ein Ibadit zu sein. Dies ist eine islamische Glaubensgemeinschaft, die von den radikalen Islamisten als Abtrünnige betrachtet wird. Kayman wisse, sagt Ourghi, dass es auch in Deutschland radikale Muslime gebe, für die ein Ibadit grundsätzlich den Tod verdiene.
Ourghi zitiert einen Spruch aus der arabischen Welt: "Das Blut des Ibaditen ist erlaubt." Er zieht daraus die Konsequenz: "Kayman erklärt mich für vogelfrei."
Dem widerspricht Kayman in einem Taz-Interview:
Ein Islamwissenschaftler sollte wissen, dass in der Tradition, in der Ditib steht, niemand für abtrünnig erklärt wird, dass wir eine solche Praxis vollkommen ablehnen und Ibaditen auch nicht als außerhalb des islamischen Glaubens stehend betrachten.
Murat Kayman
Angeschlagene Reputation
Der Ditib-Sprecher Bekir Alboga bezeichnete die Berichte von Imamen über Gülen-Anhänger in Deutschland an die türkische Regierung als Panne. Nachdem verschiedene Medien Belege für die Einflussnahme der türkischen Behörden vorlegen konnten, räumte der Sprecher ein, "die türkische Religionsbehörde Diyanet habe schriftliche Aufforderungen über alle türkischen Generalkonsulate an die Imame in der Bundesrepublik verschickt, über die Strukturen der Gülen-Bewegung an Ankara zu berichten". Der Bundesverband hätte von der Kommunikation aber erst aus den Medien erfahren.
Der Journalist Ulrich Pick, früherer Türkeikorrespondent und ein Kenner deutscher Religionspolitik, findet die Skepsis gegenüber Ditib berechtigt. Er bestätigt in einem Interview, dass in dem Dachverband die AKP-Politik hochgehalten werde, Andersdenkende würden als "Vaterlandsverräter" diffamiert und nicht in die Moschee gelassen.
Eine besondere Rolle an dem Scharnier zwischen Religion und Politik sieht er in den Religionsattacheés der Konsulate, die die Politik des Religionsministeriums umsetzen würden.
Letztendlich gilt es, bei aller Kritik an Ditib, sich die einzelnen Organisationen und Protagonisten genauer anzusehen. Denn nicht alle Mitglieder von Ditib sind Erdogans treue Diener. Es gibt auch Stimmen, die zeigen, dass die Kontrolle Ankaras auch umgekehrt Druck ausübt. Im Gespräch mit Gemeindemitgliedern bekommt man schon mal zu hören: "Wenn wir zu kritisch werden, sind wir weg, dann kommen die wahren Hardliner."
Der Dachverband ist nun bemüht, das angeschlagene Image wieder aufzupolieren. Die inkriminierte Presse-Erklärung mit der Lobpreisung des "Sieges der Demokratie" in der Türkei, ist mittlerweile von der Homepage verschwunden und wurde ersetzt durch eine PM, die "jeden Aufruf zu Hass und Gewalt" verurteilt.
Geheimdienst MIT agiert in Deutschland intensiver als früher die Stasi
Die Spionage-Aktivitäten von Ditib ergänzen die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland. Der MIT verfügt neben einer großen Zahl hauptamtlicher Agenten bundesweit über ein Netz von 6000 Informanten. "Hier geht es längst nicht mehr um nachrichtendienstliche Aufklärung, sondern zunehmend um nachrichtendienstliche Repression", behauptet der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Die Überwachungsdichte sei enorm:
Selbst der Stasi ist es nicht gelungen, in der Bundesrepublik ein so großes Agentenheer aufzubauen.
Erich Schmidt-Eenboom
Hans-Christian Ströbele von den Grünen forderte, dass der Verfassungsschutz, der BND und die Polizei dringend ihre Kooperation mit der Türkei überprüfen müsse, da sie Gefahr laufen, bei strafbaren Handlungen mitschuldig zu werden.