In Indien gibt es Fortschritte, aber …
Seite 2: Versteckte Aktivitäten
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Doch im Büro werde ich nicht erfreut wie ein potenzieller Kunde empfangen, sondern irritiert. "Ich dachte, die Gerbereien sind alle nach Bantala verlegt worden", sage ich dem Herrn, der sich mir als Manager vorstellt. "So ist es. Hier ist nur noch unser Büro. Sie können sich gerne umschauen", antwortet dieser freundlich und fährt dann fort: "Sie werden hier auch keine anderen Gerbereien mehr finden. Alle Besitzer haben eine Menge Geld für den Umzug nach Bantala investieren müssen. Da würden wir gar nicht zulassen, dass andere Firmen illegal weiter ihr Geschäft betreiben."
Als ich frage, ob das auch für die ehemalige Gerberei Hochburg China Town in Kolkata-Tangra gilt, antwortet der Manager völlig überzeugt: "Dort sind doch jetzt überall chinesische Restaurants!"
Hier könnte jetzt die Geschichte enden und zeigen, dass es doch Fortschritte in Sachen Umweltschutz gibt.
Doch am nächsten Tag schaue ich selbst im ehemaligen Gerbereiviertel China Town nach. Wie der Manager der Oxfort-Gerberei sagte, sind wirklich viele chinesische Restaurants zu sehen. Doch schon auf der New Tangri Road strömt mir ein bekannter Geruch in die Nase - kurz darauf sehe ich auf den Dächern frisch gegerbtes Leder zum Trocknen ausgelegt.
Ein ausgedehnter Spaziergang durch die Seitenstraßen lässt mich Bekanntes sehen: Ströme von blauen, stinkenden Gerbereiabwässern fließen in der offenen Kanalisation - ich zähle mehr als 40 aktive Gerbereien.
Am östlichen Ende China Towns laufen die ungereinigten Gerbereiabwasser auf eine Wiese, die mal Teil des Feuchtgebietes war - daneben legen drei ältere Arbeiter Leder zum Trocknen aus. Im Osten, am Rand des geschützten Teils der Feuchtgebiete, ragen fertige und im Bau befindliche Hochhäuser bis über 100 Meter gen Himmel, darunter auch der Trump Tower Kolkatas.
Wie ein Mangelbericht der bengalischen Umweltbehörde zeigt, weiß die Regierung, dass auch der Leder-Komplex-Bantala die Umwelt verschmutzt. Doch vermutlich weiß sie auch, dass sie ihren Gerbereien nicht noch mehr mit Vorschriften kommen darf, weil die westlichen Einkäufer sonst weiter ziehen.
Das ist im Ledergeschäft nichts anders als bei Textilien aus Bangladesch. Dort zeigte Telepolis im April 2018 auf (siehe: Fünf Jahre nach dem Tod von 1129 Textilarbeitern), dass die westlichen Einkäufer anders als versprochen, keine Verantwortung übernehmen, um die Arbeits- und Umweltbedingungen an ihren Produktionsorten zu verbessern.
Im Gegenteil: Der Preisdruck auf die Firmen Bangladeschs ist so gestiegen, dass die westlichen Einkäufer sogar 13 Prozent weniger bezahlen als vor fünf Jahren. In Indien war Deutschland im Jahr 2017/18 übrigens der zweitgrößte Einkäufer von Lederprodukten.
Viele Fischer verkaufen
Auch der Fischer Sujut Mandal hat noch nicht zu Ende gesprochen. Vor einem seiner Teiche, zeigt er in nördliche Richtung, wo ebenfalls Hochhäuser zu sehen sind und sagt: "Von der Gegend Salt Lake drängen die Wohnsiedlungen immer mehr in die Feuchtgebíete. Windige Geschäftsleute bieten den Fischern enorme Geldbeträge für deren Land. Viele Fischer verkaufen. Unsere Arbeit wird immer schwerer, weil die Verschmutzung des Abwassers schlimmer wird, so dass wir das Wasser nicht mehr ganz sauber bekommen. Doch die Regierung weigert sich, uns mit Zahlungen zu unterstützen, oder etwas gegen die Verschmutzung zu tun".
Als ich Mandal frage, ob man ihm auch schon Geld für seine 30 Teiche geboten hat, antwortet er entschlossen: "Ja, sehr viel Geld, aber ich habe abgelehnt." Dann fügt Mandal hinzu, dass er die Fischerei hier liebe, denn wer kann schon Geldverdienen und dabei Nützliches tun.
"Doch ich betreibe die 30 Teiche mit 20 anderen Mitgliedern meiner Familie (inklusive Brüder und Onkels). Wenn unsere Arbeitsbedingungen noch schlechter werden, gehen mir bald die Argumente aus" - worauf er in westliche Richtung zeigt, wo Qualm den 12 Hektar großen Müllberg von Dhapa erahnen lässt (vgl.: "In Indien ist alles vergiftet")
Dort nutzen Bauern die Feuchtgebiete und die Abwässer für die Landwirtschaft. Doch weil auf der Müllkippe der Elektromüll immer mehr wird, vergiftet das Schwitzwasser, das auf die Felder läuft und in die Gräben, das Wasser so stark, dass die Natur das Wasser nicht mehr selbst Reinigen kann.
Fischer Sujut Mandal
Zurück im Zentrum Kolkatas blickt der 78-jährige Doktor Engineer aus dem Fenster seiner Einzimmerwohnung auf die Lenin Sarani Road, auf der sich eine hupende Blechlawine im Schritttempo voranschiebt - auch er hat noch nicht zu Ende gesprochen:
Als ich ein junger Mann war, haben die Menschen zwei Kilometer östlich von hier noch Enten gejagt. Weder die aktuelle noch die Vorgänger-Regierung kann sich herausreden: 30 Jahre hat Dr. Ghosh ihnen versucht klarzumachen, dass die Feuchtgebiete Kolkatas der Regierung jedes Jahr Millionen von Dollar sparen, weil die Feuchtgebiete die Aufgabe des Staates übernehmen und die Abwässer reinigen. Im Jahr 2004 hat auch Ghosh die Geduld verloren und seine Regierungsstelle als oberster Umweltbeamter von Bengalen gekündigt, weil er so eine bessere Chance sah, die Grüne-Lunge Kolkatas zu retten. Denn auch diese Aufgabe übernehmen die Feuchtgebiete: sie reinigen die Luft. Dabei haben wir schon jetzt an vielen Tagen schlimmeren Smog als Delhi.
Doktor Engineer, Bewohner Kalkotas
Grüne Lungen
Ghoshs Worte erinnern ein wenig an Berlin, wo den Lobbyisten der Immobilienbranche in Funk und Fernsehen Platz gegeben wird, um zu versprechen: Gebt uns die Gärten der Stadt, ein Teil der Grünen Lunge Berlins, wir geben euch bezahlbare Wohnungen und Wachstum. Dabei sollte doch mittlerweile bekannt sein, dass Immobilien in den Hauptstädten dieser Welt zum Spielball der Finanzwelt geworden sind.
Letztendlich dürfte es nicht überraschen, dass auch die Abwässer des Leder-Komplexes-Bantala von den Magrovenwäldern der Sunderburns nicht mehr verarbeitet werden können. Selbst Aufforstungsversuche der indischen Regierung halfen nicht, da die gepflanzten Mangroven keinen Halt finden - die Verschmutzung der Sunderburns in Indien hat eine Stufe erreicht, sodass auch diese Grüne Lunge vor dem Kollabieren steht,