In den Mühlen des Digital Millennium Copyright Act

Doppelte juristische Niederlage für die Electronic Frontier Foundation

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Gestern war ein schwarzer Tag für die Electronic Frontier Foundation (EFF) und andere Befürworter digitaler Freiheit und einer offenen Wissensgesellschaft. Erst verwarf ein Gericht in New Jersey die von der Organisation unterstützte Klage des Princeton-Professors Edward Felten, dann bestätigte ein New Yorker Berufungsgericht das Urteil gegen den Betreiber der Hacker-Website 2600.com.

Schon nach 25 Minuten Meinungsaustausch kam Richter Garrett Brown vom Bezirksgericht Trenton in New Jersey gestern zu dem Schluss, sich nicht weiter mit der Angelegenheit befassen zu müssen. Kurzerhand wies er die Klage des Princeton-Professors Edward Felton gegen die Secure Digital Music Initiative (SDMI), die Recording Industry Association of America (RIAA) und den Wasserzeichenhersteller Verance ab.

Felten hatte zusammen mit anderen Forschern am "Hack SDMI"-Wettbewerb teilgenommen, danach aber mehrere Monate vergeblich versucht, die Ergebnisse seiner Arbeit zu veröffentlichen. In zwei Briefen hatten die SDMI-Gruppe und die RIAA mit rechtlichen Konsequenzen im Falle einer Veröffentlichung gedroht. Diese werde nicht nur Firmengeheimnisse verletzen, sondern auch gegen den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) verstoßen, der die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen unter Strafe stellt.

Daraufhin ging Felten in die rechtliche Offensive und verklagte all jene, die ihm da mehr oder weniger unverhohlen mit einer Klage gedroht hatten (Princeton-Professor klagt gegen Musikindustrie-Verband). Die angegriffenen Organisationen reagierten darauf, indem sie erklärten, sie hätten Felten niemals verklagen, sondern nur möglichen juristischen Konsequenzen warnen wollen. Doch letztlich konnte Felten die Forschungsergebnisse seiner Gruppe erst nach der eigenen Klage der Öffentlichkeit vorstellen (Zwischen den Zeilen).

RIAA: Es gibt keinen Konflikt

Die jetzige Gerichtsentscheidung widerspreche dem Recht auf freie Meinungsäußerung, erklärte der EFF-Anwalt Robin Gross. Er kündigte an, gegen die Einstellung des Verfahrens in Berufung zu gehen. Gross weiter:

"Dieser Richter glaubt offensichtlich, dass es kein Problem ist, dass sich derzeit hunderte von Wissenschaftlern scheuen, ihre Arbeiten zu veröffentlichen und dass wissenschaftliche Konferenzen nach Übersee verlegt werden."

Erleichterung dagegen bei der RIAA. Der Richter habe bestätigt, was man immer schon gesagt habe, so die RIAA-Vertreterin Cary Sherman. Es gebe gar keinen Konflikt, und natürlich dürfe Felten seine Ergebnisse publizieren.

Richter: DeCSS keine Meinungsäußerung

Nicht publizieren darf dagegen 2600.com-Herausgeber Eric Corley Links zu dem DVD-Entschlüsselungsprogramm DeCSS. Gestern bestätigte ein Berufungsgericht ein entsprechendes Urteil des New Yorker Bezirksgerichts vom August vergangenen Jahres. Damals hatte der zuständige Richter Lewis Kaplan Corley dazu verurteilt, das DeCSS-Programm sowie Links zu dieser Software von seiner Webseite zu entfernen.

DeCSS entschlüsselt den Content Scrambling System-Schutz einer DVD und erlaubt somit den Zugriff auf die Video-Rohdaten. Die Motion Picture Association of America war gegen zahlreiche Websites juristisch vorgegangen, die DeCSS verbreiteten oder auch nur verlinkten. In ihren Augen stellt DeCSS nicht zuletzt einen Verstoß gegen den DMCA dar. Corley wollte dagegen den Quellcode des DeCSS-Programms als freie Meinungsäußerung verstanden wissen. Doch auch das Berufungsgericht entschied jetzt, dass Code nichts mit Meinungsäußerung zu tun habe. Die EFF erklärte, ihr liege die schriftliche Begründung des Urteils noch nicht vor. Erst nach deren Sichtung könne man Angaben zu möglichen weiteren rechtlichen Schritten machen.

Das Tabuwort DMCA

Für die EFF sind die beiden gestrigen Entscheidungen ein herber Rückschlag. Im DeCSS-Fall ist dies nun schon das dritte negative Urteil in Folge, womit ein Erfolg der Corley-Unterstützer immer unwahrscheinlicher wird. Auch Edward Feltens Position ist seit gestern nicht gerade einfacher geworden. Die Electronic Frontier Foundation hatte Felten nicht zuletzt deswegen unterstützt, weil sich mit einem Wissenschaftler wie ihm erstmals ein allgemein akzeptierter Sympathieträger im Kampf gegen den DMCA engagierte. Mit einem Edward Felten schien ein Prozess weitaus leichter zu gewinnen als mit einem wie Corley, der sich in Hackerkreisen bewegt und auf seiner Website unter einem Pseudonym auftritt. Dan Burke von der Univeristy of Minnesota erklärte dazu gegenüber dem Onlinedienst ZDNet einmal:

"Sobald ein Richter "Hacker" sagt, weißt du, dass du verloren hast."

Nach dem gestrigen Tag muss Burkes Erkenntnis offenbar neu gefasst werden: Sobald der DMCA ins Spiel kommt, weißt du, dass du verloren hast.