Zwischen den Zeilen
Edward Felten stellt am Mittwoch sein umstrittenes SDMI-Paper vor
Die Inhalte sind längst bekannt, doch der Vortrag selbst ist ein Politikum: Am Mittwoch wird der Princeton-Professor Edward Felten auf der Usenix 2001-Konferenz sein Paper "Reading between the lines: Lessons from the SDMI challenge" vortragen. Wer mag, kann live per Stream dabei sein.
Jetzt muss sich die Recording Industry Association of America (RIAA) entscheiden: Will sie Edward Felten doch noch verklagen - oder es lieber bleiben lassen? Felten hatte im Herbst letzten Jahres mit einem Forschungsteam am "Hack SDMI"-Wettbewerb der Secure Digital Music Initiative teilgenommen. Und zwar äußerst erfolgreich: Fünf von sechs Kopierschutz-Mechanismen habe man knacken können, erklärte Felten schon kurz nach Ende des Wettbewerbs. Die sechste Technik sein einfach nur zu schlecht dokumentiert gewesen.
Doch als Felten seine Forschungsergebnisse im Web publizieren wollte, wurde er vom SDMI-Konsortium unter Druck gesetzt. Und als er sie im April dieses Jahres auf einer Konferenz präsentieren wollte, mischte sich plötzlich auch noch die RIAA ein und sprach von Verstößen gegen den DMCA und Verrat von Firmengeheimnissen. Kaum war die betreffende Konferenz vorbei, wollte man nichts mehr von derartigen Drohungen wissen. Man habe Felten nur auf mögliche juristische Konsequenzen hinweisen, ihn aber keineswegs verklagen wollen, hieß es damals von der RIAA.
Vortrag Teil einer EFF-Kampagne
Geklagt hat Felten mittlerweile allerdings selbst. Gegen die RIAA, gegen das SDMI-Konsortium und gegen die Wasserzeichen-Firma Verance. Er sieht sich und seine Kollegen durch den ständigen Druck in der Freiheit seiner Forschung behindert und möchte nun ein für allemal vor Gericht klären lassen, ob Lobbyverbände die Publikation von Forschungsergebnissen beeinflussen dürfen. Unterstützt wird er dabei von der Electronic Frontier Foundation, die um Feltens Klage eine Kampagne gegen den Missbrauch des Copyrights und insbesondere des Digital Millennium Copyright Acts aufbaut.
So ist auch Feltens Vortrag am Mittwoch Teil der Kampagne und verspricht nicht wirklich große Neuigkeiten. Das umstrittene Paper ist ohnehin bekannt, seitdem es einige Forscher nach der geplatzten Präsentation im April an den Anti-Zensur-Server Crpytome.org lancierten. Dort lässt sich bereits seit Monaten nachlesen, wie Feltens Team mit detektivischem Spürsinn eine Kopierschutz-Technologie nach der anderen knackte.
Das Xerox-Debakel
Dennoch bleibt der Vortrag als Politikum interessant. Fraglich ist nicht nur, wie sich die RIAA verhalten wird. Auch die Hersteller der im Wettbewerb eingesetzten Kopierschutz-Technologien haben ein Interesse daran, eine weitere Diskussion über dieses Thema zu verhindern. Verance wurde von Feltens Team eindeutig identifiziert. Mindestens eine Technologie stammt zudem von Xerox, wie in den letzten Monaten erst über Umwege bekannt wurde. Nachdem der deutsche Netz-Aktivist Lutz Donnerhacke Feltens Papier auf seinem privaten Server gespiegelt hatte, wurde er von einem Münchner Xerox-Anwalt kontaktiert, der in der Veröffentlichung die Rechte seines Mandanten verletzt sah. Welche Rechte wodurch verletzt wurden, konnte der Anwalt allerdings auch nicht erklären, da er von Xerox nicht richtig vorbereitet worden sei, so Donnerhacke.
Nicht richtig vorbereitet ist wohl eine Untertreibung. Genau genommen war die Abmahnung Donnerhackes für Xerox ein PR-Gau. Die Firma hatte sich bis dahin bemüht, ihre Verbindung zu dem Wettbewerb nicht ans Tageslicht kommen zu lassen. Verständlich, wenn man an den Ausgang des Wettbewerbs denkt. Schwierig allerdings, wenn man bedenkt, dass mit Richard "Drew" Dean ein Mitglied von Feltens Team am Xerox Palo Alto Research Center (PARC) angestellt war.
Eine Weile ging dennoch alles gut. Felten verklagte zwar Gott und die Welt wegen Behinderung seiner Forschung, aber auffälligerweise nicht Xerox. Zwischenzeitlich soll Deans Name angeblich sogar von Feltens Website verschwunden sein. Doch als im Juni mit einiger Zeitverzögerung auch in den USA die Verbindung zwischen Xerox und dem SDMI-Wettbewerb bekannt wurde, musste Dean seinen Hut nehmen und wurde entlassen.
Schlemmen und streamen für Felten
Womit bisher noch vier Kopierschutz-Technologien übrig bleiben, deren Hersteller sich mit Felten anlegen könnten, wenn sie es nur wollten. Bei der EFF macht man sich bereits auf alles gefasst und sammelt kräftig Geld für Feltens Prozess. Schwierigkeiten, zahlungskräftige Mitstreiter zu finden, gibt es offenbar keine. Mittwoch wird direkt nach Feltens Präsentation ein kleines Festessen der Unterstützer in einem noblen Washingtoner Restaurant stattfinden. Kostenpunkt: 250 Dollar pro Person, natürlich inclusive ordentlichem Spendenanteil. Am vergangenen Samstag war man bis auf 10 Plätze bereits ausgebucht.
Wem das zu teuer oder schlicht zu weit weg ist, der kann sich immerhin am Live-Stream der Präsentation laben. Neben der obligatorischen RealVideo-Übertragung wird das Event auch im Open Source-Audioformat Ogg Vorbis um 18.00 Uhr Ortszeit (ET) live ins Netz übertragen. Feltens "Reading between the lines" erreicht uns dank Zeitverschiebung damit pünktlich um Mitternacht. Zwischen den Tagen, sozusagen.