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Sven Giegold (Grüne) zur Europawahl
In Deutschland treten am 25. Mai zweiunddreißig politische Gruppierungen zur Europawahl an. Telepolis hat bekannten Kandidaten der sieben wichtigsten davon einige Fragen gestellt. Sven Giegold ist zusammen mit Rebecca Harms Spitzenkandidat der Grünen für das Europaparlament. Letzte Woche hat der ehemalige Vorstand von Attac Deutschland dazu zehn Forderungen zur Demokratisierung der Europäischen Union präsentiert.
Herr Giegold, viele Bürger empfinden die EU keineswegs als demokratische Institution, sondern als ein Instrument, mit dem wirtschaftliche Sonderinteressen auf dem Rücken der Bevölkerungsmehrheit durchgesetzt werden. Inwiefern teilen Sie diese Einschätzung und was spricht dagegen?
Sven Giegold: Zunächst einmal ist die EU genauso ein Ort an dem zwischen verschiedenen Interessen gerungen wird wie Deutschland oder die Bundesländer auch. Natürlich gewinnen in Europa wie in Deutschland viel zu oft mächtige Wirtschaftsinteressen, aber regelmäßig ist es so, dass der einflussreichste Akteur die nationalen Regierungen sind. Ich habe es immer wieder erlebt, dass wir, wie etwa bei den Klimaschutzregeln für Autos, im Europaparlament mit der Kommission die Mehrheit für strengere CO2-Grenzwerte hatten, und es die Bundesregierung war, die dies hintertrieben hat. Gleichfalls gibt es in Brüssel eine Mehrheit für ein Trennbanksystem, welches von der Bundesregierung zusammen mit der sozialistischen Regierung in Frankreich boykottiert wird.
Trotzdem ist es im Europaparlament oft gelungen, weitergehende soziale, Verbraucherschutz- und ökologische Regeln durchzusetzen als nationalstaatlich, aber nach wie vor gibt es zwei riesige Leerstellen: Es existieren immer noch keine richtigen sozialen Rechte auf europäischer Ebene und wir haben vor allem keine Steuerkooperation. Das heißt, wir brauchen für den Binnenmarkt soziale und ökonomische Standards. Ohne Europa jedoch wären die Mitgliedsländer noch viel härterem Umwelt- und Sozialdumping ausgeliefert. Nur Europa ist groß genug, um mächtigen Konzernen in der Globalisierung die Stirn zu bieten.
Sehen Sie bei den in Brüssel vertretenen Parteien irgendwo einen politischen Willen, etwas gegen die dort massiv vorhandenen Lobbyaktivitäten zu unternehmen?
Sven Giegold: Ich finde auch, dass es Brüssel eine richtige Lobbyplage gibt. Diese Lobbyplage ist deshalb so schlimm, weil damit nicht alle Interessen gleichermaßen vertreten werden. Dass Interessen von Gewerkschaften über NGO's bis zu Wirtschaftsverbänden vertreten werden ist völlig normal, aber in Brüssel dominieren eindeutig die Wirtschaftsverbände. Diese Dominanz ist eine Gefährdung der Demokratie. Das gilt allerdings auch für Berlin, wo wir ebenfalls eine starke Dominanz der Wirtschaftsverbände haben.
Transparenzregister
Was müsste man also machen?
Sven Giegold: Wir brauchen eine vollständige Transparenz nicht nur darüber, wer mit wie viel Geld unterwegs ist, sondern müssen auch wissen, welche Lobbypapiere an die Staaten und EU-Institutionen herangetragen werden. Weiter muss es in einer Demokratie Grenzen geben, was Lobbys für Geld tun dürfen. Zum Beispiel sind wir der Meinung, dass Parteispenden wie auch die Finanzierung von Wahlkämpfen in größeren Summen unterbinden muss. Beim Wechsel von einem öffentlichen Mandat in die freie Wirtschaft muss es lange Übergangsfristen geben. Wir brauchen also Regeln zur Trennung von wirtschaftlicher und politischer Macht, dies aber nicht nur in Brüssel, sondern auch in den einzelnen Mitgliedsländern.
Das entscheidende Instrument hierzu ist das Transparenzregister: Wir haben es nach Jahren geschafft, dass es nun im Europaparlament trotz des langen Widerstandes von Konservativen und Liberalen eine Mehrheit für ein verbindliches Lobbytransparenzregister gibt, welches aber derzeit an den Mitgliedsländern scheitert, die hier zustimmen müssen. Auch die deutsche Bundesregierung unterstützt dies nicht, weil dann sofort die Frage im Raum wäre, warum es in Berlin keine Lobbytransparenz gibt. Also: Wir brauchen diese Maßnahmen dringend, wir Grünen fordern sie auch mit Nachdruck und würden uns hier von den anderen Parteien die gleiche Verve wünschen.
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