In eigener Sache: Forschungsgemeinschaft nun auch zu Schadensersatz verurteilt

Seite 2: Die zweite Chance: Interview

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Aufgrund der Argumente und auch des schlechten Englisch des erwähnten zweiten Gutachters hatte ich eine Vermutung, wer dieser Kollege sein könnte. Daher setzte ich seinen Namen auf die Ausschlussliste.

Und siehe da: Beim zweiten Versuch bekam mein Forschungsprojekt von allen Gutachtern die Bestnote. So setzte mich das von der NWO eingerichtete Beratungsgremium auf den dritten Platz (von 59) und lud mich zu einem Interview ein.

Dieses fand am 13. Juni 2012 im schönen Utrecht statt, also im Herzen der Niederlande. Ich hatte gleich nach dem Interview - man präsentiert 15 Minuten lang noch einmal sein Projekt und beantwortet dann 15 Minuten lang Fragen - einen sehr schlechten Eindruck und vermutete, dass dabei nichts Gutes herauskommen würde.

Zum Trost gewann am Abend aber wenigstens die deutsche Fußballnationalmannschaft 2:1 gegen die Niederlande. Das war die Europameisterschaft in der Ukraine und Polen. Das Spiel schaute ich mir bei deutschen Studierenden in Utrecht an, die ein Public Viewing organisierten.

Das Interview für das Forschungsprojekt lief so ab, dass ein Forscher - wie ich später herausfinden würde, ein Genetiker - Fragen stellte und mich letztlich gar zur Genetik ausfragte; eine Forscherin, eine Sozialpsychologin, stellte ein paar vage Fragen und konstatierte mehrmals, sie verstehe das Projekt nicht. Das wurde mir dann hinterher auch vorgeworfen: Ich hätte es eben so erklären müssen, dass es auch ein Genetiker und eine Sozialpsychologin verstehen.

Wem man hier auch glaubt - bis hierhin ist doch schon deutlich geworden, wie es bei diesen Castingshows "menschelt". Sowohl die Auswahl der anonymen Gutachter als auch die Zusammenstellung der Gremien beeinflussen zu einem guten Stück den Verlauf des Verfahrens.

Im starken Wettbewerb, wo Unterschiede bei den Nachkommastellen entscheidend sind, liegt die Vergabe vieler Projekte und die Ablehnung anderer schlicht an den menschlichen Faktoren. Mir ist bisher noch niemand begegnet, der das bestritten hätte. Dennoch singen wir das Hohelied vom Wettbewerb, Objektivität und der angeblichen Exzellenz, die sich dabei herauskristallisiere.

Auf die Probe gestellt

Mit solchen Enttäuschungen müssen alle leben, die in die Wissenschaft gehen. Unsere Forschungsarbeiten und auch unsere Projektanträge werden regelmäßig abgelehnt. Besonders schmerzhaft kann das sein, wenn man nicht einmal eine faire Beurteilung bekommt. In der Erläuterung zu meiner Ablehnung 2012 standen dann auch zahlreiche Dinge, die inhaltlich gar nicht stimmten.

Das allgemeine Lied war, ich sei halt nicht überzeugend genug gewesen. In diesem starken Konkurrenzkampf könne man die Mittel nur an die Besten der Besten verteilen. Ein grober Schnitzer war dann aber, dass das Beratungsgremium behauptete, mit mir sei im Interview auch über die gesellschaftlichen Implikationen meiner Forschung gesprochen werden.

Das war ein wichtiges Beurteilungskriterium und meiner Meinung nach gerade einer meiner stärksten Punkte. Doch leider, so die Begründung, sei ich auch hier nicht überzeugend gewesen, weshalb man meine Note für dieses Kriterium stark herabsetzen musste.

Wie sich bei der unabhängigen Untersuchung im Widerspruchsverfahren herausstellte und auch gerichtlich bestätigt wurde, stimmte davon nichts. Über diesen Aspekt war nie gesprochen worden. Damit war die Erklärung für das Herabsetzen der Note hinfällig. Zudem hatte es sich das Gremium mit dem wiederholten Verweis auf die Überzeugungskraft zu einfach gemacht. Den Regeln entsprach das nicht.

Diese wichtigen Fakten hätte ich niemals erfahren, ohne Widerspruch einzulegen. Das hatte ich vorher noch nie gemacht, von einer Ausnahme beim Arbeitsamt Bonn abgesehen (2009 stattgegeben). Mein Protestbrief im Jahr 2011 hatte ja nichts gebracht. Also versuchte ich es jetzt auf formalem Wege.

Auch wenn einige NWO-Beamte mir hier noch Steine auf den Weg legten, indem sie wichtige Schriftstücke zu spät zuschickten oder mich nicht, wie gesetzlich verpflichtet, über meine Rechte informierten, hatte ich doch großes Glück: Der (inzwischen leider verstorbene) Vorsitzende war ein Professor für Staatsrecht, der dafür sorgte, dass ich ein faires Verfahren bekam; zum ersten Mal in meinem Leben im Zusammenhang mit der NWO.

Tiefer und tiefer in den Kaninchenbau

Ich ging am Anfang noch davon aus, dass den Beamten der NWO an einer ehrlichen Behebung des Problems gelegen sei. Nach immer mehr Ungereimtheiten, die ich hier nicht alle aufzähle, wurde mir aber klar, dass die mich schlicht aufs Kreuz legen wollten: Denen ging es bloß ums Gewinnen, um jeden Preis! Daher ließ ich mich schließlich von Anwälten beraten, beantragte immer häufiger Akteneinsicht und zog letztlich auch vor Gericht.

Das hat das Verwaltungsorgan vor allem selbst provoziert: Nach der inhaltlich schlechten und in vielen Aspekten unwahren Begründung gab die unabhängige Untersuchungskommission der NWO die Hausaufgabe, eine neue, den Vergaberegeln und dem Gesetz entsprechende Begründung zu formulieren. Die Beamten taten aber das Gegenteil:

Beim zweiten Versuch behaupteten sie, ich sei nun zu weit in meiner Karriere und könne das Projekt darum gar nicht mehr ausführen. Beim dritten hieß es, ich habe an einem (faktisch illegalen) Lösungsversuch nicht mitwirken wollen, daher habe man mir die schlechteste Note geben müssen. Pech: wieder keine Forschungsmittel.

Der vierte Versuch lief dann darauf hinaus - Kafkas "Der Prozeß" lässt grüßen -, dass man nun eine neue Verwaltungsrichtlinie verabschiedet habe, der zufolge Fälle wie meiner abgelehnt werden müssten. Alles klar?!

Jeder dieser Fehlversuche verzögerte das Verfahren um Monate und schadete so meiner Karriere. Und jeder dieser Versuche wurde, sofern NWO ihn nicht schon selbst zurückgezogen hatte, schließlich vom Verwaltungsgericht einkassiert.

Mit Rechtsstaatlichkeit hat das Vorgehen der NWO wenig zu tun. Fair ist es auch nicht, denn wir Wissenschaftler haben in so einer Runde nur einen Versuch. Das Verwaltungsorgan aber, so scheint es, kann sich unendlich viele Versuche herausnehmen.

Ein großes Problem für die NWO war, dass bei der Untersuchung des Falls herauskam, dass nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Beratungsgremiums schlecht gearbeitet hatten. Auch die NWO-Beamten hatten versäumt, die nötigen Akten zusammenstellen.

Mit anderen Worten: Das Verwaltungsorgan hatte damals Forschungsprojekte im Wert von ca. €2,75 Millionen bewilligt und in Höhe von ca. €11,75 Millionen abgewiesen, ohne dass diese Entscheidungen nachvollzogen werden konnten. Wahrscheinlich bedeuteten die zahlreichen Ablehnungen für manche das Ende der wissenschaftlichen Karriere. Und für die Steuerzahler: So unsorgfältig gehen die Beamten also mit unseren Geldern um.