In eigener Sache: Forschungsgemeinschaft nun auch zu Schadensersatz verurteilt
Seite 4: Preis der Wettbewerbsgesellschaft
Mein Fall hat schon in der rechtswissenschaftlichen Literatur Beachtung gefunden. Hervorgehoben sei hier, dass eine Verwaltungsrechtlerin, die eng mit der NWO zusammenarbeitet, in einer Publikation Probleme bei der Mittelvergabe einräumt und den Vorschlag macht, die Gelder zu verlosen.
Würde das aber rechtsstaatlichen Prinzipien gerecht? Jedenfalls wäre damit der Exzellenz-Sprech, den man auf Grundlage meiner Erfahrungen sowieso dem ganzen NWO-Apparat verbieten sollte, in gewisser Weise entzaubert.
So schließe ich den Kreis zum Anfang: Die Wissenschaft wird immer kompetitiver, "hyperkompetitiv" sagen schon manche. Das führt nicht nur zu viel Stress unter den Forschern, sondern auch zu rechtsstaatlichen Problemen. Ausgangspunkt für das alles waren die Mittelkürzungen bei den Hochschulen und das blauäugige Wettbewerbsdenken seit den frühen 2000ern. Meines Erachtens gehört diese Denke nun endlich auf den Prüfstand.
Zu meiner persönlichen Enttäuschung wollte sich das niederländische Wissenschaftsministerium nicht eingehend zu meinem Fall äußern. Der Staatssekretär teilte mir mit, die Gerichte sollten das lösen und im Übrigen werde er mit der NWO-Leitung einmal darüber sprechen. Mehr erfuhr ich nicht und insbesondere wurde mir nicht beantwortet, warum die Beamten gegenüber dem Bürger aber auch vor Gericht durch die Bank so inkompetent und unehrlich auftreten.
Danach wendete ich mich an die Medien und auch an die Gewerkschaft, bei der ich damals Mitglied war. In der Regel bekam ich nicht einmal eine Antwort und dort, wo man mir antwortete, stellte sich heraus, dass denen die Sache zu "heiß" war. Man fürchtete eine Unterlassungsklage durch die NWO.
Doch warum? Einerseits gilt die Pressefreiheit. Andererseits sind die wesentlichen Fakten doch schon gerichtlich überprüft und unanfechtbar festgestellt. Der Rest sollte von der Meinungsfreiheit abgedeckt sein. Die NWO-Leute geben selbst gerne die Auskunft, auf die entsprechenden Sachverhalte hätten wir "unterschiedliche Sichtweisen". Vielleicht sollte man das niederländische Wort "visie" hier passenderweise mit "Visionen" übersetzen.
Über das neue Urteil berichtete nun wenigstens meine Universitätszeitung. Das war's dann wohl. Wenn die gravierenden Probleme wenig Aufmerksamkeit bekommen, bestärkt das natürlich das Verwaltungsorgan, immer so weiterzumachen.
Der psychologische Preis
Dank eines früheren Telepolis-Artikels (Von einem, der sich wehrte) und des Verweises auf meinen (niederländischsprachigen) Erfahrungsbericht, findet man mich gleich auf der Startseite, wenn man "NWO" und "bezwaar" (niederländisch für Widerspruch) googelt.
Darüber haben auch schon andere Wissenschaftler mit mir Kontakt aufgenommen. Denen habe ich ein paar Tipps gegeben. Am Ende meines Erfahrungsberichts findet sich sowieso eine Anleitung zur Beschwerdeführung - sowie zur Verbesserung der NWO.
Meinem Eindruck nach geben viele zu früh auf, wenn sie mal eine Ablehnung bekommen. Die meisten hinterfragen das noch nicht einmal, sondern glauben einfach, was man ihnen vorsetzt. Zugegeben, pragmatisch sinnvoller ist es wahrscheinlich, die Zeit lieber in einen neuen Forschungsantrag zu stecken, als den Rechtsweg einzuschlagen. Das muss jeder für sich selbst abwägen.
So haben mir auch diejenigen, die sich von mir (übrigens gratis) beraten ließen, von dem psychischen Druck berichtet. Den kenne ich sehr gut. Das Auftreten der NWO-Beamten erfuhren sie ähnlich unmöglich wie ich. Wir in der Wissenschaft müssen natürlich damit leben, dass wir Ablehnungen bekommen, die nicht immer fair sind. Wenn man feststellt, dass der Andere sich noch nicht einmal Mühe gegeben hat, kann das schmerzlich sein.
Dass die Schriftstücke der NWO mich so hart treffen würden, hätte ich auch nicht für möglich gehalten: Von der, je nach Sichtweise, groben Unfähigkeit, den fiesen Tricks oder gar dreisten Lügen der Gegenseite wurde mir oft schwindelig. Manchmal spürte ich gar eine Enge in der Brust, bekam ich Atemnot, fühlte ich mich schwach und musste ich mich erst einmal hinlegen.
Das hatte ich vorher im Leben erst einmal gehabt, als die Abgabefrist meines erstens Buchs heranrückte (Gedankenlesen: Pionierarbeit der Hirnforschung). Vor den Sitzungen hatte ich regelmäßig schlaflose Nächte und Verdauungsprobleme.
Das waren, rückblickend, aber alles interessante Erfahrungen. Ich habe sehr viel gelernt, über das Funktionieren des Rechtsstaats allgemein und des Verwaltungsrechts im Besonderen. Die Korrespondenz - am Ende umfasste das Dossier wohl um die 2.000 Seiten - gab mir die Gelegenheit, mein Niederländisch zu verbessern.
Für die psychosomatischen Probleme gab es psychotherapeutische Hilfe. Sozioökonomisch interessant übrigens, dass so die Kosten fürs Behördenversagen übers Gesundheitssystem externalisiert werden.
Ich habe letztlich meinen Frieden damit, dass die Richterinnen und Richter das letzte Wort haben - und von deren Arbeit habe ich einen überwiegend sehr positiven Eindruck bekommen. Besser wäre es natürlich, wenn die Gremien und Beamten so gut arbeiten würden, dass es erst gar nicht so weit kommen muss.
An der NWO-Praxis wird sich wohl wenig ändern, bis es für die Interviews klare Richtlinien gibt. Am besten sollte man Bewerbungsrunden ganz öffentlich machen. So ist das bei den Castingshows und Schönheitswettbewerben doch auch. Was hat so viel Geheimniskrämerei ausgerechnet in der Wissenschaft zu suchen, zumal dort, wo es um die Vergabe von Steuermitteln geht? Man bedenke: Das Wort "Publikation" kommt vom lateinischen publicare, also veröffentlichen.
Übrigens war es für mich am vergangenen Mittwoch eine große Überraschung, dass der Schadensersatz mir persönlich und nicht meiner Universität zugesprochen wird. Das ist natürlich eine erfreuliche Entschädigung für meine Mühen.
In der Überzeugung, dass es gut ist, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, habe ich mich dazu entschieden, davon €5.000 an Transparency International und Ärzte ohne Grenzen zu spenden. Die NWO hat sich aber seit 2012 immer weiter von Ehrlichkeit und Rechtsstaatlichkeit entfernt - und doch alles verloren.
Hinweis: Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung des Autors und nicht seines Arbeitgebers wieder und erscheint ebenfalls in seinem Blog "Menschen-Bilder".