Indien: Chronologie von Modis Machenschaften
Ein Blick ins Detail zeigt die Unverfrorenheit und die Dimension, mit der Narendra Modi Großindustrielle unterstützt, während seine hinduistischen Anhänger zur Ablenkung Pakistan nacheifern
Im Jahr 2005 war das Image von Narendra Modi als Ministerpräsident von Gujarat stark angeschlagen: Modi soll weggeschaut haben, als drei Jahre zuvor in seinem Bundesstaat mindestens 1000 Menschen bei religiös motivierten Massakern getötet wurden. Die meisten waren Muslime.
Doch dann zog er einen "alten Hut" aus der Schublade: Modi gab bekannt, dass die Gujarat State Petroleum Corporation (GSPC) vor der Küste des Bundestaates ein Gasfeld mit 20 Billionen Kubikfuß des wertvollen Rohstoffs entdeckt habe, dessen Wert 31 Milliarden US-Dollar betrage. Modi kündigte an, dass die Regierung 210 Millionen Dollar investieren werde und schon nach zwei Jahren würde das Gas-Feld Gewinn abwerfen.
10 Jahre später kam ans Licht, Modi war mittlerweile Premierminister, dass GSPC kein Gas gefördert hat, aber dafür drei Milliarden US-Dollar Schulden angehäuft.
Damit die GSPC nicht vor den aktuellen Wahlen Pleite ging, ordnete Modi im letzten Jahr den staatlichen Konzern Oil and Natural Gas Corporation (ONGC) an, für 1,2 Milliarden US Dollar 80 Prozent der Anteile von GSPC zu kaufen, obwohl jedem Experten mittlerweile klar ist, dass aus dem Wundergasfeld kein Profit herausgeholt werden kann.
Der Autor Subir Ghosh zeigt in seinem Buch: The GSPC Disaster bis ins kleinste Detail auf, wie gelogen und betrogen wurde, damit Modi seine Gujarat-Wunderlüge verbreiten konnte. Zudem: Weder bei der Gesundheitsversorgung noch beim Thema Bildung nahm Gujarat unter Modi einen der vorderen Plätze im Vergleich der indischen Bundesstaaten ein.
Einzig die Unternehmer waren zufrieden, schafften Wachstum und schlecht bezahlte Arbeit. So wundert es nicht, dass Modi mit dem Erfolgsmodell Gujarat in den Wahlkampf 2014 ging und der Großindustrielle Gautam Adani ihm dafür seine Privatflugzeuge und einen Hubschrauber zur Verfügung stellte. Für Adani zahlte sich das schnell aus: Innerhalb eines Jahres stieg die Aktie von Adani Enterprise von 5 Rupien auf 786.
Im Mai Jahr 2014, ein paar Tage bevor Modi das Amt des Premierministers antrat, wurde der Adani Konzern von der Behörde Directorate of Revenue Intelligence (DRI) mit einer Strafe von 770 Millionen Dollar bedacht, weil drei Firmen der Adani Gruppe mit Hilfe von Offshore-Firmen in Mauritius, die seinem Bruder Vinod Adani gehörten, Einfuhrzölle umgangen hatten. Im Juni übernahm das Central Bureau of Investigation (CBI) den Fall und forderte 626 Millionen Dollar von Adani.
Alle Anklagepunkte werden fallen gelassen
Im August 2017 ließ der Chef der DRI Behörde und Modi-Vertraute K.V.S Singh plötzlich alle Anklagepunkte fallen - die Verantwortlichen seiner Behörde, die den Fall angestoßen hatten, wurden mundtot gemacht. Doch die Steuerbehörde legte Einspruch gegen die Entscheidung ein, mit der Begründung, dass Singhs Anordnung illegal war, weil jedes geltende Gesetzt gebrochen wurde.
Nach dem gleichen Muster wollte das Umweltministerium im Jahr 2016 eine Geldstrafe von 28 Millionen Dollar unter den Tisch fallen lassen, die der Adani Port & SEZ im Jahr 2013 für Umweltvergehen aufgebrummt wurde. Auch hier musste erst der Supreme Court eingreifen.
Die Adani Gruppe ist für ihre Umweltvergehen nicht nur in Indien bekannt - auch in Australien wird ihnen der Prozess gemacht.
Das Magazin Economic & Political Weekly berichtete im Jahr 2013 über Steuerschulden der Adani Gruppe von 140 Millionen US Dollar für importierte Kohle. Doch kaum im Amt änderte die Modi Regierung den Special Economic Zones Act, 2005. Anschließend betrug die Steuerschuld von Adani nur noch die Hälfte, doch auch die hat er bis heute nicht beglichen.
Genauso "fishi" ging es zu, als die Modi Regierung den Betrieb für sechs indische Flughäfen - Ahmedabad, Jaipur, Lucknow, Guwahati, Thiruvananthapuram and Mangaluru - im Februar an ein Unternehmen der Adani Gruppe für 50 Jahre vergab, normal sind 30 Jahre. Unter anderen legte das Regierungskomitee fest, das für die Auktion zuständig war, dass keine Erfahrung vorhanden sein muss, den hochsensiblen Bereich eines Flughafens zu leiten.
Darüber hinaus stellte sich heraus, dass die Bundesstaaten in denen die Flughäfen liegen, nicht wie üblich in die Entscheidung mit einbezogen wurden. Da jedoch die Wahlen näher rückten und die Sachen dermaßen zu stinken begann, wird das Zuschlagsschreiben (letter of award) bis jetzt zurückgehalten.
Modis Konzerne und die Umwelt
Am 21. Februar dieses Jahres gab das Umweltministerium den Hasdeo Arand Wald in Chhattisgarh für den Kohleabbau frei. Dabei hatte die Vorgänger Regierung 2009 noch kategorisch erklärt, dass der Wald wegen seines Artenreichtums unantastbar ist. Der größte Profiteur der "gelockerten" Umweltvorschriften: Rajasthan Collieries Limited (RCL), ein Unternehmen der Adani Enterprises Limited.
In Sachen Umweltsauereien glänzt auch ein anderer Großindustrieller, der sich 2014 für die Wahl Modis engagiert hat und augenblicklich für dessen Wiederwahl - Anil Agarwal, Vorsitzender der Vedanta Gruppe. Im Mai 2018 waren im südindischen Thoothukudi Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Verschmutzungen einer Kupferschmelze der Vedanta Gruppe zu demonstrieren, wobei 13 Demonstranten gezielt erschossen wurden, darunter auch ein Schulmädchen, das von einer der Kugeln in den Mund getroffen wurde.
Die Regierung von Tamil Nadu beugte sich den Protesten und schloss die Kupferschmelze. Doch das National Green Tribunal (NGT), dass 2010 gegründet wurde, damit Umweltverschmutzungen besser verfolgt werden können, entschied, dass die Schließung "Unrecht" sei. Im Jahr 2017 hat die Modi-Regierung die sogenannte "money bill" verabschiedet, die auch die Unabhängigkeit des NGT stark einschränkte. Eine der Folgen: Im Environmental Performance Index von 2018 ist Indien auf Platz 177 von 180 Ländern abgerutscht. Doch letzte Woche überstimmte der Supreme Court den NGT und urteilte, dass die Schließung der Kupfermine rechtens ist.
Wie Narendra Modi die Konzerne mit Milliarden US-Dollar indirekt subventioniert, kam durch einen Bericht der Schweizer Bank Credit Suisse aus dem Jahr 2015 ans Licht: 80 Prozent der 100 Milliarden Schulden indischer Banken stammen von Konzernen wie der Vedanta Group, von Anil Agarwal, die unbeglichene Kredite im Wert von 17 Milliarden US-Dollar angehäuft hat. Natürlich auch in der Schuldner-Liste: Der Spender des Wahlkampfflugzeuges, Anil Adani, dessen Konzern mit 14 Milliarden US Dollar vorwiegend bei Staatsbanken in der Kreide steht.
Die Modi-Regierung hat sich bis heute geweigert zu erklären, wem eigentlich die Schulden gehören, die sie jetzt still und heimlich abschreiben möchte. Darunter auch die 20 Milliarden US-Dollar Kreditschulden von Anil Ambani, einer der wichtigsten Freunde von Modi. Le Monde berichtete vor ein paar Tagen, dass die französische Regierung einem Telekom Unternehmen von Anil Ambani 143,7 Million Euro an Steuern erlassen hat.
Diese Entscheidung wurde ausgerechnet ein paar Tage nach Modis Erklärung getroffen, 36 Rafale Kampfflugzeuge von der französischen Regierung zu kaufen.
Der Fall Rafale
Im April 2015 schloss Modi schon am ersten Tag seines Frankreich Besuch eine Vereinbarung über den Kauf von 36 Rafale Kampfjets ab. Selbst sein Verteidigungsminister wusste nichts über die Einzelheiten und sagte, der Preis pro Flugzeug betrage etwa 100 Million US-Dollar. Als der Vertrag 17 Monate später unterschrieben wurde, war der Preis pro Flugzeug auf 240 Millionen angewachsen.
Die Regierung verweigerte eine Begründung mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit. Die hielt sie jedoch nicht ab, ein schnell gegründetes Unternehmen von Anil Ambani für den Flugzeugbau mit ins Boot zu holen, anstatt wie üblich mit dem Staatskonzern Hindustan Aeronautics Limited zusammenzuarbeiten. Die Zeitung The Hindu veröffentlichte dieses Jahr Dokumente, die beweisen, dass die indische Regierung ihre französische Kollegen gedrängt hat, Ambanis Firma zu bevorzugen.
Modis soziale Wohltaten
Auch bei Modis sozialen Wohltaten stinkt es zum Himmel. Niemanden dürfte es wundern, dass der Zuschlag für eine staatliche Krankenversicherung an ein Unternehmen von Anil Ambanis Reliance ging.
In einem Modellversuch im von Modis BJP regierten Jammu und Kaschmir hat die Regierung die monatliche Zulage von umgerechnet 3,70 Euro, die an staatliche Angestellte gezahlt wird, im September gestrichen und stattdessen alle Regierungsangestellten verpflichtet, eine Versicherung bei dem Konzern für umgerechnet 109 Euro im Jahr abzuschließen - unabhängig vom Einkommen der Angestellten, das bei unteren Lohngruppen nur wenig über 100 Euro pro Monat liegen kann. Satya Pal Malik, der Gouverneur von Jammu und Kaschmir, widerrief Ende Oktober 2018 den Vertrag mit Reliance.
Ein Blick ins Detail zeigt auch hier auf: Erstens haben die einzelnen Bundesstaaten 80 Prozent der Kosten für die Krankenversicherung zu tragen und zweitens, ist die sogenannte modicare für Bundesstaaten wie das "kommunistisch" regierte Kerala keine Verbesserung: Schon jetzt sind 4,1 Millionen Bürger Keralas Teil der staatlichen Krankenversicherung, während es unter Modis geplanter Arogya Yoojana (AB-PMJAY) "nur" 1,85 Millionen Menschen Keralas wären.
Auch im Bundesstaat Karnataka gibt es viele staatliche Versicherungs-Programme mit denen die Bürger besser fahren, als mit Modis AB-PMJAY. Zudem stehen überraschend viele Ausnahmen im Kleingedruckten der neuen Wunderkrankenversicherung, dessen Kunden von den meisten privaten Krankenhäuser bisher abgelehnt werden.
Lügen beim Militärschlag gegen Pakistan
Der sogenannte surgical strike Ende Februar im pakistanischen Balakot ist ein Beispiel, wie Modi es versteht, selbst nachgewiesene Lügen zu seinem Vorteil zu nutzen: Satellitenbilder zeigen deutlich, dass keine Religionsschule mit 350 Terroristen getroffen wurde, wie von der indischen Regierung behauptet, sondern einfach nur hastig in den Wald geschossen wurde.
Zudem wurde keine pakistanische F-16 abgeschossen - selbst die USA, zurzeit keine Pakistan-Freunde, gab bekannt, dass keine F-16 der pakistanischen Armee fehlt. Trotzdem tadelt die Modi-Regierung mit Hilfe befreundeter Medien jeden in Indien, der die Fakten ausspricht, als Unterstützer des Erzfeinds Pakistans.
An all dem trägt die Kongresspartei der Gandhis eine Mitschuld. Auch sie haben den Kaschmir-Konflikt jahrzehntelang für patriotische Gefühle genutzt. Es waren die gefälschten Wahlen 1987 die den Aufstand in Kaschmir starteten - die pakistanischen Mudschahedin aus Afghanistan kamen erst ein Jahr später.
Kongresspartei und Raubtier-Kapitalismus
Der Kongress, wei dei Kongresspartei auch genannt wird, öffnete in den 1990ern den Weg für einen Raubtier-Kapitalismus, der dafür gesorgt hat, dass das reiche Ein-Prozent Indiens mittlerweile 73 Prozent des Vermögens besitzt und der für einen Raubbau an der Natur sorgte, der Menschen in Teilen Delhis allein durch Luftverschmutzung bis zu 12 Jahre ihres Lebens kostet - und der Kinder mit kleineren Lungen heranwachsen lässt.
Es ist ein Raubbau der keine Rücksicht darauf nimmt, dass Indien vor großen Problemen steht, seine Bevölkerung mit sauberen Trinkwasser zu versorgen.
Doch waren es auch die Regierungen unter Führung der Kongresspartei, die dafür gesorgt haben, dass sich mehr Inder vom Entwicklungsstand ihrer Nachbarn in Pakistans abgehoben haben: An Schulen, Universitäten und innerhalb des Staatsapparates wurden Quoten für religiöse Minderheiten und den niederen hinduistischen Kasten eingeführt und damit eine Chance geboten, der Moderne aus eigener Kraft entgegen zu treten.
Auch in Sachen Frauenrechte hat der Kongress einiges geleistet und so indirekt dafür gesorgt, dass Indiens Bevölkerungswachstum auf jährlich 1,1 Prozent (2017) gesunken ist. Wer im Jahr 2000 durch New Delhi streifte, bekam ein ultra-konservatives Frauenbild zusehen, das sich nicht vom Nachbarn Pakistan unterschied. Heute werden auf Delhis Straßen auch freies Bein oder Schulter gezeigt. Ob man etwas schick oder passend findet, bleibt mittlerweile nicht mehr Religionsgelehrten überlassen wie in Pakistan.
Modis hinduistische Kampftruppen
Doch genau dort wollen Modis hinduistische Kampftruppen wie die Rashtriya Swayamsevak Sangh scheinbar wieder hin. Nicht nur am Valentinstag durchstreifen sie und andere religiöse Fanatiker ähnlich der Religionspolizei Saudi Arabiens öffentliche Orte nach Sündern. Es kommt vor, dass sie Menschen ermorden, weil sie etwas anderes essen, obwohl der Verzehr von Rind in Indien gesetzlich erlaubt ist.
Auch in Sachen Judikative, die noch viele von Modis Machenschaften durchkreuzt, hat der angebliche Modernisierer seine eigenen Pläne, wie vier Richter des Supreme Courts im Januar 2018 aufzeigten: In einer einmaligen Pressekonferenz in der Geschichte Indiens prangerten die Richter an, dass ihr Vorgesetzter Dipak Misra vorwiegend Fälle verhandeln lasse, die der Modi-Regierung genehm sind.
Die Arbeitslosigkeit
Dazu wird auch in Indien viel harte Realität aus den Zentren an die Ränder geschoben: Jeden Tag geben 2000 Bauern ihre Felder auf und ziehen in die Städte, wo sie mit einer Million junger Inder konkurrieren, die monatlich auf den Arbeitsmarkt strömen, auf dem die höchste Arbeitslosigkeit seit 45 Jahren herrscht. Eine aktuelle Studie der Azim Premji University (APU), kam zum Schluss, dass alleine Modis dilettantisch ausgeführter Geldumtausch-Coup im Jahr 2016 fünf Millionen Arbeitsplätze vernichtet hat.
Da müsste sich ein normal denkender Mensch eigentlich fragen, wo sind all die Arbeitslosen in den Städten? Wer frühmorgens vom U-Bahnhof Kaschmir Gate zu den Verbrennungsstationen am verseuchten Yamuna Fluss spaziert, bekommt eine Ahnung: Zu Tausenden hausen Obdachlose am Flussufer, in den Parks oder unter den zahlreichen flyovers.
Doch so wie es aussieht, brauchen viele Inder noch fünf weitere Jahre um zu verstehen, dass die Politik auch in ihrem Land keinen Heilsbringer zur Wahl stellt, sondern nur die Auswahl zwischen dem Geringeren von zwei Übeln.
Übrigens musste Modis Vorzeigefreund Anil Ambani, dessen Firma Reliance helfen soll, Kampfflugzeuge zu bauen, von seinem Bruder Mukesh Ambani im März vor dem Gefängnis gerettet werden. Anil konnte eine Geldforderung der Firma Ericsson von 81 Millionen US Dollar nicht zahlen, und so sprang Mukesh ein paar Stunden vor dem Ablaufen der Frist ein.
Modis Machenschaften mit Mukesh Ambani, dem Besitzer von Reliance Industries und reichster Inder, liefern genügend Material für einen eigenen Artikel.