Indien: Corona geht, die Klimaziele auch
Seite 2: Die Lösung des blame game
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In Okhla-Delhi gibt es jedoch etwas, dass das elende Blamegame beenden könnte: Indien hat ohne Frage ein Müllproblem. Von den 26.000 Tonnen Plastikabfall pro Jahr "verschwinden" 40 Prozent. Die Mülldeponien werden zu klein.
Auch wenn Müllvermeidung und Recycling gewünscht sind, aktuell braucht Indien Müllverbrennungsanlagen. Da der Preis oft ausschlaggebend ist, hat sich auch Delhi für eine preisgünstige aus China entschieden. Leider sind ihre Abgase nachgewiesener Weise hochgiftig. In Delhi-Okhla, wo die chinesische Müllverbrennungsanlage steht, hat die örtliche Bevölkerung die Anlage vor Gericht vorrübergehend stillgelegt.
Im Rest des Landes zählt der Aktivist und Anwalt Gopal Krishna sieben weitere. Wie wäre es denn, wenn die Europäische-Gemeinschaft Indien 50 der benötigten 100 (modernen) Verbrennungsanlagen spendiert und damit anerkennt, dass sie ihren Wohlstand auch auf (Kohle) Klimaverpestung aufgebaut haben?
Zudem würde das auch europäische Post-Corona-Wirtschaft anschieben. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich Peking mit 10 modernen Müllverbrennungs-Anlagen beteiligt. Das würde den derzeitigen Grenzstreit zwischen Delhi und Peking lindern. Den will die USA nutzen, um ihre "Ego-Spiele" in der Region fortzusetzen: Wir "Demokraten" stehen zusammen gegen das böse China.
Hat Delhi wirklich vergessen, wie die USA sie 2001 fallen gelassen haben, weil das Pentagon Pakistan als basecamp für den Krieg in Afghanistan gebraucht hatte? Oder das Jahr 1971, als die USA mit der Aktion Task 74 der eingeschlossenen pakistanischen Armee (im heutigen Bangladesch) im Kampf gegen Indien zur Hilfe eilen wollte. Auch im letzten Jahr ließ die USA Indien wie einen Schuljungen aussehen, als es befahl, dass Indien kein Öl mehr aus Iran beziehen darf.
Corona in Indien?
Die offiziellen Covid-19 Fallzahlen sind seit knapp einem Monat auf unter 50.000 Neuinfizierte pro Tag gesunken - aktuell sind es um die 30.000. Nur in Delhi gehen die Fallzahlen (wegen der kalten Temperaturen) wieder nach oben. Dabei wurde vorausgesagt, dass Luftverschmutzung und Corona eine noch tödlichere Mischung ist.
Von den offiziell 9,5 Millionen Infizierten sind über 95 Prozent wieder genesen. 138.000 Menschen starben. Von Duzenden glaubhaften Antikörper-Studien ist in Indien keine Rede mehr, obwohl eindeutig scheint, dass sich die Antikörper mindestens ein halbes Jahr halten. In Delhi gab es sogar drei große Studien: Bis zum 10. Juni wurden bei 23 Prozent der Getesteten SARS-CoV-2-Antikörper im Blut gefunden. Einen Monat später bei 29 Prozent. Bei der letzten Studie, die von August bis September durchgeführt wurde, waren es 33 Prozent.
In der Millionenstadt Pune wurden im August bei 51 Prozent der Getesteten Antikörper gefunden.
Ein Dutzend weiterer Antikörper Studien zeigen ebenfalls, dass Narendras Modis harter und langer Lockdown Corona in Indien weder verlangsamt hat noch verhindert. Zudem zeigen auch 411.000 RT-PCR Tests, die in Delhi im November durchgeführt wurden, dass die offiziellen Zahlen hinken: Betrug die Anzahl der positiv Getesten bei den RT-PCR Tests 28 Prozent, überstieg die Anzahl der positiven Tests im gleichen Zeitraum in Delhi niemals die 14 Prozent - für diese wurden vorwiegend Rapid Antigen Tests (RAT) benutzt
Warum es trotz des hohen Infektionsgrades der Bevölkerung verhältnismäßig wenige Tote gab, selbst wenn die offizielle Zahl mit 5 multipliziert werden sollte, kann nur vermutet werden. Das geringe Alter der Bevölkerung und wärmere Temperaturen, könnten zwei Gründe sein.
Dass in Indien andere Krankheiten dem Corona-Virus kaum etwas übrig gelassen haben, ein anderer: In Indien sterben jeden Tag 4.500 Menschen an Tuberkulose und anderen Krankheiten, die in Deutschland beinahe ausgestorben sind. Es gibt leider viele Anzeichen dafür, dass das Tuberkulose-Erkennungssystem in Indien wegen des langen Lockdowns kollabiert ist. Laut der WHO sterben jedes Jahr 450.000 Inderinnen und Inder an Tuberkulose.
Dass Indien nicht mit Deutschland verglichen werden kann, zeigt auch die größte Antikörper-Studie Deutschlands an, bei der bisher 50.000 Proben untersucht worden sind und die vom RKI durchgeführt wurde: Demnach sind bei 1,35 der Getesteten SARS-CoV-2 Antiköper im Blut gefunden worden. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Infizierten gib es demnach kaum eine Dunkelziffer.
Eine kleinere Studie des Helmholtz-Zentrums München mit 12.000 Kindern im Alter zwischen einem und 18 Jahren geht von einer 6-fachen Dunkelziffer aus, aber sie fand überwiegend im April und in Bayern statt. Die Seriosität wird nicht angezweifelt. Das Medianalter in Deutschland ist 45,7 Jahre. Die Aussagekraft für Deutschland wird dem Leser überlassen. Die Dunkelziffer der Delhi-Studien betrug das 33 bis 42-Fache.
Möchte sich jemand vorstellen, wie die Todeszahlen in Deutschland aussehen würden, hätten sich schon 33 Prozent unserer Hauptstädter infiziert oder 51 Prozent in Stuttgart?
Selbstverständlich sollte auch über die Maßnahmen diskutiert werden dürfen, wenn man sich schon Demokratie nennt, denn die haben auch bei uns für Opfer gesorgt. In Indien hat der Lockdown auch deswegen so großen Schaden angerichtet, weil keine Kritik zugelassen wurde, die darauf hinwies, dass 90 Prozent der arbeitenden Bevölkerung im informalen Sektor tätig sind, ohne jede soziale Absicherung. Die Folgen zeigten Bilder, die um die Welt gingen: Hundertausende flüchteten aus den Großstädten zu Fuß auf den Autobahnen und Eisenbahn-Schienen in ihre Dörfer.
Es ist schade, dass auch ein "hoffnungsvoller" Informations-Vermittler wie Rezo die Chance in seinem aktuellen Video nicht genutzt hat, nochmal etwas brachial klar zu machen, was sich auch in Indien aktuell zeigt: "Corona wird gehen, der Klimawandel aber geht unbehindert weiter. Selbst das 3-Grad-Ziel ist aktuell Utopie. Selbstverständlich sind wir mit den Alten im Land in Sachen Corona solidarisch. Aber es wäre schön, wenn auch ihr schnell anfangen würdet, mit uns in Sachen Kampf gegen den Klimawandel solidarisch zu sein. Gerade weil es auch bei den jungen Menschen nur ein geringer Teil ist, der aktiv mithilft, zählt jeder von euch besonders."