Ineffizienter Wasserstoff, Klimaschutzeffekt eines Tempolimits und Atomkraft statt Kohle

Seite 3: Können Atomkraftwerke klimaschädliche Kohlekraftwerke ersetzen?

So lautet, vereinfacht formuliert, der zweite Teil der Fragestellung aus dem oben zitierten Kommentar. Die Angaben zu Kraftwerksleistung und Emissionen sind wie dargestellt nicht richtig.

Es gibt in Deutschland nur noch drei Kernkraftwerke mit einer Betriebsgenehmigung, deren Gesamtleistung liegt bei vier Gigawatt (GW). Zurzeit wird über eine Verlängerung im Streckbetrieb diskutiert. Dadurch wird quasi die restliche Kapazität der Brennelemente über längere Zeit gestreckt, die Kraftwerke können nicht auf unbegrenzte Zeit volle Leistung bringen und die verbleibenden Strommengen werden dadurch nicht wirklich mehr – Fazit: Ihre Ersatzkapazitäten sind gering.

Für eine echte Laufzeitverlängerung müssten neue Brennelemente eingesetzt werden, deren Lieferzeit mindestens zwölf Monate betragen würde. Außerdem müssten die rund 40 Jahre alten Kraftwerke eine umfassende Sicherheitsüberprüfung durchlaufen, deren Ergebnis offen wäre. Eine nahtlose Laufzeitverlängerung wäre also im Moment nicht möglich.

Schon allein auf dieser Grundlage funktioniert das Rechenspiel nicht, dass die Braunkohlekraftwerke Neurath, Weisweiler und Niederaußem bis auf einen Rest von 900 MW durch Atomkraft ersetzbar wären.

Das Kraftwerk Weisweiler steht dabei aktuell nicht zur Disposition, in Niederaußem sollen die Blöcke E und F mit einer Gesamtleistung von 600 MW aus der Reserve reaktiviert werden, beim Kraftwerk Neurath der Block C mit ebenfalls knapp 300 MW. In der Lausitz wurde bereits der Block Jänschwalde E wieder hochgefahren, Block F soll folgen.

Beide zusammen verfügen über eine Leistung von 1 GW. Zu den 1,9 GW an Braunkohlekraftwerken, die aus der Sicherheitsreserve geholt werden, kommen Steinkohlekraftwerke, die laut Kohleausstiegsgesetz eigentlich in diesem oder nächsten Jahr hätten stillgelegt werden sollen. Nun werden all diese Kraftwerke nicht die ganze Zeit über in Volllast fahren, was Prognosen zu ihren Emissionen schwierig macht.

Für die fünf zu reaktivierenden Braunkohleblöcke hat das Öko-Institut beispielsweise in einer Stellungnahme zum Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz folgende Modellrechnung vorgenommen:

Bei einem Einsatz der Kraftwerke aus der bisherigen Sicherheitsbereitschaft mit 7000 jährlichen Vollbenutzungsstunden würde sich eine zusätzliche Stromerzeugung von 13 TWh pro Jahr ergeben. Dies wäre verbunden mit CO2-Emissionen von 16 Mio. t. Gegenüber der Stromerzeugung aus Erdgas wären dies zusätzliche Emissionen von ca. 9 Mio. t CO2.


Aus der Stellungnahme des Öko-Instituts e.V.

Simon Müller, Direktor des Thinktanks Agora Energiewende, rechnet durch die verstärkte Stromerzeugung aus Kohle insgesamt mit Mehremissionen in Höhe von 20 bis 30 Millionen Tonnen im Jahr – ein Teil würde aber auch auf das Konto steigender Stromexporte nach Frankreich gehen, wo der marode Atomkraftwerkspark nicht den Strombedarf des Landes decken kann.

Und wenn es schon um emissionsfreie Ersatzstrommengen gehen soll: In Deutschland wurde 2020 Strom aus Erneuerbaren Energien in einer Größenordnung von sechs Terawattstunden (TWh) abgeregelt. Das ist fast die Hälfte dessen, was die reaktivierten Braunkohlekraftwerke laut Projektion des Öko-Instituts erzeugen würden.

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