Info-Überfluss, Hyper-Konkurrenz, Entortung, digitale Verlustmodelle

Seite 3: Umverteilung, Allmende - sozialistische Untugend oder Existenzfrage?

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Eine Reflexion über den Verlust publizistischer und künstlerischer Erwerbsmodelle durch das Internet führt immer zur Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Während Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bei diesem Thema noch kieksend bekundet, lieber Menschen in "Arbeit" bringen zu wollen, rufen etwa dm-Gründer Götz Werner sowie neuerdings - mit demselben als Co-Autor - Marc Friedrich und Matthias Weik nach dem BGE - "Sonst knallt’s" (Buchtitel, 2017). (vgl. Industrie 4.0.)

Damit wären utopische Dynamiken des Teilens und der Kooperation zu verbinden. Wenn allerlei Zwänge und Ausbeutungslogiken wegfielen, bestünde die Chance auf eine Wissens-Allmende, die sich jetzt schon gerade in den Krisenphänomenen unumgänglich aufdrängt. Man kann das an tausenderlei Beispielen aufzeigen, wie etwa Musik-Unterricht auf YouTube. Will jemand online Gitarre lernen und weiterlernen, so kann er zwischen verschiedenen Lehrern wählen. Was auch immer etwa Kinder nur mit einem menschlichen Lehrer lernen mögen, ist hier für Erwachsene eine Ausweichoption zur bezahlten Dienstleistung. Verbirgt ein Lehrer vertiefte Inhalte hinter einer Bezahlschranke, enthält die YouTube-Empfehlungsliste gleich das Konkurrenz-Angebot, doppelt so umfangreich, noch besser erklärt in allen Details, die früher als Spezialistenwissen verkaufbar waren. Und das Video-Tutorial ist dem gedruckten Anleitungsbuch in einem solchen Fall haushoch überlegen.

Manchem Gitarrenlehrer auf YouTube sieht man geradezu an, dass ihm schon klar geworden ist, dass alle Gesten, die er hier ausführt, von Tausenden anderen nicht mehr ausgeführt werden müssen - und von ihm selbst auch ab jetzt fast nie mehr. Das Bewegtbild ist an die Stelle des realen Menschen getreten. Manch anderer wirbt gleich offensiv vor der Kamera damit, seine Zuschauer könnten sich durch ihn teure Gitarrenstunden sparen. Wenn hier einer noch verdient, dann immer und unwiederbringlich auf Kosten sehr vieler anderer. Aber selbst, ob jemand nur den Lohn für wenige Gitarrenstunden per YouTube-Werbeeinnahmen der eigenen Videos verdient, ist bei den meisten Beitragenden mit Nein zu beantworten.

Man wird voraussichtlich keinen objektiven Modus finden, wie man unbezahlte kreative Arbeit ausreichend alimentiert, wenn sie nicht direkt bezahlt wird. Ein Pauschalbetrag wie das BGE gleicht dabei nicht jede Ungerechtigkeit aus - der Einzelne könnte nur so viel oder wenig für einen Grundbetrag arbeiten, wie er selbst will. Das Mehr an Einnahmen unterliegt dann wieder bekannten und eher unbekannten wie unvorhersehbaren Marktgesetzen.

Kaum einmal erwähnt finde ich, dass zumal in bestimmten Marktsegmenten die Dominanz der Englisch sprechenden Welt weiter zunehmen wird. Sollten immer mehr Menschen englischsprachige Inhalte annehmen, wird der Spielraum der übrigen Sprachkulturen und ihrer Wirtschaft sich auf für sie noch absurdere Weise verkleinern. Heute konkurriert eben schon nicht nur der eine deutschsprachige Website-Autor, Video-Blogger oder Tutor im Netz mit anderen Deutschsprachigen, sondern auch mindestens mit den Englischsprechenden. Manche dieser Kommunikationen (wie die Musikstunde oder das Beratungsgespräch zu allerlei Fragen) finden auf diese Weise ohnehin nur noch virtuell, nicht mehr real auf viele Personen verteilt statt, und kosten im bloßen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit im Netz, wie erwähnt, für Konsumenten wenig bis gar nichts mehr - jedenfalls bis zu einem gewissen Spezialisierungsgrad.

Es schwirren so - und nach wie vor - allerlei Ideen durch die angeschlossene politische und ökonomische Philosophie, von Kommunismus über Keynesianismus bis Libertarismus. Gerade Kultur und Information haben dabei noch ganz eigene Kriterien, die in Deutschland bisher z. B. "öffentlich-rechtliche" Produktionsweise heißen. Wen wundert es, dass die Presse tendenziell links-grün gesonnen ist, lebt sie doch in ihren Spitzen von einer milliardenschweren Umverteilung per Gesetz. Mit Auflagenschwund der Printmedien, Gebühren-Verweigerung und "Lügenpresse"-Rufen wird die Infragestellung dieses Systems immer lauter.

Der Entscheidungsprozess dazu wird einstweilen einfach im Krisen-Modus fortschreiten. Mancher Journalist, der bei seiner Sache bleibt, harzt eben oder lebt von seinen Eltern. Auch diese Geschichten gehören zu denen, die Journalisten selbst kaum erzählen können und/oder wollen: die unerfreulichen, beschämenden, 'uncoolen', 'politisch unkorrekten' Ereignisse und Erlebnisse, die sich der Aufzeichnung im Privaten entziehen oder die der Zeuge von sich selbst nicht gerne preisgibt, weil es sein Ego kränkt und sein Image weiter beschädigt, was eine Abwärtsspirale in Eigen- wie Fremdwahrnehmung ist.

Manches von dem, was den Content-Produzenten jetzt in der Tretmühle der Selbst-Präsentation im Internet abgerungen wird, lässt sich nicht mehr zurücknehmen. Löscht ein Blogger oder YouTuber nicht seine Informationsangebote, sind sie bis auf weiteres abrufbar oder kehren teils unerwünscht in Raubkopien wieder. Das darin enthaltene Wissen ist entwertet, jede derartige wiederholte Arbeitstätigkeit ist unnötig geworden und wird keinem Geschäftsnachfolger mehr bezahlt, sofern Kunden stattdessen eine gleichwertige Gratis-Ware leicht finden. Der Medienproduzent oder überflüssig gewordene sonstige Dienstleister muss und kann sich anderem zuwenden, von dem wir noch nicht so genau wissen, was es sein wird und wie sich die veränderte Wissensorganisation weitergehend auswirkt. Noch ungewisser, ob sich damit von den Betroffenen wiederum auf andere Weise Geld wird verdienen lassen.

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