Informationelles Out of Control
Informationstechnologien lassen die Arbeitsleistung sinken
Während der letzten 20 Jahre ist in der Architektur der letzte Schrei gewesen: "Macht den Weg für die Informationstechnologie frei!" Als Ergebnis sieht man überall in Form von höheren Stockwerken, Klimaanlagen, falschen Decken, erhöhten Böden, langen Schächten etc. Doch jetzt scheint ein plötzlicher Rückschlag jeden zu überraschen, auch wenn die Ursache allgemein bekannt ist.
Jeder, der in einem modernen Büro arbeitet, weiß, daß die Arbeit außerhalb der Bürozeiten gemacht werden muß, weil man in der Bürozeit mit Informationen beschäftigt ist. Das Problem ist alt, doch heute macht es die moderne elektronische Büroausstattung so leicht, eine Nachricht zu versenden, daß jeder vom Raketenwissenschaftler bis zum Kontrollpersonal beigebracht werden muß, ihren Drang nach Kommunikation zu zügeln. Selbst dann aber scheint das wachsende Ausmaß des Problems nahezulegen, daß solche Ermahnungen nutzlos sind. Nach einer unlängst von dem amerikanischen Büroausstatter Pitney Bowes durchgeführten Befragung, muß der durchschnittliche Angestellte in einem Büro täglich 190 Botschaften bewältigen: 52 Telefongespräche, 48 Emails, 22 Voice Mails, 21 Briefe, 15 Faxe, 11 Post-it Stickers, 10 Telefonnachrichten, 4 geschriebene Notizen, 4 Eilsendungen und 3 Mobiltelefonanrufe.
Pitney Bowes beschreibt diese Flut an Ablenkungen als "höchst störend", aber das ist sicherlich zu vorsichtig ausgedrückt. Carstairs McKillop von der University of Chicago zögert bei den Ausführungen seiner eigenen Untersuchung über den information overload nicht, weiter zu gehen: "Wir haben uns alle daran gewöhnt zu denken, daß die größte Gefahr für die Arbeitsplätze von der Automatisierung kommt. Doch jetzt sieht es so aus, daß wir damit falsch gelegen sind. Die Automatisierung hat bereits ihren Höhepunkt überschritten. Die große Gefährdung von Arbeitsplätzen kommt jetzt durch nicht mit der Arbeit verbundener Information, und diese explodiert, weil genau die Arbeitgeber, die ihr Personal in den 80er und 90er Jahren ohne Berücksichtigung auf den störenden Einfluß unkontrollierter Informationen reduziert und informatisiert haben, jetzt merken, daß ihr Notpersonal das entweder nicht leisten kann oder dabei ausbrennt. Mehr Menschen anzustellen, nützt nichts, weil dadurch einfach noch mehr störende Informationen erzeugt werden. Bis nicht irgend etwas geschieht, werden Büroangestellte, wie sie uns vertraut sind, verschwinden."
McKillop behauptet, daß die abnehmende Arbeitsleistung der Angestellten die neuen spezialisierten Call Center in den USA und Europa wie eine tropische Seuche befallen wird. In solchen ganz auf die Informationstechnologien ausgerichteten Gebäuden sind manchmal für die 1000 oder 2000 Angestellten mit offenem Zugang zu TFE (Telefon, Fax und Email) fast ebensoviele Aufseher notwendig, um die störenden Auswirkungen ihres Bedürfnisses, andere zu informieren und informiert zu werden, einzudämmen.
Was läßt sich machen? Überraschenderweise ist das von McKillop erwähnte Rettungsmodell eben jenes, das von Microsoft vor Jahren eingeführt wurde, als das Unternehmen noch klein war. Damals beauftragte Bill Gates den Architekten Gerry Gerron aus Seattle, eine originale "Raumschiffarchitektur" für den Hauptsitz zu entwerfen. Gates wollte symmetrische Gebäude, die zwischen Bäumen versteckt und wie ein Universitätscampus in der Landschaft angeordnet waren. Jeder sollte sein eigenes Büro jeweils in derselben Größe von drei Metern mal 3,60 Metern und einer Höhe von 2,80 Metern haben. So wie er die Zukunft von Microsoft zu dieser Zeit sah, würden knapp über 400000 Quadratmeter für diese Kabinen und für die Parkplätze von 1700 Autos genügend Erweiterungsraum für die nächsten 10 Jahre des Unternehmens bieten. Wie falsch er damit gelegen hat, kann man heute sofort sehen.
Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer