Inhaltliche Qualität bleibt außen vor

Ein Gespräch über Bibliometrie mit Michael Rieck, Dezernent für Medienbearbeitung und Fachreferent für Informatik und Mathematik an der Universitätsbibliothek der Universität Potsdam

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Was die Quoten für die Medien sind, stellen in der Forschung die Erwähnungen eines Autors in anderen Fachpublikationen. Für die Bibliometrie ist der internationale Standard der Science Citation Index (SCI), erstellt vom US-amerikanischen Institute for Scientific Information (ISI) in Philadelphia. Oft entscheidet mittlerweile die Quote, was die Zitierhäufigkeit und damit die Aufmerksamkeit durch andere Wissenschaftler angeht, was ein Wissenschaftler wert ist.

Was heißt Bibliometrie eigentlich?

Michael Rieck: Unter Bibliometrie oder Szientometrie werden gewöhnlich Versuche der Messung des wissenschaftlichen Outputs verstanden - zum Beispiel der Produktivität, der Resonanz und der Qualität.

Ist die Bibliometrie Ihrer Meinung nach ein geeignetes Werkzeug, um "Noten für die Forschung" zu verteilen?

Michael Rieck: Nein, die Bibliometrie misst Publikationsmengen und deren Einfluss. Über die inhaltliche Qualität der Forschung ist damit wenig gesagt. So hatten zum Beispiel die Forscher in der DDR zum Teil deshalb klägliche Quoten, weil sie nicht publizieren durften, der Geheimhaltung unterlagen und oder einfach kein Geld für renommierte Zeitschriften vorhanden war. Eine Aussage über die Qualität ließe sich höchstens in einem homogenen Bereich treffen, etwa den US-Forschern innerhalb eines Fachbereichs.

Ist es dann sinnvoll, wenn so genannte "Länderlisten" erstellt werden?

Michael Rieck: Nur wenn sie auf dasselbe Fach bezogen sind. Wenn ein Land sich die Kernforschung nicht leisten kann oder will, fällt dadurch eine Flut von Publikationen fort. Innerhalb eines Fachgebietes und in Relation zur Zahl der betroffenen Wissenschaftler oder zum Bruttosozialprodukt scheint es mir schon sinnvoll, allein um zu sehen, ob ein Land über- oder unterproportional "forscht". Land bezieht sich hier auf die Institution, der der Forscher angehört.

Aber kann denn die Zahl der Publikationen etwas über die Qualität der Forschung aussagen?

Michael Rieck: Nur begrenzt. Es kann praktisch alles irgendwo publiziert werden, und zur Bewertung der Qualität der Quelle, also der Zeitschrift oder des Verlages, bedarf es schon eines Fachmanns. Nichtsdestotrotz scheint mir, dass mitunter bei Bewerbungen oder Berufungen auf die Länge der Publikationsliste mehr Wert gelegt wird als auf den Nachweis eines didaktischen Geschicks.

Besteht die Gefahr, dass sich Wissenschaftler gegenseitig zitieren und so genannte Zitierkartelle bilden oder vor allem renommierte Autoren zitieren?

Michael Rieck: Also, das ist ja irgendwie selbstverständlich. Denn ein Verfasser muss zeigen, dass er die Größen seines Fachgebiets kennt und diversen Dankverpflichtungen nachkommen. Aber das ist ja auch inhaltlich nicht ganz falsch.

Gibt es Ihrer Meinung nach Alternativen zur subjektiven Methode der Bibliometrie?

Michael Rieck: Wie bitte? Bibliometrie ist doch keine subjektive Methode. Ein Forscher wird sich doch wohl hoffentlich nicht auf die Artikel beschränken, die oft zitiert werden oder deren Autoren viel publizieren, sondern holt mindestens genausoviel Kenntnisse über seine Fachkollegen und über zufällige Treffer herein. Das Problem ist die Schnittstelle, wo von Fachfremden eine Entscheidung getroffen werden soll, etwa bei der Forschungsförderung, und man einfache Kriterien sucht.