"Inkompetent, Idiot, Lügner"

Die Staatsschulden und das Außenhandelsdefizit erreichen in den USA neue Höchststände, während das Ansehen von Bush in den Keller geht

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Vor drei Jahren zog US-Präsident Bush, damals noch mit der hohen Popularität, die er seit den Anschlägen vom 11.9. erzielt hat, in den Irak-Krieg. Doch mittlerweile sind die Amerikaner nicht mehr davon überzeugt, dass die USA dort erfolgreich einmarschiert ist, fürchten den Beginn eines Bürgerkriegs und sind für den Truppenabzug. Nur noch 30 Prozent sind der Überzeugung, dass Bush im Irak richtig handelt. Die jetzt in Samarrah gestartete Offensive der US-Truppen, die vom Pentagon mit Filmen für die Medien gebührend in Szene gesetzt wurde, soll kurz vor dem 3. Jahrestag des Kriegsbeginns wohl vor allem zeigen, dass das US-Militär noch handlungsfähig ist. Doch einen großen Umschwung wird diese Offensive, der zudem der erkennbare Feind fehlt, weder im Irak noch in den USA herbeiführen, wo Bush mitsamt dem wachsenden Handelsdefizit und den ansteigenden Schulden stetig an Ansehen verliert.

US-Präsident Bush am 16. März im Oval Office. Foto: Weißes Haus

Das Außenhandelsdefizit der USA ist letztes Jahr auf über 800 Milliarden US-Dollar angestiegen. Seit Amtsantritt von Bush hat es sich verdoppelt und liegt nun bei 6 Prozent des BIP. Nach einem Bericht des National Bureau of Economic Research sind die USA damit “die einzige große Industrienation, die das Handelsdefizit über 5 Prozent hinausgetrieben hat”. 2,2 Milliarden Dollar „leihen“ Investoren damit täglich den USA. Seit dem letzten Jahr übersteigen die Zins- und Dividendeneinkommen der Menschen im Ausland die der US-Amerikaner.

Die Auslandsverpflichtungen machen bereits etwa 30 Prozent des BIP aus – Tendenz steigend. Nach dem Szenario könnte diese – sofern Ausländer noch weiter anlegen, um das Defizit und die Staatsausgaben auszugleichen, und sich nicht andere Möglichkeiten suchen - noch auf 60 Prozent anwachsen, allerdings mit dem Preis, dass der Wert des Dollar sinkt und das Wirtschaftswachstum einbricht. Nachdem das Geschäft mit dem Konzern Dubai Ports World (DP World) vom Kongress abgelehnt wurde, 6 große amerikanische Häfen zu übernehmen, könnte die Investitionsbereitschaft allerdings zurückgehen.

Neben dem wachsenden Außenhandelsdefizit wächst auch die Staatsverschuldung weiter an. Gerade hat der Kongress beschlossen, die Schulden für das Haushaltsjahr auf 781 Milliarden Dollar zu „beschränken“, obgleich alle Abgeordneten, der Präsident eingeschlossen, von der Notwendigkeit des Sparens sprechen. Das Haushaltsbudget beträgt 2,8 Billionen Dollar. Vermutlich wird sich Bush – angesichts der Wahlen in diesem Jahr – nicht durchsetzen können, die vom Kongress erwünschten Ausgaben zu senken. Letzten Monat erst sind die Staatsschulden bis zur gesetzlich festgelegten Obergrenze von 8,18 Billionen Dollar angestiegen. Mit dem zumindest vom Senat gebilligten zusätzlichen Schulden von 781 Milliarden würden die Staatsschulden auf 9 Billionen Dollar ansteigen.

Aber das sind abstrakte Zahlen, die vermutlich nicht wirklich auf die Einschätzung des Präsidenten durchschlagen, der in einer PEW-Umfrage gerade auf seiner niedrigsten Zustimmungsrate von 33 Prozent gelandet ist (im Januar 2005 waren es noch 50 Prozent). Geschadet hat Bush, dass seine Regierung es befürwortete, die Häfen an die arabischen Investoren aus Dubai zu verkaufen. 58 Prozent sagten, der Kongress habe mit seinem Einschreiten angemessen darauf reagiert (allerdings findet es die Mehrheit – realistischerweise – allgemein gut, wenn Ausländer in den USA investieren). Nach dem Irak-Krieg war das Thema der Häfen die Top-Nachricht für die befragten Bürger.

Fast 70 Prozent derjenigen, die Bush 2004 gewählt haben, stehen noch hinter ihm, aber auch im eigenen Lager bröckelt die Zustimmung massiv, gleich ob bei Religiösen, Südstaatlern, Reichen oder Frauen bzw. Männern. Wenn die Befragten ein Wort wählen konnten, um Bush zu kennzeichnen, so griffen 48 Prozent (2003: 27%) zu einem negativen. Die Meisten verwendeten “inkompetent”, gefolgt von “Idiot” und “Lügner”. Nur nach 28 Prozent (2003: 52%) nannten eine positive Beschreibung, meist „gut“, dann „christlich“ und „ehrlich“. 2003 wurde Bush noch bei der Mehrzahl der Menschen als „ehrlich“ angesehen. Die Glaubwürdigkeit, womit Bush nach dem 11.9. am meisten punkten konnte, ist jedenfalls verschwunden.

Aber da Bush sowieso nicht wiedergewählt werden kann, gilt er als „lame duck“, was für seine Partei zunehmend zur Belastung wird. Wie sich das Weiße Haus und die Partei aus der Lähmung befreien wollen, ist nicht absehbar. Zu hoffen ist nur, dass die sich zuspitzende Rhetorik gegen den Iran und das Beharren auf der Doktrin des Präventivschlags nicht davon zeugt, dass erneut auf die einst innenpolitisch erfolgreiche Kriegsstrategie gesetzt wird. Besonders die Kongressabgeordneten stehen unter Druck. Bei den Wahlen in diesem Jahr werden alle 435 Abgeordneten neu gewählt. Hoffnungsvoll stimmt da aber auch nicht, dass das Weiße Haus und die Republikaner mehr und mehr unter den Druck der rechten Christen, ihre bislang verlässliche Wählerbasis, geraten.