Ins Fettnäpfchen der Wissenschaft tappen

Eye of the Storm

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Konferenzkritik

"Wissenschaft is wertfrei", wiederholt Biologe Lewis Wolpert nachdrücklich während der Eröffnungssitzung der ‚Eye of the Storm' Konferenz, die im Februar in der Royal Institution in London stattfand. Am nächsten Tag antwortete Robin Baker - Lektor der Zoologie der Universität Manchester und Autor von ‚Sperm Wars' -, in Antwort auf die Kritik des Künstlers Del LaGrace Volcano auf seinen Vortrag, daß "er nur die Fakten betrachte". Aber welche, Roger, welche?

Solche Kommentare waren regelmäßig von den Vortragenden zu hören, von denen die meisten auf die eine oder andere Weise Wissenschaftler sind. Die Konferenz, die mit "Künstler im Mahlstrom der Wissenschaft" untertitelt war, hätte wirklich lieber "Wissenschaftler im Mahlstrom/Strudel der Künste" heißen sollen, da ein Wissenschaftler nach dem anderen sich in die Bärenfalle des Vorlesungssaals der Royal Institution (ein berühmter Saal, in dem bereits Faraday doziert hatte) gesellte, um von einem Publikum, das größtenteils aus Künstlern (auf die eine oder andere Art) zu bestehen schien, befragt und verhöhnt zu werden.

Der Hauptfehler der Konferenz war aber nicht ihr Titel, auch nicht ihre Liste an Vortragenden, von denen die meisten gut bekannt sind und interessante Präsentationen gaben. Aufgetreten sind der Physiker Sir Roger Penrose, die Psychologin Susan Greenfield, der Medien-Mann Melvin Bragg, der KI-Gelehrter Igor Aleksander, der Atombildhauer James Acord, der Biologe John Maynard-Smith, der ‚wahnsinnige Wissenschaftler' Heinz Wolff und der ewig offensive Jack Cohen - ein glitterndes Aufgebot an Stars, wenn es überhaupt welche gibt.

Das Problem war viel eher, daß zwar Diskussionszeit eingeplant war, die Diskussionen aber dermaßen schlecht gemanagt wurden, daß die ausständige Konfrontation zwischen Künsten und Wissenschaften eigentlich nie zustande kam. Das traf speziell am zweiten Tag zu, als Susan Greenfield (die unglücklicher Weise mit der Vermittlung sämtlicher Sessions beauftragt worden war) ihre Anstrengungen überdosierte und versuchte, das Publikum zu dirigieren wie Thomas Beecham auf Speed.

Das Resultat war, daß die Wissenschaftler mit dem Glauben davonkamen, daß die ganze Konferenz eine Übung für sie darin darstellte, die ignoranten Künstler etwas über Wissenschaft zu unterrichten. Ihre Einstellung war wirklich unglaublich, (und dank Greenfield auch kaum herauszufordern). Ein besonders repräsentativer Kommentar kam von Robotiker Kevin Warwick (Reading University), daß er nämlich wirklich gerne mit Künstlern zusammenarbeiten würde, damit er seinen Robotern beibringen könne, Mozart zu schätzen (ohne einer Spur Ironie dahingesagt).

Ebenso interessant war Wolperts Annahme, daß Gentechnik wertfrei sei, da sie eventuell Bindegewebekrebs verhindern helfen könne - eine Schlußfolgerung, zu der er kam ohne sich jemals den massiven Fragen zu stellen, die sich aus der Verminderung des landwirtschaftlichen Genpools ergeben - durch das Klonen von Getreidevorrat und die Schaffung von Düngemittel-Abhängigkeit dieser selben Pflanzen, indem auf genetischer Ebene herummanipuliert wird - was wiederum Bauern dazu zwingt, gewisse Chemikalien zu kaufen, um ihr Getreide pflanzen zu können. Wenn man bedenkt, daß er zur Zeit Vorsitzender des Kommittees für das öffentliche Verständnis von Wissenschaft ist, sollte es Wolpert wirklich besser wissen.

In den Augen dieser Typen und Kumpels geht es bei Kunst zur Gänze um Wahrheit und Schönheit. Postmodernismus war eine etwas degenerierte vorübergehende Phase; sie empfanden dabei dasselbe, was sie gefühlt haben, als sie ihre Kinder beim Kleber-Schnüffeln erwischt hatten. Jetzt, wo die Kunstwelt aus dieser Phase herausgewachsen ist, können wir alle wieder dazu übergehen, die National Gallery zu besuchen und die Impressionisten zu bewundern. Würde es nicht so traurig sein, wäre es lustig gewesen. Künstler mögen nicht die Sprache der Wissenschaft sprechen können, und es gab sicherlich eine Menge Künstler bei dieser Konferenz, die stumpfsinnige Fragen stellten. Aber zumindest gingen sie nicht herum wie ein Haufen von mit Testosteronen angeheizten Zehntklässlern, die behaupteten, sie hätten Recht, weil sie alle Fakten kennen würden. Oder daß Verantwortung der Wissenschaft keine irgendwie geartete Verbindung mit Folge-Aktionen hätte. Die Zeit ist sicher reif dafür, die Kluft zwischen Kunst und Wissenschaft zu schließen. Die Künstler büffeln fleißig ihre Quantenmechanik und Chaostheorie. Ich denke nun sind die Wissenschaftler dran, das Ihre zu tun, um aufzuholen.

Eye of the Storm - Artists in the Maelstrom of Science wurde von Arts Catalyst organisiert und fand in der Royal Institution, London, 19.-20. Februar 1998, statt.

James Flint war Redakteur von WIRED UK, betreut die Wissenschaftssektion der Zeitschrift Mute und schreibt an einem literarischen Roman.