Internationale Druck auf Israel und USA steigt, den Gaza-Krieg zu stoppen

Seite 2: Bidens Michigan-Desaster als Warnung

China zeigte sich "schockiert" über den Vorfall und verurteilte die Tötungen ebenfalls aufs Schärfste. Australien erklärte, es sei "entsetzt" und werde diesen Standpunkt direkt gegenüber dem israelischen Botschafter zum Ausdruck bringen.

Auch die USA reagierten. Das Weiße Haus bezeichnete den Tod von mehr als 100 Palästinensern als "äußerst alarmierend". US-Präsident Joe Biden sagte, die Tötungen werden die schwierigen Waffenstillstandsverhandlungen in dem fast fünf Monate währenden Krieg erschweren.

Der Sprecher des Außenministeriums, Matthew Miller, sagte vor Reportern, dass die Vereinigten Staaten "dringend nach zusätzlichen Informationen über den genauen Hergang des Vorfalls" ersuchten. Washington werde eine bevorstehende Untersuchung genau verfolgen und "auf Antworten drängen".

In den USA wächst zugleich der Druck auf die Biden-Regierung immer mehr. Bei den Vorwahlen im US-Bundesstaat Michigan, einem wichtigen Swing-State für die Präsidentschaftswahlen im November, haben mehr als 100.000 Wähler im Rahmen einer organisierten Kampagne, die gegen die Unterstützung Israels für den Gazastreifen durch die USA protestiert, Wahlzettel mit "nicht gewählt" abgegeben.

Umfragen und Selbstverbrennung

Ein Warnsignal an den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, dass man ihn bei der Wahl im November nicht wählen werde, wenn er den Kurs im Gaza-Krieg nicht ändere. Auch in anderen Bundesstaaten mit großer arabischer Bevölkerung werden ähnliche Reaktionen erwartet.

Beobachter sprechen nun davon, dass Bidens Israel-Unterstützung beim Gaza-Krieg ihm die Wiederwahl kosten könne. Bei Umfragen zeigt sich, dass die US-Bürger:innen in Mehrheiten (57 Prozent) Bidens Politik gegenüber dem Israel-Palästina-Konflikt ablehnen, während 67 Prozent sich dafür aussprechen, dass die USA zu einem dauerhaften Waffenstillstand aufrufen.

Und als ob das noch nicht genug an Druck ist, hat sich letzte Woche der US-Veteran Aaron Bushnell vor der israelischen Botschaft in Washington D.C. selbst verbrannt, in Protest gegen die US-Politik gegenüber Israel. Er verlangt einen Waffenstillstand. "Ich werde mich nicht länger an einem Völkermord beteiligen", sagte er.

Und dann müssen sich am kommenden Montag die USA erneut vor der UN-Generalversammlung erklären, warum sie letzte Woche zum dritten Mal ihr Veto gegen eine Gaza-Resolution im UN-Sicherheitsrat einlegten, die zu einem sofortigen humanitären Waffenstillstand aufrief.

Die Welt will ein Ende des Kriegs, Biden sagt weiter Nein.

USA stehen mit dem Rücken zur Wand, isoliert

Die USA stehen international mit dem Rücken zur Wand, isoliert vom Rest der Welt, während Worte und Taten weiter auseinanderdriften. Das Ansehen Bidens sinkt derweil, nicht nur in den USA bei seinen Wähler:innen, sondern in der Welt.

Gleichzeitig wird sich der Druck auf die Netanjahu-Regierung nicht abschwächen, im Gegenteil. Im Internationalen Strafgerichtshof (IGH) in Den Haag wird auf Grundlage einer Resolution der UN-Generalversammlung vom Dezember 2022 über die "rechtlichen Folgen" der israelischen Besetzung Palästinas verhandelt.

Im vergangenen Monat musste sich Israel zudem vor dem IGH in einem anderen Fall verteidigen. Südafrika hat in einer Anklage der israelischen Regierung und den Verantwortlichen schwere Verstöße gegen die Völkermordkonvention von 1948 bei seinem derzeitigen Angriff auf Gaza vorgeworfen, unterstützt von einer Reihe von anderen Staaten und internationalen Organisationen.

Der UN-Weltgerichtshof erließ eine vorläufige Anordnung, dass Israels Krieg gegen die Palästinenser "nachvollziehbar" als Völkermord angesehen werden kann. Die Richter verlangten ein Ende der Tötungen von Zivilisten und die ausreichende Bereitstellung von humanitärer Hilfe, was Israel jedoch nicht tat.

Israel soll Falschaussagen vor IGH getätigt haben

Jetzt zeigt eine Untersuchung, dass die israelische Verteidigung offensichtlich mit Falschaussagen vor dem Gerichtshof operierte, um Israels Aktionen im Gazastreifen zu rechtfertigen. Das alles wird auf den Tisch kommen, wenn Israel in den nächsten Wochen vor dem Weltgerichtshof darlegen muss, inwiefern man den Anordnungen nachgekommen ist.

Auch andere Staaten des Globalen Südens haben Maßnahmen vor dem Internationalen Strafgerichtshof eingeleitet. Insgesamt haben Länder, die fast 60 Prozent der Bevölkerung des Globalen Südens repräsentieren, entweder direkt oder indirekt internationale rechtliche Schritte im Fall von Palästina unterstützt, wie Analysen zeigen.

Verurteilt wird von verschiedenen Seiten auch Israels Bestreben, die wichtigste Hilfsorganisation für den Gazastreifen, das UN-Hilfswerk UNRWA, außer Betrieb zu setzen. Es geht dabei um Vorwürfe gegen einzelne Mitarbeiter der Organisation, an den Hamas-Angriffen beteiligt gewesen zu sein.

Zwölf Mitarbeiter stehen dabei im Fokus, von insgesamt 13.000 Beschäftigen, wobei UNRWA sich nicht nur klar davon distanzierte und transparent alle benötigten Informationen bereitstellte, sondern die UN zwei separate Untersuchungen einleitete. Bisher konnte Israel jedoch keine Beweise für ihre Anschuldigungen vorlegen.

Die Vernichtung des UN-Hilfswerks für Gaza

Ohne die Untersuchungsergebnisse abzuwarten, folgte die kollektive Bestrafung. Die USA und viele ihrer Verbündeten, darunter Deutschland, stellten die Finanzierung von UNRWA ein. Die humanitären Konsequenzen davon könnten sein, dass Tausende Palästinenser nun wegen fehlender Versorgung sterben.

Sicherlich, all die internationalen Verurteilungen haben bisher nicht ausgereicht, den Krieg Israels gegen Gaza zu stoppen oder gar abzumildern. Aber die Eskalationslogik der Netanjahu-Regierung wird zunehmend zu einer Belastung für Biden.

Das könnte am Ende den Unterschied machen. Ab welchem Punkt die Kosten den Nutzen für die US-Regierung übersteigen, oder als nicht mehr akzeptabel angesehen werden, ist schwer zu sagen.

Bislang erscheint es so, als ob Biden nicht nur seinen außenpolitischen Ruf auf der Weltbühne gänzlich ruinieren, sondern auch seine Wiederwahl als Präsident gefährden will. Das kann sich jedoch ändern.