Internet- und Computerspezialisten für die Dritte Welt

Mit Spenden und freiwilligen Helfern will Geekcorps Entwicklungsländern bei der Einführung des Internet helfen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Rein äußerlich entspricht Ethan Zuckerman genau dem Bild, das man sich von einem klassischen Computer-Geek machen möchte: Er ist groß, hat langes dunkelblondes Haar, trägt Brille, Jeans und ein blaukariertes Hemd und neigt ein bisschen zur Fettleibigkeit - der Tribut, so will es das Klischee, für endlose Programmiersessions in langen Nächten, wo man nur noch Pizza und Pommes Frites bekommt.

Doch in Wahrheit ist Zuckerman ein unermüdlicher Meister anregender Gespräche, ein Avantgardist der Internetgemeinde, ein Philantrop und Idealist. Denn der 27-Jährige, der es in seiner jungen Karriere bereits zum Millionär gebracht hat, baut derzeit in seiner Heimatstadt North Adams im US-Bundesstaat Massachussetts ein ambitioniertes Projekt namens Geekcorps auf. Ziel der Unternehmung ist es, qualifizierte Internet- und Computerspezialisten für einige Monate in Entwicklungsländer zu schicken, um dort eine entsprechende Infrastruktur mit aufzubauen. Und weil Zuckerman durchaus auf eigene Erfahrungen als Gründer und Manager der Community-Seite Tripod.com, die später von Lycos gekauft wurde, zurückgreifen kann, sieht er den Auslandsaufenthalt auch als willkommene Abwechslung für überarbeitete Programmierer, die noch ihren Horizont erweitern wollen.

Das Geld für das Projekt kommt von seinesgleichen. "Eine Menge Leute haben viel Geld durch das Internet gemacht", sagt Zuckerman. "Und wir bitten sie, großzügig zu sein, und auch anderen zu helfen, Geld durch das Internet zu machen." 400000 US-Dollar, der nötige Etat für das erste Jahr, hat er seit Februar durch Spenden von Einzelpersonen und großen Konzernen bereits gesammelt, doch für 2001 gehen seine Planungen bereits von 1,2 Millionen aus. Die Zeichen stehen auf Expansionskurs.

Über 200 Bewerber interessierten sich dafür, zu den ersten sechs "Freiwilligen" zu gehören, die im September für drei Monate nach Akkra, Ghana, gehen, um dort für sorgfältig ausgesuchte Unternehmen zu arbeiten. Der Kreis der Ziele soll schnell auf weitere Länder in Lateinamerika und Jordanien ausgeweitet werden. "Wir haben nur die besten ihres jeweiligen Faches genommen, und die sind in ihren Firmen Superstars", übertreibt Zuckerman. Und die hatten auch keine Probleme, von ihren Arbeitgebern freigestellt zu werden. Gefeuert werden solche Leute angesichts des Fachkräftemangels ohnehin nicht.

Kurioserweise trifft Geekcorps.org genau in eine Lücke, die auf dem vor kurzem zu Ende gegangenen G-8-Gipfel in Japan ausgemacht wurde. Denn die Führer der westlichen Welt waren überein gekommen, dass sie einen "Global Digital Opportunity Corps" aufbauen wollen. "Wir haben mit den zuständigen Leuten geredet, und es kann sein, dass unsere Idee ein bisschen auf sie abgefärbt hat", grinst Zuckerman.

Die Unternehmen, die einige Zeit lang einen "Freiwilligen" zur Verfügung gestellt bekommen, müssen ihn nicht unbedingt bezahlen. Die Reisekosten und Unterbringung trägt Geekcorps, außerdem bekommen die Auserwählten einen Zuschuss von 500 Dollar pro Monat, die den Großteil der Lebenshaltungskosten tragen dürften. Allerdings müssen die Firmen vor Ort, die die kostenlose Unterstützung bekommen, wieder etwas an die Gemeinschaft zurückgeben. Ein Unternehmen in Ghana etwa entwickelt Software für ländliche Banken in Afrika, ein anderes Projekt widmet sich dem Aufbau einer Webseite, über die die Arbeit örtlicher Künstler vertrieben werden soll.

Scott Ryan, der einzige der sechs Freiwilligen, der nicht im Technologie-Bereich tätig sein wird, sondern als ECommerce-Berater, sieht die ganze Sache als "Herausforderung" und als Möglichkeit, "die Welt ein bisschen besser zu machen". Der 25-Jährige gehört damit zu einer Generation von Amerikanern, denen der Wirtschaftsboom der vergangenen Jahre genug Geld gebracht hat, um ein bisschen was an weniger Betuchte abzugeben: "Die Leute können ein Risiko eingehen, weil sie Stabilität haben."