Irakische Regierung und Kurden wollen mehr Waffen
Im Irak erstarken auf Kosten der Regierung in Bagdad vor allem die kurdischen und schiitischen Milizen im Kampf gegen den sunnitischen "Islamischen Staat"
Waffenlieferungen in Krisengebiete werden mehr und mehr zur Option. Ob Saudi-Arabien und die Golfstaaten Krisengebiete sind, darüber kann man vielleicht streiten, jedenfalls werden dort Waffenexporte bezahlt, weswegen sie auch weiterhin dorthin gelangen. Der Druck steigt, auch der Ukraine Waffen zu liefern, die dann auch den Milizen zugute kämen, die die Zentralregierung nicht wirklich kontrolliert. Das Pleiteland könnte aber nicht zahlen und sich höchstens verschulden, was die Abhängigkeit von den "Unterstützern" steigert, die auf Kosten der dort lebenden Bevölkerung aus strategischen Gründen einen Krieg mit Russland riskieren wollen.
Einfacher scheinen die Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak zu sein, die man als Bodentruppen gegen den Islamischen Staat stärken will. Deutschland will den Peschmerga weitere Waffen liefern, weitere 100 Soldaten sollen zur Ausbildung der Kämpfer in den Nordirak geschickt werden. An die syrischen Kurden, die der PKK nahestehen, liefert Deutschland allerdings ebenso wie andere Staaten nicht. Die USA haben Waffen für die Kurden in Kobane abgeworfen, die mitunter auch in die Hände des IS gelangten. Auf der anderen Seite haben die Peschmerga schwere Waffen und gepanzerte Fahrzeuge aus den USA vom IS erbeutet, der diese wiederum von der irakischen Armee erbeutet hat. Die USA wollen bekanntlich gemäßigte syrische Kämpfer ausbilden und mit Waffen ausstatten. Falls dies wirklich in größerem Ausmaß geschehen sollte, wird man abwarten müssen, ob sie ihre Mission erfüllen und wie das Assad-Regime darauf reagieren wird, das vom Iran und der schiitischen Hisbollah unterstützt wird.
Die USA liefern auch Waffen an den Libanon und an die irakischen Truppen, die auch den mit dem Iran kooperierenden schiitischen Milizen zugeschanzt werden. Sie konnten ebenso wie die kurdischen Milizen den IS zurückschlagen, die reguläre Armee ist hingegen weniger erfolgreich. Sowohl die Kurden als auch die Schiiten haben nicht unbedingt Interessen, die mit denen der USA übereinstimmen, auch wenn sie jetzt als Feinde des primären Feinds der USA in der Region hilfreich zu sein scheinen. Wie das ausgehen kann, ließ sich in Afghanistan und auch im Irak sehen, die USA hatten Hussein als Feind des Iran gestärkt, schließlich zogen sie gegen Hussein und die Taliban in den Krieg. Die schiitische Dominanz der früheren irakischen Regierung unter al-Maliki war es, die dem Islamischen Staat den Boden bereitet hat, der wiederum von der irakischen Armee auch deren moderne amerikanische Waffen erbeutet hat.
Die irakische Regierung plant nun zusammen mit den Amerikanern, die zumindest eine große Offensive in den nächsten Wochen ankündigen, eine Wiedereroberung der Millionenstadt Mosul, die der Islamische Staat ohne größere Kämpfe übernehmen konnte, da die meisten irakischen Soldaten lieber das Feld räumten und es sowieso viele Geistersoldaten gab, während die sunnitische Bevölkerung im IS das kleinere Übel sah. Die Rückeroberung von Mosul ist heikel, schließlich muss eine Großstadt eingenommen werden, was bedeuten kann, dass es viele zivile Opfer geben kann, wenn schwere Waffen und die Luftwaffe eingesetzt werden. Vor ein paar Tagen wurden bereits Luftangriffe gegen Mosul durchgeführt, wie kurdische Medien berichteten.
Es steht aber zunächst wieder einmal die Frage an, ob auch Deutschland sowie andere Staaten Waffen an die irakischen Streitkräfte schicken. Das verlangt der irakische Regierungschef al-Abadi, der gerade erst Bundeskanzlerin Merkel in Berlin getroffen und seine Wünsche nach Aufrüstung auch auf der Sicherheitskonferenz vorgetragen hat. Schwere Waffen seien notwendig, sagte er, zudem müsse eng mit den kurdischen Peschmerga kooperiert werden. Neben der Unterstützung durch die Luftangriffe und -aufklärung der US-Koalition sei auch die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung von Mosul wichtig. Die habe allmählich genug vom IS. Wenn allerdings schiitische Verbände die sunnitische Stadt erobern, könnte dies trotz einer Niederlage den IS als sunnitische Widerstandsbewegung wieder stärken.
Aber Mosul ist nicht Kobane, das fast menschenleer war, als es zum Symbol des Widerstands gegen den IS wurde. Die islamistischen Kämpfer wurden mit hohem Einsatz aus der Stadt vertrieben, die Stadt ist jedoch in weiten Teilen zerstört. Zuerst aber wollen die irakischen Streitkräfte, zusammen mit schiitischen Milizen, Tikrit vom Islamischen Staat zurück erobern. Die nur 40 km entfernte Stadt Baiji wurde angeblich bereits eingenommen. Wenn die Umgebung gesichert und alle Zufahrtswege nach Tikrit gesperrt sind, werde man angreifen, sagte der für die Provinz Salah Al-Din zuständige Kommandeur. Wenn Tikrit befreit ist, kann der Angriff auf Mosul starten.
Da offenbar die schiitischen Milizen in den Kämpfen eine große Rolle spielen, könnte dann zwar vielleicht der IS erst einmal vertrieben sein, die Probleme, die Spannungen zwischen den Schiiten und Sunniten, die die Ausbreitung des IS im Irak begünstigt haben, sind deswegen nicht verschwunden. In Diyala, nordöstlich von Bagdad, konnten die schiitischen Milizen, darunter die Badr-Miliz des radikalen Geistlichen as-Sadr, IS-Milizen zurückdrängen. Vertrieben wurden aber auch sunnitische Bewohner und es soll zu Massenerschießungen gekommen sein, was die Sunniten wieder in die Hände des IS treiben könnte, zumal es auch zu Strafaktionen gegen sunnitische Stämme kommt.
Die schiitischen Milizen, die zwischen 60.000 und 90.000 Mann stark sein sollen, sehen sich als Avantgarde und den irakischen Streitkräften als überlegen an. Sie sollen besser als die irkaischen Streitkräfte ausgestattet sein, die Freiwilligen verdienen ebenso viel wie die Soldaten oder mehr. Sie verfolgen wie die kurdischen Peschmerga eine eigene Agenda, wenn sie nun weitere Teile des Landes vom IS befreien wollen. Die nach der Ermordung des jordanischen Piloten verstärkten Angriffe der jordanischen Luftwaffe spielen im Irak in die Hände der schiitischen Milizen - und in Syrien stärken sie auch das Assad-Regime. Es sieht bisher nicht so aus, als könne die Regierung von al-Abadi die sunnitische Bevölkerung besser vor Repression schützen und an der politischen Macht beteiligen.
Die Kurden werden sich wohl nicht massiv an der Eroberung der hauptsächlich von Sunniten bewohnten Stadt Mosul beteiligen, sie sind eher daran interessiert, den IS aus der Umgebung von Kirkuk zu befreien. Beim Vormarsch des IS gelang es den Kurden, die hauptsächlich von Kurden bewohnte Stadt, die auch das "Herz" von Kurdistan genannt wird, einzunehmen. Die Kurden reklamieren sie mitsamt den Ölfeldern für sich.
Der Präsident der kurdischen Region Barsani forderte nicht nur schwere Waffen vom Westen für den Kampf gegen IS, erklärte aber auch, dass die Kurden keine anderen Streitkräfte zur Verteidigung der Grenzen der kurdischen Region dulden würden, besonders nicht in Kirkuk. Barsani reagierte auf einen Vorschlag, eine Nationalgarde aus irakischen Streitkräften, islamischen und kurdischen Milizen aufzubauen. Unklar ist, ob die USA auch direkt an die Kurden Waffen liefern oder nur an die irakische Regierung, die diese dann an die Peschmerga, aber auch an die schiitischen Milizen weitergibt.