Irgendwie nicht von dieser Welt

Nach einer internationalen Umfrage wissen junge Amerikaner weniger als andere über die Welt - 87 Prozent können den Irak nicht auf einer Weltkarte finden

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Unter der Führung der Supermacht USA soll der auserkorene Bösewicht Saddam Hussein, der zumindest - irgendwo - in seinem Land sitzt und nicht wie sein Vorgänger Bin Ladin untergetaucht ist, von seinem Thron gestoßen werden, weil er die nationale Sicherheit der USA bedroht und Massenvernichtungswaffen an Terroristen weitergeben könnte. Doch wo nun Saddam Husseins Reich mitsamt den anderen Staaten der Achse des Bösen sich auf der Welt befindet, weiß die überwiegende Mehrheit im Bush-Land nicht oder interessiert sich erst gar nicht dafür.

Man sollte denken, dass mit der dauerhaften Beschwörung der Globalisierung die Menschen ihren Scheuklappenblick auf ihre lokale Umgebung verlieren. Und auch wenn die Bindungen an die Nation und das Desinteresse an der Welt zu groß sind, dann könnte man annehmen, dass zumindest im Fall von Irak und Afghanistan, die permanent im Medienblick standen und stehen, gewusst wird, wo auf der Welt sich diese Länder befinden, zumal amerikanische Truppen sich noch in dem einen befinden und um das andere Land herum aufmarschieren, gegen das bereits der letzte größere Krieg geführt wurde.

Im Auftrag von National Geographic hat RoperASW junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren in den USA, aber auch in Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Mexiko, Schweden und Großbritannien befragt. Am schlechtesten über die Welt orientiert sind nach der Umfrage die Mexikaner. Sie konnten von 56 Fragen geografischen und aktuellen Inhalts durchschnittlich nur 21 richtig beantworten. Die US-Amerikaner, deren Regierung militärisch und geopolitisch global agieren, rangieren mit 23 beantworteten Fragen allerdings nicht viel weiter vorne. Die befragen Schweden befinden sich mit 40 richtigen Antworten an erster Stelle, die Italiener und Deutsche - trotz PISA - mit 38 an zweiter Stelle.

Erschrecken mag gleichwohl die Orientierungslosigkeit der jungen Amerikaner, die irgendwie nicht von dieser Welt zu kommen scheinen. 13 Prozent von denjenigen, die, wie CNN süffisant anmerkt, im besten Alter für den Kriegsdienst stehen, können auf einer Karte den Irak überhaupt finden. Das heißt: 87 Prozent wissen nicht einmal, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Regierung und die von ihr geführten Soldaten in den Krieg ziehen werden (bei den Befragten aus allen Ländern war allerdings das Ergebnis mit 80 Prozent nicht viel niedriger). Für eine Demokratie, bei der schließlich die Bürger die Regierung und deren Politik wählen, ist das ein höchst ernüchterndes Ergebnis. Allerdings spricht die meist sehr geringe Wahlbeteiligung auch nicht für ein großes Interesse der Amerikaner an dem, was ihre Politiker machen, oder zeugt von großer Frustration.

Auch bei anderen aktuellen Fragen sieht es schlecht aus. Zwar wissen 58 Prozent der befragten Amerikaner, dass die Taliban und al-Qaida in Afghanistan waren, auf einer Weltkarte konnten aber auch nur 17 Prozent das Land finden, in dem im Oktober des letzten Jahres der Krieg gegen den Terror von der US-Regierung eröffnet wurde. Auch Saudi-Arabien ist für 76 Prozent unauffindbar. Dafür wissen 34 Prozent, dass der Schauplatz der letzten Survivor-Reality-TV-Serie im Südpazifik auf einer der Marquesas-Inseln liegt (wo der Pazifik liegt, wussten überdies 71 Prozent). Daran lässt sich ermessen, wohin die Aufmerksamkeit wirklich gerichtet ist (oder sollten die Kriege demnächst doch auch als Reality-TV-Show ablaufen?) Auf einer Weltkarte konnten die Amerikaner von 16 Ländern durchschnittlich nur sieben finden (Schweden 13 und Deutsche bzw. Italiener 12).

"Die Umfrage zeigt die geografische Ungebildetheit der USA. Die Ergebnisse sind besonders erschreckend im Licht des 11. Septembers, der Amerika traumatisiert und gezeigt hat, dass unser Schicksal mit dem Rest der Welt verbunden ist.

Robert Pastor, Professor für Internationale Beziehungen an der American University in Washington, D.C.

Auch über das eigene Land sind die meisten nicht wirklich orientiert. Nur zwei Staaten - Kalifornien und Texas - konnten 90 Prozent der jungen Amerikaner auf einer Karte finden, New York nur noch die Hälfte. Und 11 Prozent waren gar nicht imstande, die Vereinigten Staaten auf einer Weltkarte aufzuspüren. Doch mächtig fühlen sich die jungen Amerikaner auf jeden Fall. Ein Drittel meint, dass die Zahl der US-Bürger zwischen einer und zwei Milliarden liegt!

Wenn man kaum auf die Welt hinaus blickt, dann weiß man auch nicht recht, wo in der Welt man sich befindet. Die Amerikaner, irgendwie entwurzelte Weltbürger? Oder ist die Globalisierung für die Mehrheit der Weltmacht noch gar nicht angekommen (weswegen dann Erlösungsrhetorik, halbe Wahrheiten und manichäische Weltvorstellungen willig aufgenommen werden)? Die Weltfremdheit oder mentale Abschottung irritiert auch deswegen, weil die USA ja doch ein Einwandererland waren und auch noch sind.

Vielleicht aber sind viele Amerikaner einfach auf andere Wirklichkeiten ausgerichtet, die nicht von dieser Erde sind. Angeblich glauben 56 Prozent daran, dass UFOs real sind, und 48 Prozent sind der Meinung, dass UFOs bereits in irgendeiner Form die Erde besucht haben. Auch wenn die Grenzen gegen die menschlichen "Aliens" aus Angst vor Terroristen mit allen Mitteln geschlossen werden, würden über die Hälfte der Amerikaner gerne einmal extraterrestrischen Lebewesen begegnen. Allerdings wäre das gar nicht so exotisch, denn für ein Drittel hat es angeblich schon solche Begegnungen gegeben. Die Befragung wurde übrigens auch von RoperASW im August dieses Jahres durchgeführt.

Zur Weltläufigkeit tragen offenbar die Medien, gleich ob Fernsehen, Zeitungen oder Internet, nicht bei. Wohl aber Fernreisen, die vielleicht auch erst mental möglich werden, wenn man sich für andere Länder und Kulturen zumindest ein wenig interessier. Immerhin sind in den drei Ländern, die am besten abschnitten, 70 Prozent der jungen Leute wenigstens einmal außer Landes gereist - und sprechen 90 Prozent angeblich mehr als eine Sprache (was doch ein wenig übertrieben erscheint). In Mexiko und den USA sind gerade einmal 20 Prozent aus dem Land herausgekommen und spricht die überwältigende Mehrheit nur eine Sprache.