Irland kriecht unter den EU-Rettungsschirm

Das Land gibt dem Druck nach, auch Großbritannien wird sich mit Milliarden beteiligen, erneut zeigt sich Streit in der Bundesregierung

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Es war längst klar, dass Irland dem Druck nicht standhalten würde und sich letztlich unter den EU-Rettungsschirm begeben würde. Lange hatte sich Dublin gegen die Nothilfe gewehrt, weil die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land auch Maßnahmen aufzwingen werden, die seine Souveränität untergraben. Nun hat Irland die Nothilfe beantragt, wobei erstaunlich ist, dass es nun plötzlich auch erklärt, es brauche auch noch Geld für den laufenden Haushalt. Bisher erklärte Premierminister Brian Cowen stets, man benötige bis Mitte 2011 kein frisches Geld.

Genaue Zahlen und Bedingungen sind weiter unklar. Es gehe um "mehrere zehn Milliarden Euro", gab der konservative irische Finanzminister, Brian Lenihan, inzwischen in einem Radiointerview zu. Erwartet wird ein Betrag, der im Bereich von 100 Milliarden liegt. Dass es nicht nur um eine Rettung des Euros geht, zeigt die Tatsache, dass sich Großbritannien mit Milliarden beteiligen will. Das hat Finanzminister George Osborne in London angekündigt. "Wir reden über mehrere Milliarden Pfund, nicht über Dutzende Milliarden", sagte er.

Die Bankenrettung hat das Haushaltsdefizit Irlands inzwischen auf 19 Milliarden Euro katapultiert, das man aus eigener Kraft nicht mehr refinanzieren könne, sagte der Finanzminister. Tatsächlich steht das Land mit dem Rücken zur Wand, die Staatsverschuldung wird 2010 über die gefährliche Schwelle von 100% des Bruttoinlandsprodukts katapultiert, womit sich Irland in die extreme Problemzone mit Griechenland und Italien einreiht. Dass man mit den vielen Milliarden vor allem Banken retten will, widerspricht eigentlich dem Euro-Rettungspaket. Deshalb ist klar, wie auch die Beteiligung Großbritanniens zeigt, dass hier erneut Extrawürste gebraten werden.

Irland will mit allen Mitteln durchsetzen, dass die günstige Unternehmenssteuer bei 12,5% bleibt. Andere Steuern sollen dagegen angehoben werden. In den nächsten vier Jahren sollen weitere 15 Milliarden gespart und die Einnahmen verbessert werden. Morgen wollen die Konservativen einen "Vierjahresplan" zur Sanierung vorstellen. Geplant sind weitere massive Einschnitte in den Sozialbereich, aber dem wollen sich nun doch die Grünen widersetzen. Der Koalitionspartner der konservativen Fianna-Fail fordert nun vorgezogene Neuwahlen im Januar.

Streit um die niedrige Unternehmenssteuer Irlands

Der Druck, beispielsweise aus Deutschland, wird größer, dass Irland auch die Körperschaftsteuer anhebt. So forderte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass ein strenger Reformkurs eingeschlagen werde müsse, bei dem es auch um die Einnahmen des Staates gehen müsse. Ausdrücklich nannte Steffen Seibert auch die Unternehmenssteuer. Und hier deutet sich wieder der übliche Streit in der schwarz-gelben Koalition ab, denn die FDP sieht nicht ein, dass diese Steuer angehoben werden müsse. So sah der EU-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff zwar ein, dass es in der Finanzwirtschaft Irlands "drunter und drüber ging", trotzdem sei aus dem "ehemaligen Armenhaus Europas" ein "keltischer Tiger" geworden. "Das hat auch was mit dem attraktiven Unternehmensumfeld zu tun, da ist diese niedrige Unternehmenssteuer sicher ein Faktor." Man solle keinen Druck auf die Iren ausüben, sie anzuheben, erklärte er gegenüber dem Deutschlandfunk.

Aus der CDU tönt genau das Gegenteil. "Irland hat durch seine niedrige Körperschaftssteuer etliche Firmen angelockt", erklärte der Wirtschaftsexperte und stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs. "Es kann aber nicht sein, dass Irland Hilfe aus europäischen Finanztöpfen bekommt, aber seine Bürger und Firmen viel niedriger besteuert als andere europäische Länder wie etwa Deutschland."

Ansteckungsgefahr besteht

Wie Irland zu Geld kommen soll, erklärt die FDP aber nicht. Dabei räumt Graf Lambsdorf ein, dass schon die bisher ergriffenen Maßnahmen "beeindruckend" waren. "Der ganze öffentliche Dienst hat Gehaltseinbußen von ungefähr 25% hinnehmen müssen." Das müsse man sich mal vorstellen, weil es "wirklich ans Eingemachte" gehe. Doch offenbar will man in Berlin und Brüssel, dass die Bürger in Irland den Gürtel noch deutlich enger schnallen, um für die Verluste von Banken aufzukommen. So spricht der Chef der Eurogruppe, der Luxemburger Premierminister, klarere Worte: Tatsache sei, "dass dann im Endeffekt, wenn drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen, auch der sogenannte kleine Mann die Zeche zahlen muss". Jean-Claude Juncker erkennt aber an, dass viele Menschen auch in Irland schon jetzt "in unwahrscheinlich schwierigen Lebensumständen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen."

Eine Ansteckungsgefahr auf andere Länder und einen Domino-Effekt auf Portugal und dann auch auf das große Spanien oder Italien will Juncker nicht sehen. Schließlich habe die EU erneut Handlungsfähigkeit gezeigt. Nur, als Griechenland im Frühjahr fiel, wurde ebenfalls eine Ansteckungsgefahr bestritten. Dass nun Irland unter den Rettungsschirm schlüpfen musste, macht deutlich, wie prekär die Lage ist und dass man auf die Angriffe von Spekulanten in Brüssel keine Antworten hat. Da nützt es nicht viel, wenn Juncker erklärt, er "sehe zwischen dem, was wir in Irland beobachten, und dem, was wir in Portugal beobachten können, keine direkt erkennbare Parallele, weil der portugiesische Bankensektor eigentlich in relativ guter Gesundheit ist". Nur war er das auch in Griechenland, das trotzdem gerettet werden musste.

Irland zeigt, dass vor allem das kleine Portugal, wo man schon über den Ausstieg aus dem Euro nachdenkt, über die explodierenden Zinsen für Staatsanleihen abgeschossen werden kann. Dann geht es für die EU ins Eingemachte, weil es dann auch in Spanien eng wird. Das Land kommt nicht aus seiner tiefen Krise heraus.