Irritation vom Ausland

Alán García wird neuer Präsident Perus, seinem nationalistischen Gegenkandidaten Ollanta Humala hat die offensive Unterstützung durch den venezolanischen Präsidenten Chavez geschadet

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“Peru hat gewonnen“, stand in großen Lettern auf dem Balkon, als Alán García am Sonntagabend in Lima vor seine Anhänger trat. Der rechte Sozialdemokrat hat 53,1% der Stimmen erhalten, sein Herausforderer, der Nationalist Ollanta Humala, kam auf 46,8 Prozent. Das Motto, unter dem García am Abend auftrat, hatte bereits die letzten Tage vor der Stichwahl bestimmt. Der 57-jährige Kandidat der Partei Apra hatte sich nicht nur gegen Humala, sondern auch gegen den venezolanischen Staatschef Hugo Chávez postiert, um das Land vor die vermeintliche Wahl zu stellen: „Entweder Chávez oder Peru“.

Der Gewinner Alán Garciá

Diese nationalistische Wendung hat García gerettet. In der ersten Wahlrunde hatte er im Wettstreit mit der Konservativen Lourdes Flores und dem Nationalisten Ollanta Humala (Der gefürchtete Außenseiter) noch schlecht ausgesehen. Auch wenn er sich gegen Flores letztlich mit einem knappen Vorsprung durchsetzen konnte: Die Bevölkerung hat die Ergebnisse seiner ersten Amtszeit 1985 bis 1990 nicht vergessen. Damals griffen Korruption, Inflation und Gewalt um sich. García setzte neoliberale Vorgaben internationaler Institutionen weitgehend vorbehaltslos um und zeigte als damals jüngster Regierungschef Lateinamerikas auch im Inneren wenig Führungsstärke. Vor der Stichwahl nun versprach er, seine Fehler nicht zu wiederholen.

Duell mit Hugo Chávez vor Inhalten

Vor allem aber konnte er sich in der Auseinandersetzung mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez profilieren. Dieser hatte zuletzt immer offener Position für den nationalistischen Kandidaten Ollanta Humala und dessen sozialreformerisches Programm bezogen. Nach einem weitgehend seichten Wahlkampf griff García die Möglichkeit beim Schopfe. Es gebe auf dem gesamten Kontinent keine korruptere Regierung als die von Hugo Chávez, konterte García die Parteinahme aus Caracas. Zudem bestünde in Lateinamerika inzwischen ein großer Anreiz, diktatorische Regime zu wählen, doch „weil das peruanische Volk einen verantwortungsvollen Wechsel will, wird es mich wählen“. Mit solchen Parolen gelang es ihm, die wohlhabende Mittel- und Oberschicht hinter sich zu vereinen, die, auch wenn sie García selbst nicht geschlossen unterstützte, um jeden Preis den Chávez-Günstling Humala verhindern wollte.

Während das Duell zwischen García und Chávez so zuletzt die Schlagzeilen dominierte - beide betitelten sich abwechselnd als „korrupt“, „Falschspieler“, „Lügner“, „Dieb“, „karibischer Zaunkönig“ oder „Erdöltyrann“ -, ging Humala unter. Vergeblich versuchte er, sich in den Zweikampf einzuklinken, indem er García etwa vorwarf, das Land „auf unverantwortliche Weise zu polarisieren“. Es hat ihm nicht geholfen.

Und doch sieht sich auch Humala als Sieger. Während García seinen Erfolg feierte, rief der ehemalige Militär seine Anhänger am Sonntag zur Gründung von Basisorganisationen für eine gemeinsame „Nationalistische Front“ auf. Explizit wandte er sich dazu auch an die Linke, die er aufforderte, sich der nationalistischen Bewegung anzuschließen:

Wir haben das Volk aufgerüttelt. Nun wendet sich das nationalistische Projekt an die linken Kräfte, damit auch sie an der nationalen Transformation teil haben.

Ollanta Humala nach seiner Wahlniederlage

Tatsächlich war ein beträchtlicher Teil der linken Gruppen und Parteien schon vor der Stichwahl dem Aufruf zur Zusammenarbeit gefolgt. Humalas Nationalismus greift immerhin wichtige Teile linker Programmatik auf: eine starke Rolle des Staates, Rücknahme der Privatisierung, eine soziale Steuerpolitik und soziale Programme für die vernachlässigten ländlichen Gebiete. Dadurch ist Humalas Partei bereits zur stärksten Kraft im Parlament geworden.

Großer Konflikt im Kleinen

Vor der Stichwahl aber haben solche Inhalte kaum mehr eine Rolle gespielt. In Peru kämpften zwei große Lager Lateinamerikas um den Sieg: Auf der einen Seite standen mit Alán García die Befürworter eines - wenn auch staatlich kontrollierten - Neoliberalismus. Auf der anderen Seite haben sich Humala und mit ihm die neue globalisierungskritische Strömung um die Staatsführung beworben. Und beide Seiten wurden massiv aus dem Ausland unterstützt. Während zuletzt fast nur noch die Parteinahme Chávez thematisiert wurde, achtete kaum jemand auf die offene Unterstützung für García. Zu Ende seiner Kampagne kam der Sozialdemokrat unter anderem mit der internationalen Sekretärin der regierenden spanischen sozialdemokratischen Partei PSOE zusammen. Nach dem Treffen erklärte Trinidad Jiménez:

Ich wollte damit die Unterstützung meiner Partei für die APRA bekunden. Natürlich haben wir ihm den Sieg gewünscht und wollen ihn als neuen Präsidenten Perus sehen.

Trinidad Jiménez, PSOE

Trotz der Rückendeckung aus dem Ausland ist sich García seiner labilen Ausgangslage bewusst. Im vergangenen Wahlkampf wurden auch in Peru in vollem Maße die sozialen Widersprüche offenbar, die in Venezuela und Bolivien zum Sieg linker Regierungen geführt haben. Noch am Wahlabend versprach er deswegen eine neue Sozialpolitik, vor allem für die Bevölkerung auf dem Land.

Er wird damit das Kräftemessen mit dem Newcomer Humala fortsetzen. Denn dieser verfügt gerade in den ländlichen Gebieten über eine breite Basis, während sich Garcías Anhängerschaft in den wohlhabenderen Städten findet. Parallel zu der Ankündigung einer neuen Sozialpolitik sucht García den Schulterschluss zu der gemäßigten Linken in Chile und Brasilien. Bislang ist eine Konsolidierung einer solchen Achse zwischen Santiago, Lima und Brasilia aber nicht abzusehen. Und so ist es nicht unwahrscheinlich, dass Ollanta Humalas Vormarsch nicht gestoppt, sondern nur gebremst wurde.