Irritierend selbstgerecht
Sebastian Edathy findet, dass "legales privates Verhalten" von Politikern nicht "Gegenstand öffentlicher Berichterstattung" sein darf - damit meint er seine Kinderfilmkäufe
Gestern legte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zu der nach ihm benannten Affäre eine eidesstattliche Erklärung und SMS-Textnachrichten aus dem Zeitraum vom November 2013 bis zum Februar 2014 vor, die seine Behauptung stützen sollen, der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann habe ihn im November und Dezember darüber informiert, dass das Bundeskriminalamt wegen des Kaufs von Kindernacktbildern bei einem ausgehobenen kanadischen Versender auch gegen ihn ermitteln könne.
Das wäre insofern relevant, als Edathy kurz vor einer Hausdurchsuchung in seinen Wohn- und Büroräumen aus angeblich gesundheitlichen Gründen sein Bundestagsmandat zurückgab und seinen Dienst-Laptop als gestohlen meldete. Darüber hinaus hatten die Beamten bei den Durchsuchungen den Eindruck, dass sie ihre Arbeit in "gesäuberten" Räumen verrichteten. Hartmann, der im Sommer mit einer Methamphetaminaffäre Schlagzeilen machte, muss deshalb mit Ermittlungen wegen einer möglichen Strafvereitelung rechnen. Mehr Klarheit in die Sache könnte möglicherweise das Kryptohandy des Pfälzers bringen, mit dem er sich mit Edathy austauschte. Hartmann behauptet allerdings, dass ihm dieses Mobiltelefon abhandengekommen sei.
Am Anfang der gut zweistündigen Pressekonferenz behauptete Edathy, er wolle "einen Beitrag zur Wahrheitsfindung leisten". Sollte er das ernsthaft vorgehabt haben, gelang ihm dies ausgesprochen bedingt: Den meisten interessanten Fragen wich er aus und behauptete beispielsweise, er habe dazu schon etwas gesagt (obwohl er auch die vorherigen Fragen dazu nicht beantwortet hatte).
Ist er pädophil? - Das geht seiner Meinung nach niemanden etwas an. Hat er sich strafbares kinderpornographisches Material besorgt? - Da will er nichts dazu sagen, da es um ein laufendes Verfahren geht. Hat er Material von einem russischen Anbieter bezogen: - Dito. Stattdessen verweist er immer wieder darauf, dass er bewegtes Bildmaterial vom kanadischen Anbieter Azov kaufte, das seiner Ansicht nach bis zum November 2014 legal war. Seltsamerweise will er aber nicht sagen, worum es in diesen Filmen ging. Stattdessen unterstellt er Journalisten Rechercheschwächen, weil sie die Filme nicht selbst gesehen hätten.
An die Titel der Filme erinnert er sich angeblich nicht mehr - deren Kauf sei ja schon mindestens vier Jahre her gewesen. Hat er sich damit beschäftigt, unter welchen Umständen solche Filme entstehen und welche Auswirkungen sie auf die Darsteller haben können? - Ausweichendes Geschwurbel dazu, wie legal die Bildwerke gewesen sein sollen. Edathy geht schließlich sogar so weit, dass er meint, "legales privates Verhalten" von Politikern dürfe nicht "Gegenstand öffentlicher Berichterstattung" sein. Ob das seine getäuschten ehemaligen Wähler auch so sehen?
Außerdem behauptete der Ex-Politiker, der Richter am Landgericht Verden, vor dem im Februar der Kinderpornographieprozess beginnen soll, hätte angeboten, das Verfahren gegen Zahlung von 5.000 oder 6.000 Euro einzustellen - und er überlege sich nun, das Angebot anzunehmen, damit er nicht dauernd nach Deutschland reisen und im Prozessaal sitzen müsse. Das Landgericht Verden dementierte diese (der Glaubwürdigkeit Edathys möglicherweise nicht unbedingt förderliche) Behauptung inzwischen.
Armin Schuster, der für die CSU im Untersuchungsausschuss sitzt, sprach im Anschluss an die vom Fernsehsender Phoenix live übertragene Pressekonferenz von einer "irritierenden Selbstgerechtigkeit" Edathys. Allerdings machte der diesen Anschein schon viele Jahre vor der Aufdeckung seiner Kindernacktfilmkäufe - ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist seine Reaktion, als ihm ein Kritiker 2011 die urheberrechtswidrige Nutzung von Fotos auf Facebook nachwies. Seine politische Karriere hat das bis zum Februar 2014 jedoch nicht behindert.
Etwas mehr Information gab der ehemalige Hardcore-Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung, der nun gegen "Schlüssellochkuckerei" wettert und sein Recht auf eine Privatsphäre betont, zu anderen Personen heraus: Er wiederholte, dass Hartmann ihn informiert habe und angeblich selbst sagte, er habe seine Hinweise direkt vom im November 2014 pensionierten Ex-BKA-Chef Jörg Ziercke, der damit Schaden von der SPD abwenden wolle. Hartmann - der nach Edathy aussagte - und Ziercke bestreiten das.
Edathys Angaben nach wusste neben Hartmann, dem SPD-Chef Sigmar Gabriel, dem ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier, seinem Nachfolger Thomas Oppermann und der Parlamentarischen Geschäftsführerin Christine Lambrecht (die sich öffentlich überrascht gegeben hatte, als der Fall die Medien erreichte) auch Oppermanns Bürochef vorab von den Ermittlungen gegen ihn. Stimmt das, dann würde dies bedeuten, dass Oppermann die Unwahrheit sagte - was dieser jedoch bestreitet. Außerdem soll der SPD-Fraktionschef am 17. Dezember 2013 zu Hartmann gemeint haben: "Falls sich Sebastian [Edathy] umbringt, wie positionieren wir uns gegenüber den Medien?"
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