"Islam ist keine Religion"

Ieronymos II., Erzbischof von Athen und ganz Griechenland. Bild: Evripidis Stylianidis/Lapost. Lizenz: CC BY 2.0

Griechischer Erzbischof Ieronymos widmet sich mal wieder einem Lieblingsfeind der orthodoxen Kirche und provoziert eine erwartbare Kontroverse

Der griechische Erzbischof Ieronymos sorgte Mitte Januar mit Äußerungen zum Islam für Wirbel. Diese haben auch Auswirkungen auf die aktuellen Verhandlungen Griechenlands mit der Türkei, bei denen der Streit um die Erdgasvorkommen in der Ägäis geschlichtet werden soll. Kompliziert wird die ganze Affäre dadurch, dass Ieronymos seine strittigen Äußerungen im Zusammenhang mit der 200-Jahr-Feier des neugriechischen Staats machte.

Die Äußerungen belasten die Bemühungen des griechischen Außenministers Nikos Dendias, der auf diplomatischen Weg versucht, in Europa Verbündete gegen die Türkei zu finden. Am Montag, den 1. Februar, reiste Dendias aus diesem Grund ins Vereinigte Königreich. Ziel der intensiven diplomatischen Aktionen ist es, dass am Ende der Sondierungsgespräche der griechische und der türkische Außenminister den Streit beider Länder in einem gemeinsamen Treffen beilegen können.

Ein brisantes Fernsehinterview

Ieronymos, dessen vollständiger Titel "Seine Seligkeit Ieronymos II., Erzbischof von Athen und ganz Griechenland" lautet, ist eigentlich als antirassistisch eingestellter Seelsorger bekannt. "Die Kirche liebt alle Menschen, auch diejenigen die schwarz, weiß oder Nicht-Christen sind", bemerkte er schon 2012 auf dem Höhepunkt der politischen Präsenz der neonazistischen Goldenen Morgenröte, als diese lautstark nach den Parlamentswahlen ins griechische Parlament, die Vouli, einzog. Ieronymos ist Oberhaupt der Autokephalen Orthodoxen Kirche Griechenlands, welche Kraft der Verfassung Staatsreligion ist.

Konkret begann Ieronymos seine Ausführungen im Fernsehinterview mit einer Stellungnahme in Bezug zum Fall des Byzantinischen Reiches wörtlich mit:

Wissen Sie, als die Stadt [Konstantinopel] gefallen war, betrachtete der Eroberer zwei, drei Tage die intensiven Ereignisse. Danach sah er aber, dass es nicht einfach war, ein so bevölkerungsreiches Staatswesen zu verwalten. Denn, wie wir wissen, der Islam, seine Bürger, sind keine Religion. Das ist eine politische Partei. Das ist eine Expansionspolitik. Das sind die Menschen des Krieges. Das sind die Menschen der Expansion. Das ist charakteristisch für den Islam, das sagt auch die Lehre von Mohamed.

So sah der Eroberer [Mehmed II - postum Fātiḥ, Eroberer genannt] die Notwendigkeiten, welche sich zeigten, wie er regieren sollte, wie er die Steuern eintreiben sollte und insbesondere, wie er all diese Menschen, über die er herrschte, zusammenhalten sollte. Er hatte sicherlich seine Berater. Viele davon waren Griechen. Das müssen wir auch zugeben. Diese sagten ihm das Milet, die gesamte Nation …

Ieronymos II., Erzbischof von Athen

Der Journalist unterbrach ihn, "..die christliche Gemeinschaft… in das Osmanische Reich einzuverleiben.." Ieronymos fuhr fort:

...nicht nur der Griechen. Die gesamte christliche Gemeinschaft müsse in einer Person, einem Mann, vereinigt und von diesem kontrolliert werden, vom Patriarch. Wer sollte nun dieser Patriarch sein? Es musste der Mensch sein, der mit seinem Handeln Mohamed (sic!) im Ringen gegen den Westen helfen würde, vielleicht auch gegen den eigenen Willen. Es gab die Vereinigenden und diejenigen, die gegen eine Vereinigung [der Kirchen] waren. Also musste es ein Gegner der Vereinigung sein und insbesondere ein sehr mächtiger. So wurde Gennadios Scholarios ausgewählt.

Ieronymos II., Erzbischof von Athen

Die Intention von Ieronymos ist in Griechenland klar erkennbar. Es geht ihm darum, das Narrativ der orthodoxen Kirche aufrecht zu erhalten. Demgemäß wird in griechischen Schulen gelehrt, dass die Kirche für die Einheit der griechischen Nation während der osmanischen Herrschaft gesorgt hatte. Aus diesem Narrativ leitet die orthodoxe Kirche ihren Anspruch, eine Staatsreligion zu sein, ab.

Gegner dieser Geschichtsschreibung wie der bereits im Jahr 2000 verstorbene Intellektuelle Vasileios Rafailidis weisen dagegen auf die ambivalente Rolle der Kirchenfürsten während der osmanischen Herrschaft und während der Revolution von 1821 hin. Sein Buch mit dem Titel "(Neue) Geschichte (tragikomisch) des modernen griechischen Staats 1830 - 1974" gilt als auch heute noch zitiertes Standardwerk für die kritische Betrachtung der offiziellen Geschichtsschreibung.

Politische Dimensionen

Die Äußerungen von Ieronymos sorgten für heftige Proteste seitens des türkischen Außenministeriums. Dieses wirft dem Erzbischof islamophobe Hetze und Rassismus vor.

Das türkische Außenministerium verbindet die islamfeindlichen Äußerungen des Kirchenfürsten mit den diplomatischen Gesprächen der griechischen und türkischen Regierung:

Die Tatsache, dass eine solche Erklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben wurde, als vorbereitende Vorbereitungen für Sondierungsgespräche getroffen wurden, ist ebenfalls von Bedeutung und ein unglücklicher Schritt zur Untergrabung des Prozesses.

Türkisches Außenministerium

Ieronymos als Kirchenfürst hat großen Einfluss auf konservative Kreise innerhalb der griechischen Gesellschaft. Seine Äußerungen zum Philosophen Gennadios Scholarios könnten auch als Warnung vor Kollaborateuren gewertet werden.

Die Verhandlungsposition der rechtskonservativen griechischen Regierung wird dadurch nicht einfacher. Denn die regierende Nea Dimokratia hat außer der kirchlichen Opposition auch in eigenen Reihen erklärte Gegner gegen die Gespräche mit der Türkei. Der frühere Parteichef und Premierminister Antonis Samaras stellte sich als Gallionsfigur vor die Kritiker der Diplomatie.

Samaras kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Haltung der EU und insbesondere Deutschlands im Konflikt Griechenlands mit der Türkei. Die Gefahr, dass die Regierung von Premier Kyriakos Mitsotakis am Konflikt mit der Türkei und den innerparteiischen Gegnern scheitert, ist realer als die Aussicht, dass die Oppositionsparteien in Griechenland ihn stürzen könnten.

Innergriechische Reaktionen

Ieronymos gegen den Islam gerichtete Äußerungen erregten auch unter der islamischen Minderheit in Griechenland die Gemüter. "Das Bild, das Seine Seligkeit für unsere Religion gezeichnet hat, entspricht nicht der Realität unseres Landes und verletzt unser religiöses Gefühl", sagen die beiden Muftis, welche die Griechen islamischen Glaubensbekenntnisses in Thrakien betreuen.

Erneute Stellungnahme des Erzbischofs

Vom Pressebüro des Erzbischofs gab es am 17. Januar eine erneute Stellungnahme zum Thema:

Mit allem, was der gesegnete Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Ieronymos, im Zusammenhang mit einem kürzlich im Fernsehen geführten Interview über den Beitrag unserer Kirche zur Revolution von 1821 über den Islam sagte, meinte er nichts weiter als die Perversion der muslimischen Religion selbst von einem Haufen extremer Fundamentalisten, die im ganzen Universum Terror und Tod säen. Dies sind genau die Menschen, auf die sich der Erzbischof bezog, Menschen, die den Islam instrumentalisieren und ihn zu einer tödlichen Waffe gegen alle machen, die eine andere Ansicht als sie haben, gegen "Ungläubige", aber sogar gegen Gläubige. Sowohl der Erzbischof selbst als auch alle Metropoliten der Kirche von Griechenland respektieren in der Praxis alle bekannten Religionen und behandeln alle ihre Gläubigen mit christlicher Liebe und Solidarität, die keine Diskriminierung kennt, durch all ihre Handlungen und Initiativen, insbesondere im sozialen und karitativen Bereich Feld. Darüber hinaus bestätigt uns das Beispiel des friedlichen und harmonischen Zusammenlebens und Zusammenlebens von Christen und Muslimen in Thrakien auf klarste Weise die Wahrheit.

Pressebüro des Erzbischofs

Beschwichtigung seitens der griechischen Moslems

Nach der ersten Welle der Empörung haben die griechischen Moslems in der vergangenen Woche begonnen, die Wogen zu glätten. In einer diplomatisch verfassten Stellungnahme rief der Vorsitzende der Moslemischen Vereinigung Griechenlands, Naim Elghandour, den Erzbischof dazu auf, den Koran zu studieren, um sich selbst von der Friedfertigkeit der Religion zu überzeugen.

Darüber hinaus verwies Elghandour auf die Schriften des griechischen orthodoxen Erzbischofs von Albanien, Anastasios, der für einen offenen Dialog der Religionen eintritt.

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