Islamismus ist politischer Islam

Seite 2: Was läuft hier falsch?

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Erster Fehler: Man verschließt in Deutschland die Augen davor, dass es sich bei den meisten Dachorganisationen von Moscheen um Vertreter des politischen Islam handelt und sich darin auch offensichtliche Islamisten und Faschisten tummeln. Das beste Beispiel ist Ditib, die ganz offiziell der türkischen Religionsbehörde unterstellt ist. Obwohl das mittlerweile bekannt ist, werden immer noch Verträge in einigen Bundesländern zur Erteilung des islamischen Religionsunterrichts an Schulen erteilt. Die Werte, die dort vermittelt werden, tragen zu den zunehmenden Problemen in den Schulen bei, wo Lehrer und Lehrerinnen als Ungläubige diffamiert und nicht respektiert werden.

Zweiter Fehler: Islamistische Aktivitäten werden kaum geahndet, z.B. wenn in den Moscheen Kinder martialische Theaterstücke in Militäruniformen aufführen, wenn für den Sieg der türkischen Armee bei ihren völkerrechtswidrigen Interventionen in Syrien gebetet wird oder wenn wie aktuell im kriegerischen Berg-Karabach-Konflikt einseitig Partei für Aserbaidschan bezogen und gegen Armenier gehetzt wird. Stattdessen werden die kurdische und die türkische Linke in Deutschland kriminalisiert, obwohl diese seit Jahren nachweisbar keine "terroristischen" Aktivitäten entfalten.

Dritter Fehler: Islamistische und türkische rechtsradikale Aktivitäten werden nicht als gleich gefährlich wie rechtsradikale deutsche Aktivitäten behandelt. Dabei handelt es sich um zwei Seiten der gleichen Medaille. Beide Lager sind von Hass gegen Andersdenkende geprägt und streben eine totalitäre Gesellschaftsordnung an, die unsere Demokratie bedroht.

Vierter Fehler: Die fehlende Differenzierung zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus, also dem politischen Islam, der politische Macht beansprucht. Diese fehlende Differenzierung hat den politischen Islam der Muslimbrüder und von Milli Görüs hoffähig gemacht. Dabei lässt sich der Islamismus so wenig mit dem Koran rechtfertigen wie die Kreuzzüge mit der Bibel.

Was tun? - Lösungsmöglichkeiten

Wie kann man die Fehler der Vergangenheit möglichst schnell ausbügeln, um die zunehmende Radikalisierung innerhalb der muslimischen Bevölkerung und innerhalb der Gesellschaft zu stoppen?

Als erstes, und das macht uns Frankreich gerade vor, muss man konsequent gegen Einrichtungen des politischen Islams vorgehen. Deren Propaganda hat nichts mit dem Islam als Religion zu tun. Moscheen und Dachverbände, die im Dienste Erdogans stehen, haben nichts in unseren politischen Gremien oder in Schulen zu suchen. Alle Verträge mit Organisationen, die den politischen Islam vertreten, müssen gekündigt und Förderungen eingestellt werden.

Stattdessen müssen Organisationen, die den liberalen Islam vertreten, gefördert werden. Dazu gehören neben den alevitischen Gemeinden auch diejenigen türkischen und kurdischen Moscheen, die sich zu einer demokratischen, laizistischen Gesellschaft bekennen. Die Moscheen anderer Nationalitäten müssen ebenso überprüft werden, denn auch dort gibt es eine Radikalisierung.

Zweitens ist es wichtig, die Religionsfreiheit, aber auch die Freiheit der Religionskritik zu verteidigen. Grenzen zwischen Religionskritik und Beleidigung dürfen nur von deutschen Gerichten festgelegt werden. Die hiesigen muslimischen Religionsgemeinschaften müssen dieses Prinzip ohne Wenn und Aber akzeptieren und in ihre Moscheen hineintragen.

Eine nicht-rassistische Religionskritik muss genauso wie gegenüber dem Christentum auch gegenüber dem Islam erlaubt sein. Immer wieder wird auch unter Linken Kritik an den Islamverbänden allzu schnell als rassistisch oder anti-muslimisch vom Tisch gewischt. Dahinter steckt die Angst, mit der anti-muslimischen Propaganda der AfD gleichgesetzt zu werden. Demokratische Parteien dürfen sich aber nicht von einer islamistischen Lobby instrumentalisieren lassen, deren Schutzpatron der türkische Präsident Erdogan ist.

Islamismus und Rechtsradikalismus bestärken sich

Wie können wir das Monster "Islamismus" wohl gemerkt: nicht den Islam, bekämpfen, ohne das Monster "Rechtsextremismus" zu stärken?

Islamisten und Rechtsextreme haben gemeinsam, dass sie der Hass auf eine Gruppe treibt. Der Mensch als Individuum spielt für sie keine Rolle: Es sind "die Juden", "die Armenier", "die Kurden", "die Linken", "die Migranten", "die Islamfeinde" etc.. Eine Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) stellte schon 2018 fest, dass sich Islamisten und Rechtsradikale in ihrer Ideologie und ihrem Diskurs gegenseitig bestärken.

Von daher dürfen wir den Rechten nicht das Feld überlassen. Wir müssen den Menschenhass, den beide Lager befeuern und der unsere Demokratie bedroht, öffentlich machen.

Frankreich, das die größte islamistische Szene hat, geht zurzeit mit gutem Beispiel voran: der salafistische Tarnverein "Baraka City" wurde vom französischen Innenministerium aufgelöst. Der Verein gehört zum Netzwerk der Muslimbruderschaft und verfügt über beste Verbindungen nach Ankara. Nach der Auflösung des Vereins bat Idris Sihamedi, der Vorsitzende des Vereins, per Twitter bei Erdogan um politisches Asyl für sich und sein Team. Sihamedi hat gute Gründe dafür: Bezogen auf das Attentat auf Charlie Hebdo und seine Redaktion schrieb er: "Für einen Gläubigen ist es das schönste im Leben, als Märtyrer zu sterben. (…) Das ist es, was uns von ihnen unterscheidet. Wir lieben den Tod, so wie sie das Leben."

Er zitiert damit den Al-Qaida-Attentäter Mohamed Merah, der im März 2012 in Toulouse und Montauban sieben Menschen tötete und sechs weitere verletzte. Sein Asylantrag dürfte durchgewunken werden, denn Sihamedis kam nach dem Vereinsverbot in der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu ausgiebig zu Wort. Erdogan persönlich setzte sich für seinen Verein Baraka City ein. Das Büro des Vereins in der Türkei wird von Mehmet Uzun, einem Unterstützer von Dschihadisten in Syrien, geführt, ist in der Auflösungserklärung des französischen Innenministeriums zu lesen

Der französische Präsident hat vor, die faschistische Organisation "Graue Wölfe" zu verbieten. Das ist auch in Deutschland ein längst überfälliger Schritt und wird seit Jahren von Migrantenverbänden und einigen wenigen Politikern gefordert. Denn wie beschrieben, die Übergänge zwischen Nationalisten und Islamisten sind fließend. In der Türkei besteht eine Koalition zwischen Erdogans AKP und der faschistischen MHP, deren paramilitärischer Arm die Grauen Wölfe sind.

Es ist an der Zeit, dass auch die deutsche Politik gegenüber dem politischen Islam endlich einmal klare Kante zeigt.