Islamistischer Terror: Schüsse in München und brisante Spur nach Syrien

Erdogan-Protestbild: Der türkische Premier als Dschihadist

Der türkischen Regierung wird seit längerem Kumpanei mit Dschihadisten vorgeworfen (hier eine Projektion bei einem Protest 2022 in Schweden) Foto: ANF

Attentäter soll mit Dschihadistenmiliz HTS sympathisiert haben. Deren Verhältnis zum Nato-Partner Türkei ist nicht feindselig. Was über sie bekannt ist.

Der 18-Jährige, der am Donnerstag mit einem alten Schweizer Karabiner in der Nähe des israelischen Generalkonsulats auf mehrere Gebäude um den Münchner Karolinenplatz gefeuert hat und daraufhin bei einem Schusswechsel mit der Polizei starb, stammte aus Österreich, seine Eltern aus Bosnien.

Den österreichischen Behörden soll er erstmals 2023 aufgefallen sein, als er Anzeichen einer Radikalisierung zeigte, in der Schule durch sein Auftreten als strenggläubiger Muslim in Streit mit anderen Jugendlichen geriet und auch Gewaltfantasien äußerte.

Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks sympathisierte er mit einer islamistischen Gruppierung, die nicht in Bosnien, sondern vor allem in Syrien aktiv ist: Die Hayat Tahrir al-Sham (HTS) hat sich zum Ziel gesetzt, die dortige Zentralregierung von Baschar al-Assad zu stürzen und durch einen sunnitischen islamischen Staat zu ersetzen.

Islamisten und ihr "Modus Vivendi" mit der Türkei

Sie ist die dominierende Kraft in der Provinz Idlib, gilt als Ableger von Al-Quaida und wird in Staaten wie den USA und Kanada als Terrororganisation angesehen. Der Nato-Partner Türkei pflegt jedoch ein anderes Verhältnis zur HTS, das die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in einem Länderbericht 2023 so beschrieb:

Die Gruppierung verfolgt ihre eigene Agenda, hat zugleich aber auch einen Modus Vivendi mit der Türkei gefunden, die die Organisation als stabilisierende Kraft entlang ihrer Grenzen sieht, die neue Flüchtlingswellen Richtung Türkei abhält.

Konrad-Adenauer-Stiftung, 2023

Veränderte Machtverhältnisse unter Söldnergruppen

Die prokurdische Nachrichtenagentur ANF hatte in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen Ankara erhoben: "In den von der Türkei besetzten Gebieten in Nordsyrien findet im Moment eine von Ankara orchestrierte Veränderung der Machtverhältnisse unter Söldnergruppen statt", berichtete ANF im November 2022.

Nachdem es immer wieder zu schweren Gefechten zwischen einzelnen Fraktionen der "Syrischen Nationalarmee" (SNA) kam – einem Milizverband, der dem türkischen Staat untersteht – scheint die Türkei nun auf die absolute Dominanz durch den Al-Qaida-Ableger "Hayat Tahrir al-Sham" (HTS) zu setzen.

ANF, 6. November 2022

Im Frühjahr 2024 kam es in Idlib zu Protesten der Bevölkerung gegen die Islamisten. Auslöser war laut einem Bericht der Deutschen Welle der Tod eines Gefangenen in Haft – mutmaßlich aufgrund der Folter durch "Sicherheitskräfte" der Hayat Tahrir al-Scham. Seine Familie hatte demnach lange vergeblich versucht, Informationen über seinen Zustand zu bekommen.

Kumpanei mit Dschihadisten: Ein alter Vorwurf gegen Erdogan

Der türkischen Regierung unter Recep Tayyip Erdogan wird seit längerem Kumpanei mit Dschihadisten im Kampf gegen säkulare syrisch-kurdische Kräfte vorgeworfen.

"Die zahlreichen Solidaritätsbekundungen und Unterstützungshandlungen für die ägyptische Muslimbruderschaft, die Hamas und Gruppen der bewaffneten islamistischen Opposition in Syrien durch die Regierungspartei AKP und Staatspräsident Erdogan unterstreichen deren ideologische Affinität zu den Muslimbrüdern", zitierte die ARD bereits 2016 aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (damals Die Linke, heute BSW).

Diese Einschätzung bestätigte Erdogan zuletzt kurz nach den Massakern der Hamas im israelischen Grenzgebiet zu Gaza am 7. Oktober 2023, indem er die Hamas als "Befreiungsorganisation" bezeichnete.

Kuschelkurs mit einem Terrorfreund oder Flüchtlingsdeal?

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im April dieses Jahres auf Staatsbesuch in der Türkei war, nannte er Erdogan dennoch einen "werten Freund", was unter anderem in der Jüdischen Allgemeinen als "Kuschelkurs mit einem Terrorfreund" kritisiert wurde. Hintergrund ist Erdogans Rolle als faktischer Grenzwächter der EU seit dem "Flüchtlingspakt" von 2016.

"Wir brauchen einander", erklärte Steinmeier im April in seinem Statement in Ankara. Von der Nato bis zur Flüchtlingspolitik sei Deutschland auf Erdogan angewiesen. "Deshalb sollten wir den deutsch-türkischen Beziehungen wieder neue Wichtigkeit verleihen".