Ist Afrin jetzt Teil der türkischen Provinz Antakya?

Seite 2: Gilt eigentlich noch die Haager Landkriegsordnung von 1907?

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Der ständige Vertreter Syriens bei den Vereinten Nationen Baschar al-Dschafari erklärte, die Türkei verstoße gegen das Astana-Abkommen, die Resolution des UN-Sicherheitsrates und gegen die Grundsätze der Bewegung der Blockfreien Staaten. Er forderte die UN auf, Druck auf die Türkei auszuüben und zum Abzug aus Afrin zu zwingen.

Obwohl auch auf Bundestags- und auf EU-Ebene festgestellt wurde, dass der Einmarsch der Türkei völkerrechtswidrig ist, wird der Türkei kein Einhalt geboten. Verbale Kritik wie "äußerst besorgt" oder "nicht akzeptabel" prallen an Erdogan ab, da er mit keinen Folgen zu rechnen hat.

Wozu gibt es das Haager Abkommen oder die Genfer Konventionen? Das Haager Abkommen ist das wichtigste Abkommen neben den Genfer Konventionen und somit ein wesentlicher Teil des humanitären Völkerrechts. "Die Haager Landkriegsordnung ist für die Vertragsparteien und ihre Nachfolgestaaten in den Beziehungen untereinander weiterhin gültiges Vertragsrecht. Ihre Prinzipien gelten darüber hinaus seit einigen Jahrzehnten als Völkergewohnheitsrecht. Sie sind damit auch für Staaten und nichtstaatliche Konfliktparteien bindend, die dem Abkommen nicht explizit beigetreten sind."

Der Artikel 1 legt fest, dass für die Angehörigen des Militärs, und Milizen "(1) an ihrer Spitze jemand steht, der für seine Untergebenen verantwortlich ist, (2) sie ein festes und erkennbares Abzeichen tragen, (3) sie ihre Waffen offen führen und (4) sie die Gesetze und Gebräuche des Krieges beachten." Dagegen verstößt die Türkei, denn die Milizen tragen verschiedenste Abzeichen: vom IS-Emblem, über Al Qaida-Abzeichen bis zum FSA-Abzeichen.

Artikel 25 legt fest, dass unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnungen oder Gebäude nicht angegriffen werden dürfen. Bilder und Videos belegen jedoch, wie die Menschen in Afrin, vor allem die verbliebenen Alten in den Dörfern, von der sogenannten FSA nach wie vor angegriffen, gedemütigt oder ermordet werden.

Artikel 27 besagt: "bei Belagerungen und Angriffen sind religiöse und wissenschaftliche Einrichtungen sowie Gebäude, die der Kunst oder der Wohltätigkeit dienen, ebenso wie historische Denkmäler und Krankenhäuser, so weit wie möglich zu schonen". Luftaufnahmen zeigen, wie das türkische Militär ezidische und christliche Heiligtümer bewusst bombardierten. Die Tagesschau berichtete mehrfach über das Krankenhaus in Afrin, das von türkischen Kampfjets bombardiert wurde.

Nach Artikel 28 dürfen Städte und Siedlungen nicht geplündert werden. Es ist reichlich durch Fotos und Videoaufnahmen dokumentiert, wie die türkische Armee und ihre Verbündeten plündernd und brandschanzend durch die Dörfer marodieren. Es mehren sich auch Berichte, die FSA würde Schutzzölle erheben und Häuser für ihre nachkommenden Familien beschlagnahmen.

Während zuerst die Häuser der Geflüchteten beschlagnahmt wurden, werden jetzt auch die in Afrin verbliebenen Familien aus ihren Häusern vertrieben: "A. A., der immer noch in der Stadt lebt, berichtet, dass er dazu gezwungen werde, sein Grundstück mit 3.000 Olivenbäumen an die Familie eines Mitglieds des Al-Qaida-Ablegers al-Nusra zu verkaufen. Als A. A. seine Weigerung äußerte, kamen die Milizen zu ihm nach Hause und bedrohten ihn mit dem Tode. A. A. erklärt, er fürchte um sein Leben."