Ist der US-Cyberwar-Angriff auf den Iran auch nur ein Bluff?
Iran, der mit eigenem Luftabwehrsystem eine der modernsten US-Drohnen abschießen konnte, streitet Erfolg der Cyberangriffe ab, der auch nur über Medien behauptet wurde
Die Kritik wird lauter, dass US-Präsident Donald Trump leere Drohungen ausspricht, obgleich er immer wieder seinen Vorgänger Barack Obama gegeißelt hat, weil dieser gesetzte Rote Linien überschreiten habe lassen. Zwar hatte Trump demonstrativ syrische Stellungen nach einem Giftgasangriff auf Douma im April 2018 bombardieren lassen, wo noch heute unklar ist, wer dafür verantwortlich ist und ob er überhaupt stattgefunden hat.
Doch dann warnte er den Iran erst im Mai und drohte mit dessen Auslöschung: "Wenn Iran kämpfen will, dann wird es das Ende des Iran sein. Drohe niemals wieder den USA!" Dann aber schossen die Revolutionsgarden angeblich mit dem Luftabwehrsystem Khordad-3 die mit neuester Technik ausgestattete Superdrohne Global Hawk am 20. Juni im Wert von 130 Millionen US-Dollar über der Straße von Hormus ab - nach dem Pentagon angeblich über internationalem Gewässer, was der Iran allerdings bestreitet. Es wurde nicht einmal Irans bestes Luftabwehrsystem, die russische S-300, eingesetzt, sondern eine Eigenentwicklung, der eine der fortgeschrittensten US-Drohnen, wenn auch keine Stealth-Drohne, nichts entgegensetzen konnte.
Natürlich nutzte die iranische Führung den erfolgreichen Angriff, um die nationalen Errungenschaften der Rüstungstechnik herauszustreichen. "Der Feind", so der iranische Admiral Khanzadi gestern, "setzte sein modernstes, klügstes und kompliziertestes Überwachungsflugzeug im verbotenen Gebiet ein. Jeder konnte den Abschuss der Drohne sehen. Wir können überzeugt sagen, dass diese krachende Antwort wiederholt werden kann - und der Feind ist sich dessen bewusst."
2011 hatten die Iraner schon demonstriert, dass sie auch die Tarndrohne RQ-170 Sentinel in ihre Hände bringen konnten. Das Pentagon sprach von einem Fehler, die Revolutionsgarden behaupteten, sie hätten die Drohne, die von Afghanistan aus über iranischem Territorium geflogen sein soll, kapern und zum Landen bringen können. Angeblich konnten sie die Technik der Drohne auskundschaften.
Trump zu friedlich?
Offenbar wurde ein Angriff auf drei iranische Stellungen vorbereitet - der nach internationalem Recht keineswegs legal gewesen wäre - , aber Trump ging dazwischen und stoppte ihn angeblich 10 Minuten vor dem Beginn, so stellte er die Situation dar. Er sagte, er brach ihn nicht ab, sondern ließ ihn nur nicht weitergehen. Wieder drohte er mit dem amerikanischen Militär und mit neuen Sanktionen, um aber auch wieder ein Versöhnungsangebot nachzuschicken, dass er wünsche, dass der Iran wieder groß werde.
Trump kündigte gestern neue Sanktionen gegen Ajatollah Ali Khamenei und einige militärische Kommandeure an, die für den Abschuss verantwortlich gemacht werden. Man werde weiter an der Sanktionsschraube drehen, sagte Trump, der so hofft, mit seinem beliebten Erpressungsmittel - "stark und verhältnismäßig" - die iranische Führung klein zu kriegen - und keinen militärischen Konflikt zu riskieren. Trump ist dabei nicht als Friedensengel unterwegs, sondern er kann es sich im begonnenen Wahlkampf nicht leisten, entgegen seinen Versprechungen einen neuen Krieg vom Zaum zu brechen. Aber er duldet damit, was manche Falken kritisieren, iranische Angriffe und zeigt nicht die Stärke, die dem militärisch-industriellen Komplex entsprechen würde.
Nun wird schon gemutmaßt, der Iran, vielmehr die Revolutionsgarden, hätten es deswegen gewagt, die US-Drohne provokativ und als Nadelstich abzuschießen, weil sie davon ausgegangen seien, dass Trump mit seinem Sicherheitsstab nur blöfft. Wenn die Drohne allerdings in den iranischen Luftraum eingedrungen und nach Warnungen nicht abgedreht wäre, wie der Iran sagt, dann hätte man auf eine Provokation reagiert, um selbst nicht Schwäche zu zeigen und zu demonstrieren, dass man gewillt ist, wie die iranische Führung stetig wiederholt, das Land zu verteidigen. Das würde den USA zeigen, dass sich der Iran Muskelspiele nicht gefallen lässt, sondern bereit ist, einen militärischen Konflikt zu riskieren.
Gut möglich, dass deswegen der israelische Regierungschef Netanjahu gestern gegenüber Nikolai Patrushev, dem Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrats, erklärte, Israel werde alles machen, um zu verhindern, dass der Iran Atomwaffen erhält, die freilich Israel bereits hat. Erstmals haben sich die Sicherheitsberater Israels, Russlands und der USA gemeinsam getroffen, was auch anzeigen könnte, dass die USA und Russland neue Kanäle der Verständigung suchen. Netanjahu gibt sich als Vermittler und betonte, dass die russisch-israelische Sicherheitskooperation viel für die Sicherheit und Stabilität der Region getan habe. Patrushev wiederum versicherte, dass Russland besonders auf die Sicherheit Israels achte, wobei auch eine Rolle spiele, dass zwei Millionen Russen in Israel leben.
Ist das US-Cyberkommando erfolgreich gewesen?
Streit herrscht nun auch, ob das US-Cyberkommando, wie nicht das Pentagon offiziell, sondern nur via anonymer Quelle US-Medien berichteten, am Donnerstag - vermutlich als Vorbereitung des geplanten, aber abgesagten Angriffs - mit einem Cyberangriff die Kontrollsysteme von Radar- und Raketensystemen lahmgelegt hat. Was Israel bei Angriffen auf Syrien immer mal wieder durch elektronische Kriegsführung zu gelingen scheint - auch wenn bislang die an Damaskus gelieferten russischen S-300-Luftabwehrsysteme noch nicht zum Einsatz kamen -, ist bei den Cyberangriffen aber unsicher, zumindest von außen nicht erkennbar, weil es keinen erfolgreichen "kinetischen" Angriff auf diese Systeme gab. Dass die Meldung erst später zirkulierte, könnte ein Hinweis sein, dass das Pentagon erst einmal abwartete, bis die angebliche Erfolgsmeldung nicht mehr nachprüfbar war.
Der Iran streitet, erwartbar, ab, dass die Angriffe erfolgreich gewesen seien. Der iranische Informations- und Kommunikationsminister Mohammad Javad Azari Jahromi bestätigte zwar die Angriffe, aber sagte: "Sie haben es mit aller Kraft versucht, aber haben keinen erfolgreichen Angriff ausgeführt." Letztes Jahr habe man bereits 33 Millionen Angriffe durch die nationale Firewall abgewehrt.
Aus den USA wird über das mediale Sprachrohr des Sicherheitsapparates gemeldet, dass die USA angeblich weitere Cyberangriffe auf den Iran planen, beispielsweise um Schiffe lahmzulegen, die auf Tanker Anschläge ausführen könnten. Oder es werde an verdeckten Operationen gearbeitet, um die Unruhe im Iran zu stärken, oder an Strategien, um die iranischen Proxy-Gruppen zu spalten oder zu schwächen. All das wird aus der Anonymität von "Offiziellen" über Medien wie die New York Times weitergegeben, die damit nicht aufklären, sondern sich als Teil der strategischen Kommunikation (Desinformation) erweisen.
Aber gerade an solchen Meldungen, die die Leistung des amerikanischen Sicherheitsapparates hervorkehren sollen, wird deutlich, wie offensiv die USA versuchen, in andere Länder einzuwirken und deren Stabilität zu stören, also das zu machen, was sie insbesondere Russland, aber auch China vorwerfen. Damit scheint man der Devise "Quod licet Iovi, non licet bovi" zu folgen, also der Ausnahmestellung der USA.
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