Ist die Schweiz das nächste Island?
Island kämpft weiter um das Überleben, manche fragen sich, ob andere kleine Länder mit einem großen Finanzsektor, in dem die Einlagen das BIP weit übersteigen, nicht auch gefährdet sind
Immerhin haben Islands Fußballfrauen 3:0 gegen die irischen Frauen gewonnen, so ist die Teilnahme am UEFA Cup weiterhin möglich. Überraschende Hilfe kam der bankrotten Insel auch von den Faröer Inseln. Sie wollen ihren Nachbarn nämlich mit 300 Millionen dänischen Kronen (40 Millionen Euro) aushelfen. Das würde allerdings weit tragen, nach Angaen der isländischen Regierung sind 6 Milliarden US-Dollar zur Stabilisierung des Landes notwendig, dessen aufgeblähtes Finanzsystem zusammengebrochen ist.
Der Weltwährungsfonds hat bereits einen zweijährigen Kredit von 2,1 Milliarden gebilligt, offenbar unter der Auflage, dass die die Zentralbank die Zinsen drastisch erhöht. Die wurden nun auch auf 18 Prozent erhöht, vor allem um die Krona zu stabilisieren und den Abfluss von Geldern einzudämmen.
Inzwischen sagt der isländische Regierungschef Geir Haarde, dass sein Land den Ausländern, die Guthaben bei isländischen Banken hatten, nichts zahlen könne. Die Schulden wären, so sagte er der Times, "schrecklich", und er spielte darauf an, dass dies vergleichbar wäre mit dem Versailler Vertrag. Es gebe hier zwar Verpflichtungen, es käme aber auf die Höhe an. Die isländische Regierung hat unter anderem die Landsbanki verstaatlicht, bei der allein 300.000 Briten Einlagen hatten. Der britische Regierungschef Gordon Brown hat erklärt, dass der Staat bis zu 50.000 Pfund bürge, zwischen Island und Großbritannien aber ist umstritten, ob nicht Island nach europäischen Regeln für die ersten 16.500 Pfund (20.000 Euro) gerade stehen müsste.
Insgesamt geht es dabei um fast 6 Milliarden Euro. Das würde, so die Times, den Einlagensicherungsfonds der isländischen Banken um das Fünfzigfache übersteigen – und der Staat habe einfach Grenzen bei dem, was zahlen könne. Offenbar versucht sich Island gegen den Druck aus Großbritannien auch dadurch zur Wehr zu setzen, dass man Rechtsexperten angesetzt hat, um zu prüfen, ob nicht die Anwendung von Antiterrorgesetzen, mit der die britische Regierung die Einlagen von Landsbanki eingefroren hat, und die Verstaatlichung des britischen Filiale der Kaupthing-Bank einen Beitrag zur Bankenkrise geleistet hat.
Die Anwendung der Antiterrorgesetzgebung gegen die Isländer ärgert diese weiterhin. Der Fotograf Thorkell Thorkelsson hat nun seine Foto-Ausstellung Isländische Terroristen online zugänglich gemacht. Zu sehen sind Isländerinnen und Isländer allen Alters mit ihren "Waffen". Damit soll humorvoll auf die "lächerliche" Aktion der Briten hingewiesen werden, die die friedlichen Isländer mit al-Qaida und Co. gleich gesetzt hätten. Die Schäden, die Islands Banken angerichtet haben, sind allerdings vermutlich höher als die von den meisten Terroristen.
Die Zahlungsunfähigkeit von Island als einer – jetzt wohl für längere Zeit – ehemaligen Finanzhochburg, die sich an den internationalen Wettströmen bereicherte, lässt auch Fragen aufkommen, wie die Situation bei anderen kleineren Ländern aussieht. Die britische Zeitung Independent hatte schon Mitte Oktober gefragt: Ist die Schweiz das nächste Island?. Auch die Schweiz musste für die Großbank UBS ein 68-Milliarden-Franken-Rettungspaket schnüren. Und die in der Schweiz befindlichen Bankeneinlagen von 3,46 Billionen Schweizer Franken übersteigen das BIP um das Siebenfache. Allerdings ist die Lage in Island mit seinen 300.000 Einwohnern noch drastischer als in der Schweiz mit 7,5 Millionen Bürgern. In Island übertreffen die Bankeinlagen das BIP der Insel um das Neunfache.
Deshalb hatte Richard Portes von Londoner Business School und Präsident des Centre for Economic Policy Research neben Island auch die Schweiz und Großbritannien als gefährdet betrachtet. Portes hat dies gegenüber swissinfo, wo man das Thema aufgegriffen hat, noch einmal begründet und kommt zu einer noch größeren Schieflage: "Kurzfristige Verpflichtungen der Schweizer Banken, das heißt diejenigen mit dem höchsten Risiko, machen 13 Mal das Schweizer BIP aus. Im Fall von Island betrug der Faktor 5, war also weniger hoch. Diese Situation ist für die Schweiz potentiell gefährlich. Ihr Bankensektor ist zum jetzigen Zeitpunkt zu groß, als dass er von der Schweizerischen Nationalbank gerettet werden könnte.
Die Meinungen gehen natürlich auseiander, solange der Ernstfall nicht eintritt. In klar erkennbarer eigener Sache sagt so George Magnus, Chefökonom bei der UBS in London: "Viele Ökonomen werfen die These eines Bankrotts für kleine Länder auf, weil diese nicht in der Lage wären, ihre Banken zu retten. Klar ist die Schweiz bescheiden in ihrer Grösse. Aber ihre Wirtschaft ist sehr solid. Die Schweiz ist keineswegs in einer verletzlichen Verfassung. Und auch wenn das Schlimmste eintreffen sollte, genießt sie weit über ihre Grenzen hinaus einen wichtigen Status, so dass sie nicht fallengelassen würde." Ähnlich hat die deutsche Regierung, bevor die Finanzkrise auf Deutschland durchschlug, auch argumentiert.