Italien und EU: Machtkampf über Migranten im Mittelmeer
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Ein Hilfsangebot der Regierung in Madrid, Migranten vom NGO-Schiff Aquarius zu übernehmen, führt zu einer kurzen Entspannungspause in einem Konflikt ohne Lösung
Die sozialdemokratische, spanische Regierung hat sich dazu bereit erklärt, 629 Migranten auf dem NGO-Schiff Aquarius in Valencia aufzunehmen, wie auch der EU-Migrationskomissar Avramopoulos bestätigt. Damit ist die Versorgung der Migranten sichergestellt. Der Machtkampf über die Aufnahme von Migranten im Mittelmeer ist damit wohl nur kurz unterbrochen. Akut ist er zwischen Italien und Malta ausgebrochen.
Laut dem neuen italienischen Innenministers hadert sein Land in der Sache grundlegend auch mit anderen EU-Ländern: Frankreich und Deutschland, woher NGOs kommen, die im Mittelmeer aktiv sind, sowie Spanien. Zugespitzt hatte sich der Streit über die Aufnahme von Migranten am Wochenende zwischen Italien und Malta.
Das von der spanisch-deutschen NGO SOS Méditeranné gecharterte und von Ärzte ohne Grenzen mitbetreute Rettungsschiff Aquarius war von der Seenotrettungsleitstelle in Rom (MRCC) zu mehreren Notfällen im Mittelmeer gerufen worden und hatte infolge der Aktionen schließlich die 629 Migranten aus Libyen an Bord.
Der Streit brach dann darüber aus, wer die in Seenot geratenen und dann geretteten Migranten aufnehmen sollte. Italien weigerte sich, Malta auch. So kam es, dass die Aquarius auf Anweisung der Seenotrettungsleitstelle in Rom - bis zur befreienden Erklärung aus Madrid - "stand-by" im Mittelmeer auf weitere Anweisungen warten musste, indessen sich der Streit in den sozialen Netzwerken und den Medien hochschaukelte - unterbrochen von Alarmmeldungen, wonach man auf der Aquarius nicht die Mittel habe, um so viele Passagiere an Bord über eine längere Zeit zu versorgen.
"Schließen wir die Häfen"
Ziemlich klar absehbar ist, dass der Machtkampf, der dahintersteckt, weitergehen wird. Der neue italienische Innenminister Salvini setzte eine Ankündigung um, mit der schon sein Vorgänger gedroht hatte: Dass Italien seine Häfen für Schiffe mit Migranten an Bord schließen werde.
Unter #chiudiamoiporti ("Schließen wir die Häfen!") veröffentlichte Matteo Salvini mehrere Tweets:https://twitter.com/matteosalvinimi, die mit Bestimmtheit signalisieren, dass nun damit Schluss ("basta") sein soll, dass sich Italien beuge und automatisch "illegale Migranten", aufnehme, die bei ihrem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, im Meer aufgegriffen oder gerettet wurden.
Der Lega-Politiker Salvini hatte während des Wahlkampfs angekündigt, dass er einen anderen Kurs einschlagen werde, als er dann im Amt war gehörte die Bestätigung, dass er die Migrationspolitik ändern werde, zu seinen ersten Äußerungen. Er besuchte umgehend Hafenstädte in Sizilien. All das wurde international beachtet und von seinen Wählern verfolgt.
Daraus ist zu schließen, dass Salvini seine Haltung nicht so leicht aufgeben wird. Für ihn, der noch am Anfang seiner Amtszeit steht, ist Glaubwürdigkeit ein echter Einsatz und der ist daran geknüpft, dass Salvini, der seit Jahren dagegen wettert, nicht vor einer EU-Macht kuscht, die mit Merkel und Macron verbunden wird. Sondern, wie er es auch so twittert, dass "Italien den Kopf oben hält".
Jetzt jubelt er "Sieg!", aber ob man bei der 5-Sterne-Bewegung die Sache auch so sieht?
Zusammenhalt in der EU?
Auf der anderen Seite mögen EU-Politiker nach Trumps G-7-Sabotage jetzt einen Selbstbefeuerungs-Appell nach dem anderen mit dem Motto "Zusammenhalt der EU" hinausgeigen, es bleibt dabei: Es ist keinerlei Einigkeit in Sicht, wenn es um die Aufnahme von Migranten geht.
Frankreich wird seine Mittelmeerhäfen nicht für Flüchtlinge von der libyschen Küste öffnen, Spaniens Hilfsaktion war eine Ausnahme, und auch Deutschlands Regierung wird sich im Augenblick keine Erklärung leisten, nach der man bereit wäre, Migranten von Italien zu übernehmen und sie direkt nach Deutschland zu bringen.
Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass der Streit über das Schicksal der Migranten im Mittelmeer in diesem Sommer weitergeht. Damit sind Fragen verbunden, die im aktuellen Fall aufgetaucht sind, und die irritierend sind.
Fragen stellen sich zum Verhalten der libyschen Küstenwache, zum Verhalten der Regierung von Malta und zum Zusammenspiel zwischen der Seenotrettungsleitstelle in Rom und der italienischen Regierung.