Italien und EU: Machtkampf über Migranten im Mittelmeer
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Laut einem Bericht von Le Monde hat die libysche Küstenwache überhaupt nicht eingegriffen. Das sei erstaunlich.
Eine Auswirkung des Ramadan? Eine Botschaft an die Regierung in Italien, die daran erinnern soll, dass Tripolis die Menge der Flüchtlinge Richtung Italien ansteigen lassen kann? Die Beobachter im Kanal von Sizilien wissen nicht, womit sie das Verschwinden der Küstenwache erklären sollen.
Le Monde
Laut dem detaillierten Bericht über die Rettungsaktionen der Aquarius am vergangenen Wochende, wie er im "Bordjournal" der NGO SOS Méditerannée nachzulesen ist, war es aber nicht nur so, dass die libysche Küstenwache bei zumindest einer Aktion dabei war.
Demnach war es sogar so, dass die "garde-côtes libyens" (libysche Küstenwache) diese Rettungsoperation auch koordinierte. Das geht aus der Wiedergabe einer Anweisung der Seenotrettungsleitstelle in Rom (MRCC) hervor, welche die Besatzung der Aquarius über diesen Sachverhalt informierte.
Ein Notfall nach dem anderen
Die Passage ist etwas verwirrend zu lesen. Da sie damit beginnt, dass sich die Aquarius am Samstagmorgen um sieben Uhr über eine Anweisung des MRCC erst zu Booten bei Farwa, die in Not geraten seien, begeben sollten, dann aber den Kurs ändern sollte - auch wieder auf Anweisung der Seenotrettungsleitstelle - in Richtung eines Bootes oder Schiffes in Seenot mit 150 Passagieren, um dann schließlich - mit Verweis darauf, dass sich die libysche Küstenwache um diese Rettungsaktion kümmern würde -, vom MRCC zur Übergabe von Geretteten geschickt zu werden, welche Boote der italienischen Küstenwache an Bord hatten.
Auf dem Weg zu den Booten der libyschen Küstenwache gab es einen erneuten Anruf des MRCC mit der Bitte um die nächste Kursänderung in Richtung zweier Schlauchboote in Not mit jeweils geschätzt 120(!) Passagieren an Bord. Beide Boote waren dem Bericht nach in größeren Schwierigkeiten. Die Aquarius nahm 230 Personen auf. Danach wurden Passagiere der italienischen Küstenwache übernommen, insgesamt über 280.
Am Ende der mehrstündigen Operationen, die mit Hilfe der italienischen Küstenwache (einschließlich Hubschrauber) vonstatten ging, hatte die Aquarius laut Bericht dann am Samstagabend 629 Personen an Bord, 123 Minderjährige und sieben schwangere Frauen. Man machte sich anderntags auf Kurs Richtung "Norden" zu einem sicheren Hafen laut Anweisung des MRCC.
Malta oder Italien?
Dann so heißt es im Bericht, seien die widersprüchlichen Anweisungen gekommen, wonach das MRCC Behörden in Malta gebeten habe, das Anlanden zu übernehmen. Das habe man über die Presse erfahren, an Bord habe man "aber keine formelle Instruktion in diesem Sinne erhalten, weder von italienischen Behörden noch von maltesischen Behörden.
Am Sonntag habe man dann auf Anweisung des MRCC 35 Seemeilen von Italien und 27 Seemeilen von Malta entfernt in den "stand-by"-Modus gehen sollen.
Eunavfor Med gibt den Impuls, MRCC koordiniert
Aus diesem etwas schlingernden Bord-Bericht wird eines klar herausgestellt, was auch im Bericht von Le Monde bestätigt wird, dass die Seenotrettungsleitstelle in Rom die Aktionen koordinierte und Anweisungen gab, wohin sich die Aquarius zu begeben hätte.
Das NGO-Schiff agierte nicht nach eigenem "Gutdünken" oder nach Weisungen von Schleppern, wie es den NGOs in diffamierender Absicht unterstellt wird. Die ersten Beobachtungen, die die Rettungsaktionen auslösten, kamen von Flugzeugen der EU-Mission Eunavfor Med.
Die oben angegebene Entfernung der Aquarius von Malta bzw. von Italien ist der Gegenstand des Streites zwischen Salvini und dem Regierungschef von Malta, Joseph Muscat. Laut Muscat war nach ein Hafen in Italien der nächstgelegene sichere Hafen.
Malta sei nicht dazu verpflichtet gewesen, die Migranten aufzunehmen, so Muscat. Salvini sah das anders. Der grundlegende Streit geht aber darum, dass Malta nach Ansicht der italienischen Regierung generell zu wenig Migranten aufnimmt. Dort wurden umgehend in Medien Auflistungen präsentiert, die dem Eindruck widersprechen sollen.
Italienische Bürgermeister bereit für Migranten
Indessen macht ein Guardian-Artikel darauf aufmerksam, dass nicht alle italienischen Städte gegen die Aufnahme von Migranten seien. Genannt wird als Beispiel der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, der angeboten habe, dass das Schiff mit den Migranten dort anlande.
Auch die Bürgermeister in Neapel, Messina und Reggio Calabria hätten sich in diesem Sinne geäußert. Die Aquarius hätte auch dort anlanden können. Laut Ärzte ohne Grenzen, welche die britische Zeitung zitiert, sei das lediglich eine nette Geste, die aber keine praktischen Konsequenzen habe, da die italienische Küstenwache, die der Regierung unterstehe, dafür zuständig sei.