Jagd auf Petry statt Merkel

Seite 2: "Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!"

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Petry hatte am Sonntag in ihrem Wahlkreis in Sachsen ein Direktmandat errungen, ihr Landesverband lag mit 27 Prozent der Stimmen knapp vor der Union und war damit in Sachsen die stärkste Partei geworden. Ihre Kandidatur war zuvor jedoch von scharfen Attacken gegen sie begleitet worden (Schonfrist für Petry). Schon im April im Vorfeld des Parteitags in Köln hatte sie versucht, ihre Getreuen um sich zu scharen und - letztlich vergeblich - den radikal-oppositionellen Rechtsaußen-Flügel um Gauland und Höcke zu schwächen (Petry sammelt ihre Truppen). Schon davor war allerdings klar geworden, dass sie immer isolierter in der Partei war, letztlich verzichtete sie darauf, Spitzenkandidatin zu werden (Petry will keine Spitzenkandidatin (mehr) werden).

Dem deutlichen Rechtsruck und dem provokativen Wahlkampf unter Leitung des Spitzenteams Gauland und Weidel konnte sie kaum noch etwas entgegensetzen (AfD: Keiner kann mehr sagen, von alldem nichts gewusst zu haben), zumal längst bekannt war, dass eine ganze Reihe radikaler Vertreter des äußerst rechten Flügels über die AfD in den Bundestag einziehen sollten. Der AfD-Politiker Frohnmaier hatte Gaulands "Jagd"-Gelüste schon vorweg genommen, indem er einst ankündigte, dass er "diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz, ganz klar [sage]: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!"

Schon am Morgen nach der Wahl hatte Petry Gauland für dessen "Jagd"-Äußerungen kritisiert. "Das ist die Rhetorik, glaube ich, von der ich gesprochen habe, dass gerade der bürgerliche Wähler sie nicht als konstruktiv empfindet", sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. Gauland hatte nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse unter anderem gesagt: "Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen."

Nachdem sie die Bundespressekonferenz verlassen hatte, teilte Petry in einem Tagesschau-Interview mit, sie wolle sich und andere Getreue für einen "konservativen Neuanfang" positionieren. Zudem publizierte sie eine Stellungnahme, wonach die AfD sich seit geraumer Zeit "von einer zielstrebig ausgerichteten Partei […] hin zu einem 'gärigen Haufen'" gewandelt habe, der "zwar als Oppositionspartei agieren, dem Wähler aber kein realistisches Angebot für eine baldige Regierungsübernahme machen kann". Dies sei mit ihr nicht zu machen in "einer Partei, die seit fast einem Jahr die realpolitischen Vertreter zunehmend marginalisiert, in der gemäßigte Mitglieder auf allen Ebenen diskreditiert werden".

Vieles davon erinnert an die Warnungen, die einst Parteigründer Lucke im Vorfeld seines Abwahlparteitags 2015 in Essen äußerte. Seinerzeit war es die vermeintlich bürgerliche Petry, die Lucke mit zu stürzen bereit war und dem völkisch-nationalistischen Flügel dessen Kopf quasi auf einem silbernen Tablett anbot. Eigentlich war sie es, die der Partei dabei weiter ein gemäßigteres Image für die bürgerlichen Wähler verpassen sollte. Doch durch die Wahl Weidels zur Spitzenkandidatin neben Gauland wurden die Karten neu gemischt. Die angeblich wirtschaftsliberale und dank ihrer eigenen Biografie modern wirkende junge Frau sollte neben dem alten Knochen der AfD Coolness einhauchen. Petry hatte so ihre Schuldigkeit getan und war angezählt sowie bereit dafür, vom Sockel gestürzt zu werden.

Petry-Fans sammeln sich in der "Alternativen Mitte" (AM), eine Art Neuauflage von Luckes "Weckruf 2015"

Am Sonntag errang die AfD 94 Mandate im Bundestag. Am Montagabend waren es derer noch 93, die sich heute zu ihrer konstituierenden Fraktionssitzung zusammensetzen wollen. Bleibt abzuwarten, wie es weiter geht mit der Partei. Ende des Jahres soll ein neuer Vorstand gewählt werden.

Petrys Sidekick Meuthen hat schon geraume Zeit vor dem neuerlichen Eklat angekündigt, dass er sich eine Zusammenarbeit mit ihr nicht mehr oder nur sehr schwer vorstellen könne. Längst sammeln sich in der AfD seit Wochen Petry-Fans in der "Alternativen Mitte" (AM), eine Art Neuauflage von Luckes "Weckruf 2015". Über diesen hatte Petry einst selbst gesagt, dass es eine solche Art von Partei innerhalb der Partei nicht mehr geben dürfe (AfD wählt Lucke ab).

Auf welcher Seite Petrys Ehemann Pretzell, der AfD-Landes- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen steht, dürfte logisch sein. Unter den neu in den Bundestag gewählten Abgeordneten aus NRW befinden sich einige, die dem Pretzell- respektive Petry-Lager zugerechnet werden. Pretzells Co-Landeschef und Intimfeind Renner, künftig auch AfD-Bundestagsabgeordneter, befand am Montag, es sei möglich, dass Petry und ihr Gatte auch unter den NRW-Vertretern eine Abspaltung planten.

Gaulands "Jagd" auf Merkel fand fürs Erste am Montag also noch nicht wirklich statt. Innerparteilich "jagte" man andere, die man noch zu "erlegen" gedachte. Der AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, auf dessen Ticket Petry ihr Direktmandat erhalten hat, fühlte sich am Abend von der Parteichefin jedenfalls betrogen. Wegen Betrugs am Wähler solle sie aus der Partei austreten, sonst folge ein Parteiausschlussverfahren. Abgeordnete der sächsischen AfD-Landtagsfraktion, deren Vorsitzende Petry noch ist, stellten zudem fest, dass sie hinter der Bundesspitze ihrer Partei stehen würden. Auch das ein deutlicher Hinweis an Petry.