Janet Yellen: Die Welt ist groß genug für USA und China

US-Finanzministerin auf China-Reise gegen wirtschaftliche Abkopplung. Beijing sieht sie als seltene Stimme der Vernunft. Warum das Misstrauen gegenüber den USA dennoch bleibt.

Das Verhältnis zwischen den USA und China ist angespannt und schwierig. In den vergangenen Monaten wurde im sogenannten Westen viel über "Decoupling" debattiert, also über die Abkopplung der eigenen Wirtschaft von der Chinas.

Nach ihrem viertägigen Besuch in Beijing machte US-Finanzminister Janet Yellen nun deutlich, dass man die beiden größten Volkswirtschaften der Welt nicht entkoppeln wolle. Für beide Länder wäre dies "katastrophal" und "praktisch nicht möglich", sagte sie laut Handelsblatt.

Sie betonte auch, dass sowohl sie als auch US-Präsident Joe Biden die Beziehungen beider Länder nicht als einen Konflikt von Großmächten betrachtet. "Wir glauben, dass die Welt groß genug ist, damit unsere beiden Länder gedeihen können", wird sie vom Finanzdienst Bloomberg wiedergegeben.

Yellen hatte sich am Sonntag bei einer Pressekonferenz zu ihrer China-Reise geäußert. Zuvor hatte sie vier Tage in Beijing verbracht, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern neu zu beleben. Zuletzt hatten sich die Spannungen zwischen Washington und Peking zu einem Handelskrieg ausgeweitet, in dessen Verlauf beide Seiten den Export von Hightech-Gütern einschränkten.

Jetzt betonte die US-Finanzministerin die Vorteile des Handels mit China. Und sie erklärte, sie habe den skeptischen Beamten in Beijing klarmachen wollen, dass eine Diversifizierung der Lieferketten nicht dasselbe seien wie eine Entkopplung. "Ich glaube, diese Botschaft wurde verstanden."

Die mehrstündigen Gespräche in China bezeichnete Yellen als "direkt, substantiell und produktiv" und sie hätten die Beziehungen zwischen beiden Ländern wieder auf eine "sichere Grundlage" gebracht.

Yellens Mission in Beijing wurde als heikel bezeichnet, da sie einen Spagat zwischen verschiedenen Interessen machen musste. Die Reise war auch der erste Test einer Politik, die sie im April skizziert hatte, so Bloomberg, und die darauf abzielt, die "nationale Sicherheit der USA" zu verteidigen, ohne China wirtschaftlich schwächen zu wollen.

Zum einen äußerte sie sich besorgt über die chinesische Wirtschaftspolitik. Sie kritisierte beispielsweise "nicht marktkonforme" Praktiken und "Zwangsmaßnahmen" gegen amerikanische Unternehmen. Außerdem warnte sie chinesische Unternehmen davor, den Krieg in der Ukraine materiell zu unterstützen.

Gleichzeitig rief sie zur Zusammenarbeit beider Länder bei globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Verschuldung ärmerer Länder auf. Auch die Probleme, die sich aus der Rivalität beider Länder ergäben, müssten mit fairen Regeln gelöst werden.

Yellens Äußerungen konnten in Beijing allerdings kaum über die offizielle Politik Washingtons hinwegtäuschen. In der Beijing Daily wurde sie als "vielleicht die einzige Stimme der Vernunft inmitten des streitlustigen Anti-China-Getöses in Washington" bezeichnet. Gleichwohl hatten die chinesischen Beamten nicht die Erwartung von konkreten politischen Durchbrüchen.

Ein anderer, nicht namentlich gekennzeichneter Beitrag des zur KP Chinas gehörenden Zentrums für Weltstudien der Gegenwart warf den USA dagegen vor, von der Idee besessen zu sein, andere Länder zu unterdrücken. In der Vergangenheit sei jedes Land, das ein Bruttoinlandsprodukt von 70 Prozent des amerikanischen erreicht oder überschritten habe, von Washington unterdrückt worden.

"Großbritannien, Deutschland, die Sowjetunion, Japan und die Europäische Union" hätten dies bereits erleben müssen. Nun sei China an der Reihe. Und weil US-Amerikaner, so der geäußerte Vorwurf, Chinesen nicht als gleichwertige Menschen betrachten, sei es in ihren Augen politisch korrekt, China einzudämmen und abzuschrecken.

Die nächste Bewährungsprobe für die Beziehungen zwischen beiden Ländern könnte bald kommen. Das Weiße Haus bereitet gerade den rechtlichen Rahmen vor, heißt es bei Bloomberg, um Auslandsinvestitionen der USA in China zu drosseln. Das Ziel dahinter: China von Spitzentechnologie abzuschneiden.

Yellen hatte bei ihrem Besuch betont, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Und sie versprach, dass die neuen Beschränkungen "sehr gezielt" auf einige wenige Sektoren ausgerichtet seien. Das dürfte in Beijing allerdings nicht zur Beruhigung beigetragen haben.

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