Japan will Gastarbeiter anlocken
Bislang hat Japan die Grenzen weitgehend dicht gemacht, aber im vergreisenden Land fehlen zunehmend Arbeits- und Pflegekräfte
Japan sperrt sich weiterhin gegen Ausländer und Migranten ab, obgleich die vergreisende Gesellschaft dringend alleine schon wegen der Pflege Arbeitskräfte aus dem Ausland bräuchte. Schon 2015 fehlten 40.000 Pflegekräfte. Und es soll erst noch richtig schlimm werden. 2035 würden, wenn nichts geschieht, bereits an die 800.000 benötigte Jobs im Pflegebereich nicht besetzt werden können. Bekanntlich hatte Japan, das man als Musterland der Identitären verstehen kann, versucht, mit der Entwicklung von Robotern den Zuzug von Arbeitern aus dem Ausland unnötig zu machen.
Die konservative Regierung unter dem Regierungschef Shinzo Abe erkennt schon länger, dass Japan sich der Arbeitsmigration öffnen und irgendwie zu einem Einwanderungsland werden müsste. Allerdings fährt man vielspurig. So rief die Regierung etwa die "alterslose Gesellschaft" Gesellschaft aus, um dafür zu werben, dass die Japaner länger gesund sind und länger arbeiten wollen/können.
Flüchtlinge schätzt man in Japan bislang noch weniger. Letztes Jahr musste als Rekord verzeichnet werden, da fast 20.000 Asylanträge gestellt wurden. Anerkannt wurden 20, also gerade einmal 0,1 Prozent. Das kann restriktiv nennen und wird allen Apologeten der Grenzschließung und der Abweisung von Flüchtlingen gefallen, auch wenn sich Japan unter Druck noch von Barack Obama hatte bewegen müssen, um weiteren 45 Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen zu gewähren (Obergrenze: Japan nimmt bis 2021 höchstens 300 syrische Flüchtlinge auf).
Bislang dürfen Hochqualifizierte und Studenten für eine begrenzte Zeit ins Land kommen, ansonsten mogelt man sich um das Thema herum. Seit 1993 gibt es zwar eine Art Gastarbeiterprogramm, das als Entwicklungshilfe auftritt, um Ausländern die Möglichkeit zu bieten, Berufserfahrung zu sammeln. Das technische Ausbildungsprogramm für maximal 3 Jahre soll Arbeitern aus Entwicklungsländern durch eine Art bezahltes Praktikum eine Weiterbildung bieten, oft dienen sie aber nur als billige Gastarbeiter. Um die 230.000 Ausländer sind im Rahmen des Programms in Japan. Die Regierung versucht, gegen diese Ausbeutung vorzugehen, allerdings soll damit auch verhindert werden, dass die Gastarbeiter untertauchen und illegal im Land bleiben. Auf der anderen Seite wurde der Überprüfungsprozess für Flüchtlinge verschärft, weil die Sorge besteht, dass zunehmend Wirtschaftsflüchtlinge Anträge stellen. Asylantragsstellern werden zunehmend weniger zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnisse gewährt.
Wie japanische Medien gestern berichteten, sollen ab April des nächsten Jahres mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland zugelassen werden, da zunehmend Unternehmen Probleme haben, Mitarbeiter zu finden. Das wird als Gefahr für die Wirtschaft und den Wohlstand des Landes gesehen. Regierungschef Abe hat seine Minister aufgefordert, einen entsprechenden Plan vorzubereiten, neben den Hochqualifizierten auch Industriearbeiter oder Handwerker die Türe nach Japan zu öffnen. Kritiker werfen ein, dass man damit nur billige Arbeitskräfte ins Land bringen will, wie dies bereits bei dem technischen Ausbildungsprogramm der Fall ist
Wichtig sei, so Abe, "Bedingungen zu schaffen, in denen Ausländer gut leben können", also eine Art Willkommenskultur. Dazu soll die Einwanderungsbehörde neu aufgestellt und schnell ein neues Einwanderungsgesetz verabschiedet werden. Die Bewerber müssen bestimmten Bedingungen genügen, Prüfungen ablegen und Japanisch lernen.
Extrem vorsichtig bleibt man weiterhin. Den ausländischen Arbeiter soll ein Visum gewährt werden, das aber höchstens 5 Jahre lang gilt. Ihre Familienangehörigen dürfen die künftigen Gastarbeiter nicht mitnehmen, um sicherzustellen, dass sie auch wieder zurückkehren. Überdies soll erst einmal geprüft werden, in welchen Branchen Bedarf an ausländischen Arbeitern besteht, gleichzeitig spricht man davon, gleich auch die Kontrollen zu verschärfen, um einen Missbrauch zu verhindern.
Die Regierung geht davon aus, dass die künftigen ausländischen Gastarbeiter in der Regel in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten. In der Pflege und der Landwirtschaft, im Bau-, Hotel- und Schiffsbaugewerbe sieht man den höchsten Bedarf, aber auch in der Fischereibranche und der Industrie.
Mit 10000 Pflegekräften aus Vietnam soll die neue Einwanderungspolitik gestartet werden
Den Durchbruch will man bei den Pflegekräften machen, das ist gesellschaftlich wahrscheinlich am besten durchsetzbar. Bis 2020 sollen 10.000 Pflegekräfte aus Vietnam aufgenommen werden. Um das auf Japanisch zu machen, setzt man auf eine kleine Dosis von 3000 im Jahr. Das ist schon viel, wenn zwischen 2008 und 2017 gerade einmal 3500 Pflegekräfte aus dem Ausland ins Land durften.
Ähnliche Vereinbarungen sollen mit Kambodscha, Indonesien und Laos getroffen werden. Mit Vietnam wurde eine Vereinbarung schon im letzten November im Rahmen des technischen Ausbildungsprogramms getroffen. Wer die Sprache beherrscht, um sich unterhalten zu können, darf 5 Jahre in Japan arbeiten. Wer bereits im technischen Ausbildungsprogramm ist, soll zusätzlich 5 Jahre arbeiten dürfen. Um die Sprachenhürde zu senken, finanziert Japan Sprachkurse. Die Pflegekräfte sollen dasselbe verdienen wie die japanischen Arbeiter.
Auf dem G7-Treffen im Juni soll US-Präsident Donald Trump Abe bei einer Diskussion über das Flüchtlingsproblem in Europa angesichts der fehlenden Migration von Arbeitskräften gesagt haben: "Shinzo, du hast das Problem nicht, aber ich kann dir 25 Millionen Mexikaner schicken und du wirst schnell nicht mehr an der Regierung sein."
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