Japanischer Kolonialismus, Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg
Seite 2: Wer wollte den Krieg in Korea? Regionale und internationale Konfliktlinien
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"The attack upon Korea makes it plain beyond all doubt that communism has passed beyond the use of subversion to conquer independent nations and will now use armed invasion and war."19
Harry S. Truman
"It would be much better if the North Korean government launched an all-out attack against the South in the first half of 1950 […] If necessary, we can stealthily put in Chinese soldiers for you. […] They [the USA] will not notice."20
Mao Zedong
Der Hauptgrund für den Ausbruch des Korea-Krieges lässt sich, auch gestützt auf Quellen aus den inzwischen geöffneten Archiven in Russland, damit beschreiben, dass sich sowohl Syng-man Rhee im Süden als auch Kim Il-sung im Norden als Vertretung des ganzen Landes definierten und deshalb eine rasche Wiedervereinigung mit militärischer Gewalt anstrebten. Beide Seiten erhofften sich davon nicht nur eine Ausdehnung ihrer Macht auf ganz Korea, sondern auch eine innenpolitische Festigung der eigenen Position.
Kim Il-sung hatte mit seinen Kommunisten gerade erst die Volksrepublik gegründet, seine Herrschaft war noch keineswegs etabliert. Ein Sieg des Südens hätte unweigerlich sein politisches Ende bedeutet. Aber auch ein erstarktes demokratisches (faktisch autoritär regiertes) und wirtschaftsliberales Südkorea würde als Referenzpunkt für die nationalistische und antikommunistische Opposition weiterhin Einfluss auf den Norden nehmen - eine Befürchtung, die in der jüngsten Auseinandersetzung um Flugblätter südkoreanischer Aktivistinnen und Aktivisten, die im Norden verteilt wurden, erneut zur Realität wurde.
Aber stärker als Kim hätte Syng-man Rhee von einem Sieg im Bürgerkrieg profitiert, weshalb er den Norden mit seiner explizit antikommunistischen Politik immer wieder gezielt provozierte und auch Grenzzwischenfälle auslöste.32 Letzen Endes war der Norden Rhee in seinen Plänen für eine "Wiedervereinigung Koreas um jeden Preis"21 nur militärisch zuvorgekommen. Der Historiker Rolf Steininger:
"Syngman Rhee hatte nichts zu verlieren; er war innenpolitisch am Ende: bei den Parlamentswahlen im Mai hatte er trotz massivster Fälschungen nur 47 von 210 Sitzen errungen. Ein Sieg gegen Nordkorea hätte seine Position gefestigt, eine Niederlage, d. h. ein Sieg der Kommunisten hingegen zum Eingreifen der USA geführt."22
Darauf deutet auch Rhees Taktik zu Beginn des Krieges hin. Nach eigener Aussage räumte er "Stadt um Stadt aus taktischen Gründen, in der Hoffnung, amerikanische Verstärkungen würden rechtzeitig genug eintreffen, um eine Offensive zu starten."23
Am 12. Januar 1950 hielt US-Außenminister Dean Acheson eine Rede, in der er Südkorea nicht in die für die Sicherheit der USA wichtigen Gebiete im Fernen Osten mit einschloss.24 Diese Aussage konnte in Pjöngjang dahingehend interpretiert werden, dass ein militärisches Vordringen in den Süden, auf das Kim Il-sung seit Längerem hingearbeitet hatte, zumindest nicht mit aller Entschlossenheit beantwortet werden würde. Während der demokratische Außenminister damit Rhees Plänen einer Eroberung Nordkoreas eine Absage erteilte, versicherte der außenpolitische Sprecher der Republikaner und Truman-Berater John Foster Dulles am 18. Juni 1950 vor dem südkoreanischen Parlament seine Unterstützung im Kampf gegen die kommunistische Bedrohung ("you are not alone").25
Stalin wiederum verhielt sich zögerlich gegenüber Kims Plänen einer Invasion Südkoreas, während sich Mao deutlich offener für eine militärische Konfrontation zeigte. 1949 war nach 22 Jahren der chinesische Bürgerkrieg mit dem Sieg der kommunistischen Truppen zu Ende gegangen. Zwar wollte Mao Zedong noch bis 1950 etwas zuwarten, aber er fühlte sich nun militärisch in der Lage, seine Macht auch auf Korea auszudehnen, selbst wenn dabei die USA eingreifen würden. Es war also durchaus nicht nur Douglas MacArthur, der mit dem Feuer spielte - beide Seiten nahmen einen Flächenbrand willentlich in Kauf:
"Mao encouraged Pyongyang to invade the South and take on the USA - and volunteered Chinese manpower - as early as May 1949."26
Kim Il-sung seinerseits wollte den Angriff auf Südkorea zur Machtsicherung, und dazu spielte er auch Stalin und Mao gegeneinander aus.27 Denn Stalin hatte noch im März 1949 aus Sorge um eine offene Konfrontation mit den USA Kims Plänen einer Invasion des Südens eine Absage erteilt. Mao hingegen, an den sich Kim daraufhin wendete, war nicht nur der Invasion Südkoreas gegenüber offen, er nahm auch einen Krieg mit den USA in Kauf, auch wenn er seine Soldaten als nordkoreanische Truppen tarnen wollte, da er davon ausging, dass die USA den Unterschied zwischen Koreanern und Chinesen nicht erkennen würden.28
Was gab es für die UdSSR zu holen? Folgt man den Historikern Jung Chang und Jon Halliday, so war Stalin nicht nur in einer Zwickmühle wegen Kims Ankündigung, sich zukünftig von Moskau ab- und Beijing zuzuwenden, sondern er erkannte auch die Möglichkeiten eines solchen Unterfangens:
"A war in Korea faught by Chinese and Koreans would give the Soviet Union incalculable advantages: it could filed-test both its own new equipment, especially its MiG jets, and America’s technology, as well as acquring some of this technology, along with valuable intelligence on America. Both China and Korea would be completely dependent on Russian arms, so Stalin could fine-tune the degree of Russia’s involvement. Moreover, he could test how far America would go in a war with the Communist camp."29
Letztendlich eskalierte der Korea-Konflikt nicht nur militärisch, sondern führte auch zu einer gigantischen Rüstungsspirale. Innerhalb von drei Jahren verdreifachten die USA ihre Verteidigungsausgaben auf 189 Milliarden Dollar.30 Die bis dahin nur auf dem Papier existente NATO erhielt einen amerikanischen Oberkommandierenden, die dauerhafte Stationierung der US-Truppen in Europa wurde ausgebaut. Vor allem aber verschaffte der Korea-Krieg der Wiederbewaffnung Deutschlands und Japans und der Integration der BRD und Japans in das westliche Bündnissystem einen wesentlichen Schub.31
Teil 3, Interpretation: Was bleibt vom Korea-Krieg?