Japans Kampf gegen Verschwörungen
Seite 2: Zustände wie vor 1945?
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In Japan haben Bürgerrechtler, Kommunen und Medien das Gesetz gegen Verschwörung vehement kritisiert. Motoji Kobayashi von der Japan Federation of Bar Associations sagte, dadurch werde nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern bereits die Gedankenfreiheit angegriffen.
Im japanischen Fernsehen warnte die frühere Moderatorin Toshiko Kanazawa vor Zuständen, wie sie zuletzt während des Zweiten Weltkriegs herrschten. 1942 sei eine Gruppe verhaftet worden, weil sie verdächtigt wurde, die Kommunistische Partei neu gründen zu wollen. Bei brutalen Verhören starben vier der 60 Verhafteten. Der als "Yokohama Incident" bekannt gewordene Fall könne sich wiederholen, wenn das Verschwörungsgesetz in Kraft trete. Auch der Dokumentarfilmer Akira Matsubara, der 1990 einen Dokumentarfilm über den "Yokohama Incident" gedreht hatte, warnte vor dem neuen Gesetz.
Die "Japan Times" forderte in einem Editorial, Politiker, Parteien und Bürger müssten jetzt in sich gehen und überlegen, ob das Gesetz gegen Verschwörungen wirklich nötig sei. Insbesondere die Kritik von Cannataci müsse beachtet werden. Das Problem sei, dass kriminelle Gruppen nicht genau definiert seien. Somit könne die Polizei durch dauerhafte Überwachung selbst darüber entscheiden, ob etwa Gewerkschaften, Bürgerrechtler und Parteien sich schon kriminellen Zielen zugewandt haben. Schon ein geplantes, aber wegen Unwetter abgeblasenes Sit-in vor einem US-Militärstützpunkt wäre dann strafbar und rechtfertige umfassende Überwachungsmaßnahmen.
Japan hat bereits gesetzliche Regelungen, Personen zu bestrafen, die schwere Verbrechen vorbereiten wie Mord, Raub, Brandstiftung, Einbruch, Entführung und Geldfälschung. Wenn die Regierung wirklich schärfe Maßnahmen sucht gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, könnten die bestehenden Regelungen verschärft und ausgeweitet werden.
Japan Times
Auch viele Kommunen in Japan sprachen sich gegen die Gesetzesänderung aus. Die meisten der 50 Kommunen sind eher klein, aber es sind auch einige größere Städte dabei, nämlich Hokkaido, Iwate, Fukushima, Kyoto, Nagano, Kochi und Fukuoka. So erklärte die 61.000-Einwohner-Stadt Chikuma:
Die Definitionen von ‚organisierten kriminellen Gruppen’, ‚Vorbereitung’ und ‚Terrorismus’ in dem Gesetz sind schwach. Es ist nicht klar, inwieweit die Anwendung begrenzt ist. Es ist möglich, dass das Gesetz weit ausgelegt wird. Damit besteht weiter die Gefahr, dass grundlegende Menschenrechte durch Ermittler verletzt werden, die das Gesetz willkürlich auslegen.
Chikuma
Und die 120.000-Einwohner-Stadt Oshu erklärte:
Die Regierung behauptet immer, "normale Leute sind davon nicht betroffen", "vorbereitende Aktivitäten werden nur begrenzt erfasst", "nur wenn wir das Gesetz verabschieden, können wir die UN-Konvention gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ratifizieren", "ohne das Gesetz können wir Terrorismus nicht bekämpfen und die Olympischen Spiele und die Paralympics in Tokio nicht veranstalten". Aber sobald das Gesetz durch das Parlament ist, werden sich all diese Argumente als Lügen und Täuschung erweisen.
Oshu
Konservative Revolution
Dass die Olympischen Spiele das neue Gesetz nötig machen, darf bezweifelt werden, denn es ist nicht das erste Mal, dass eine japanische Regierung solche Gesetze verabschieden lassen will. So wurden 2003, 2004 und 2005 drei ähnliche Gesetze vorgelegt. Im Unterschied zu den gescheiterten Entwürfen richte sich das neue Gesetz nicht mehr einfach gegen Gruppen, sondern gegen "organisierte kriminelle Gruppen", schreibt die Japan Times. Außerdem seien nicht mehr nur Verschwörer im Visier, sondern es brauche auch vorbereitende Handlungen.
Das neue Gesetz reiht sich ein in andere Gesetzesnovellen, mit denen der konservative Premier Shinzo Abe die japanische Gesellschaft umgestalten will. So will er die pazifistische Nachkriegsverfassung schleifen, wegen der Japan keine regulären Streitkräfte unterhalten darf, die deshalb in Japan "Selbstverteidigungskräfte" heißen. Um den entsprechenden Artikel 9 aufzuweichen, wurde kürzlich dem Militär Kampfeinsätze in Übersee erlaubt.
Es wird erwartet, dass das Gesetz gegen Verschwörungen noch vor Ende der Legislaturperiode Mitte Juni auch das Oberhaus passiert. Dort haben Abe und seine Verbündeten wie im Unterhaus eine Zwei-Drittel-Mehrheit.