Japans Regierung nutzt Nordkorea-Konflikt zur Militarisierung
Die Hälfte der Japaner ist bereits dafür, die pazifistische Verfassung zu ändern, um eine offensive Militärpolitik zu ermöglichen
Japan übt sich unter der Abe-Regierung in eine stärker auf das Militär setzende Politik ein, indem Schritt für Schritt die nach dem Zweiten Weltkrieg eingegangene Selbstverpflichtung auf reine Selbstverteidigung aufgeweicht wird (Japans Regierung verzwanzigfacht die Förderung militärischer Forschung). Nachdem bereits Kampfmissionen im Ausland zum Schutz von japanischen Bürgern und nicht mehr nur im Rahmen von UN-Friedensmissionen ermöglicht wurden, hat nun das japanische Verteidigungsministerium im Kontext des Konflikts mit Nordkorea erstmals am Montag ein Kriegsschiff nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern zum Schutz von US-Kriegsschiffen entsendet.
In Japans Verfassung steht zwar weiterhin noch, dass das japanische Militär, das eng mit dem US-Militär verzahnt ist, ausschließlich zur Selbstverteidigung eingesetzt werden kann. Japans Regierung unter Ministerpräsident Abe will aber, auch unter dem Druck der USA, zu einer regionalen Militärmacht werden. So wurde der Verteidigungshaushalt stetig erhöht und letztes Jahr durchgesetzt, dass das japanische Militär im Ausland auch befreundeten Streitkräften und ihren Stützpunkten vor Bedrohungen zur Hilfe kommen kann.
Die Entsendung des Hubschraubträgers Izumo, des größten japanischen Kriegsschiffs, erfolgte erstmals unter dieser Regelung, nachdem Nordkorea am Samstag erneut einen Raketentest ausgeführt hat, der aber gescheitert war. Japan will damit den Schulterschluss mit den USA demonstrieren, um Nordkorea auch militärisch zu drohen. Die Abe-Regierung nützt andererseits die Nordkorea-Krise aus, um die Pläne voranzutreiben, das japanische Militär zu einer Offensivstreitmacht umzubauen.
Zunächst wird das japanische Kriegsschiff nur ein militärisches Versorgungsschiff begleiten, das u.a. Treibstoff für Trumps "Armada", das Kampfgeschwader des US-Flugzeugträgers Carl Vinson, liefert, das seit Samstag in der Region angekommen ist. Am Samstag hatten bereits japanische Kriegsschiffe Übungen mit US-amerikanischen ausgeführt, aber das war noch nicht explizit als Schutzmaßnahme ausgegeben worden.
Wegen der Entsendung von Kriegsschiffen zu Marineübungen mit dem Geschwader des Flugzeugträgers Carl Vinson und der Zuspitzung der Krise drohte Nordkorea erneut Japan, das "von radioaktiven Wolken überzogen wird, wenn kein Atomkrieg auf der koreanischen Halbinsel ausbricht". Auch die Unterstützer werden nicht sicher sein. Japan heize den Konflikt an, um die Militarisierung weiter zu treiben und wieder auf die Halbinsel einzumarschieren, so die Zeitung Rodong Sinmun.
Japaner zunehmend für die von der Abe-Regierung angestrebte Verfassungsveränderung
Mittlerweile scheint sich in Japan die Stimmung zu wenden. Nach einer aktuellen Umfrage ist die Bevölkerung noch gespalten, ob Artikel 9 der Verfassung aus dem Jahr 1947 abgeschafft werden soll. Er schreibt vor, dass Japan auf alle Zeiten auf den Krieg verzichten und anderen Staaten nicht mit militärischer Gewalt drohen wird. Nach dem Artikel dürfen eigentlich keine Streitkräfte aufgestellt werden, weswegen die japanischen Truppen "Selbstverteidigungsstreitkräfte" genannt wurden und noch immer so heißen, nachdem 1954 erstmals wieder das Verbot umgangen und Militär zum Schutz vor Angriffen aufgestellt wurde.
Bei der Umfrage stimmten zwar Dreiviertel der Befragten zu, dass Artikel 9 es Japan ermöglichte, sich aus den Kriegen nach 1945 herauszuhalten, aber mit 49 Prozent sind mehr dafür, Artikel 9 zu verändern, als ihn beizubehalten, da sich nur noch 47 Prozent gegen eine Veränderungen aussprachen. Lange waren diejenigen, die gegen eine Veränderung der pazifistischen Verfassung eintraten in der Mehrheit. Die politische Lage begünstigt die Militarisierung. 66 Prozent der Befürworter wollen dies wegen "der veränderten Sicherheitslage um das Land durch die Atom- und Raketenprogramme Nordkoreas und Chinas militärische Expansion". 20 Prozent stört hingegen die Schizophrenie zwischen dem Verfassungsgebot und der Existenz der "Selbstverteidigungsstreitkräfte".
Für 60 Prozent ist eine Überarbeitung der Verfassung notwendig, nur 37 Prozent wollen sie so erhalten, wie sie ist. Für die meisten, die eine Veränderung wünschen, passt sie nicht mehr in die Zeit. Am meisten Diskussionsbedarf löst Artikel 90 aus. Allerdings sprechen sich 51 Prozent gegen Verfassungszusätze unter der Regierung von Abe aus, 45 Prozent sind dafür. Seit dem 70. Jahrestag der Verabschiedung der Verfassung war diese noch nie verändert worden.