Jede Solaranlage ist ein Friedenszeichen
Ein Gespräch mit Franz Alt über Solarenergie und Frieden, Öl und Kriege, Bush und Irak
Wenn George W. Bush eine schwierige Entscheidung treffen muss, fragt er sich nach eigenen Angaben: "Was würde Jesus machen?". In seinem neuen Buch Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne meint der ökologisch gesinnte TV- und Radiojournalist Franz Alt: "Das lässt sich nicht nur nachlesen, sondern nachempfinden", und fügt seine "Frage aller Fragen hinzu": "Gelten solche religiösen Aussagen auch für den Ernstfall?"
Die meisten Menschen würden Ihnen zustimmen, dass es einen Zusammenhang zwischen Erdöl und Krieg gibt, aber Sie unterstreichen gleichzeitig auch den Zusammenhang zwischen Solarenergie und Frieden. Können Sie das erläutern?
Franz Alt: Jede Solaranlage ist ein Friedenszeichen, weil um die Sonne niemals Kriege geführt werden. Um Öl wurden und werden Kriege geführt. Und George W. Bush bereitet gerade den nächsten Krieg vor. Es sind letztlich Kriege um Öl.
Meinen Sie nicht auch, dass man nicht nur um des Öls willen Kriege führt, sondern auch dass ohne Öl schlecht Kriege führen werden können? Wie soll man denn z.B. Flugzeugträger mit Windanlagen und Photovoltaik betrieben? D.h. einerseits, dass Öl die Beute des Krieges ist, aber auch, dass das Öl moderne Kriege erst überhaupt möglich macht.
Franz Alt: Die erneuerbaren Energien sind niemals ein Kriegsgrund, weil sie überall vorhanden sind, im Gegensatz zu den alten Energieträgern. Öl, Gas, und Uran sind in Deutschland nicht vorhanden, und die USA haben nur noch wenige Jahre auf eigenem Territorium Öl oder Gas. Und da sie sehr am Öltropf hängen, wie übrigens alle Industriestaaten, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als Kriege zu führen. Kriege um Windkraft, Sonnenenergie oder Biomasse zu führen, wäre hingegen absurd, weil es diese in Hülle und Fülle gibt. Es gibt keine Bush-Sonne, Hussein-Sonne oder Bin-Laden-Sonne, sondern nur unser aller Sonne. Die Lösung des Energieproblems steht am Himmel.
Wir brauchen diese alten Energiequellen gar nicht
Das heißt, solange es Erdöl gibt, werden wir darum Kriege führen, und danach ist alles eitel Sonnenschein?
Franz Alt: Wir hätten dann zumindest bessere Voraussetzungen für den Frieden. Heute geht es im Krieg um Ressourcen. Wir haben uns in solche Abhängigkeiten begeben, dass die alten Industriestaaten ohne diese Ressourcen zusammenbrechen würden. Deshalb müssen wir in den nächsten Jahrzehnten im großen Stil auf erneuerbare Energien umsteigen.
Kritiker würden sagen, dass die erneuerbaren Energien allein gar nicht ausreichen. Auch die Ziele der EU-Länder liegen lediglich bei rund 20% Energie aus erneuerbaren Quellen bis 2020. Und die Prognosen vieler Energie-Agenturen und -firmen gehen davon aus, dass höchstens die Hälfte des Bedarfs bis 2050 von erneuerbaren Energien gedeckt werden können.
Franz Alt: Die Sonne allein schickt um 15.000 mal mehr Energie, als alle Menschen zur Zeit auf dieser Erde verbrauchen. Die Windkräfte schicken ein Mehrfaches dessen, was wir verbrauchen, die Biomasse allein 10 mal mehr - dies sind theoretische Zahlen. Das heißt aber, dass wir alles haben, was wir brauchen. Wir brauchen diese alten Energiequellen gar nicht. Der große Vorteil der erneuerbaren Energien ist, dass der Stoff nichts kostet. Und wenn wir die Technik massenhaft produzieren, wird auch die heute noch teure Technik immer preiswerter werden.
Wird aber nicht die Atomkraft für militärische Zwecke zunehmend wichtiger in dem Maße, wie das Öl verschwindet? Man hat heute Atomkraft-betriebene U-Boote, und der neue französische Flugzeugträger Charles de Gaulle läuft mit zwei kleineren Atomreaktoren an Bord. Ganz abgesehen von Atomwaffen im eigentlichen Sinne.
Franz Alt: Ja, wenn ich natürlich zwanghaft an Atomenergie klebe und die ganzen atomaren Unfälle, die es gegeben hat - von Harrisburg ("Three Mile Island"-Unfall im Jahre 1979) über Sellafield (wo die Sicherheitskontrollen gefälscht wurden, oder Tscheliabinsk (wo bereits drei von der UdSSR geheim gehaltene Atomunfälle vorgefallen sind, bis hin zu Tschernobyl - ausklammere und verdränge, dann kann ich nach wie vor auf Atomkraftwerke setzen. Und Atomkraftwerke sind ja eine Voraussetzung für Atomwaffen. Diesen Zusammenhang sehe ich auch. Und das ist auch ein Grund, warum manche Regierungen und viele Militärs an der friedlichen Nutzung der Kernenergie festhalten.
Unser himmlischer Vater lässt die Sonne über Gute und Böse, über George Bush und Bin Laden scheinen
Sie nehmen eine Sonderstellung unter den Solar-Fürsprechern ein, denn Sie bringen nicht nur Ethik und Sonnenenergie zusammen, sondern auch die Religion. Sie berufen sich bewusst auf Jesus. Wie werden Sie dabei von den Kirchen - katholisch wie protestantisch - wahrgenommen? Sind Sie ein Exot oder werden Sie tatkräftig unterstützt?
Franz Alt: Also, Exot für die einen, und Unterstützung durch die anderen. Beides findet statt. Ich habe gerade eine Reaktion vom benediktinischen Kloster Münsterscharzach bei Würzburg bekommen. Die haben mein Buch Der ökologische Jesus gelesen und wollen genau nach diesem Buch handeln, d.h. ökologische Ethik und ökologische Technik zusammenbringen. Sie wollen ihre 100 Gebäude und 20 handwerklichen Betriebe, die zum Kloster gehören, in den nächsten 10 Jahren komplett auf erneuerbare Energie umstellen. Sie haben dieses Jesus-Wort aus der Bergpredigt begriffen: Unser himmlischer Vater lässt die Sonne scheinen, über Gute und Böse, über Gerechte und Ungerechte, über George Bush und Bin Laden, also eben über alle. Alles, was ist auf dieser Welt, ist letztlich Energie, eine Gotteskraft. Insofern gibt es diese ethisch-technischen Zusammenhänge, und ich stelle fest, dass immer mehr Kirchenleute und Theologen das begreifen. Deshalb haben z.B. in den letzten 4 Jahren 700 Kirchengemeinden in Deutschland auf ihren Kirchendächern Solaranlagen installiert.
Und das wird nicht als Verunstaltung der Kirche angesehen?
Franz Alt: Es gibt Leute, die sagen, Denkmalschutz sei wichtiger. Da kann ich nur sagen, es gibt keinen Denkmalschutz, wenn wir nicht lernen, das Klima zu schützen. Die Kirchen müssen heute schon jedes Jahr Millionen ausgeben, um die Steine, die von Abgasen abgeätzt wurden, wieder hinzukriegen.
Ich will aber nicht auf jeder Kirche und auf dem Kölner Dom Solaranlagen haben. Aber auf 90% der Kirchengebäude könnte man symbolisch Solaranlagen anbringen, damit das positiv auf die Gesellschaft ausstrahlt und künftig auf fast alle Dächer Solaranlagen installiert werden. Meine Vision ist, dass aus 22 Million Gebäuden in Deutschland 22 Millionen kleine Solarkraftwerke werden. Dann bräuchten wir kein Öl und keine Kriege um Öl.
Dummheit auf beiden Seiten
Meinen Sie denn, es kommt zwangsläufig zum neuen Golf-Krieg, weil es sowieso nur ums Öl geht?
Franz Alt: Man muss den Hintergrund von Bush kennen. Man muss wissen, wer ihn unterstützt hat. Er ist ein Ölmann und sonst gar nichts. Sein Vater hat den ersten Golf-Krieg um Öl geführt und nicht um Menschenrechte. Menschenrechte gibt es heute in Kuwait so wenig wie vor elf Jahren. Das war ein vorgeschobener Grund, und die ganzen Berichte heute, dass wir den Terrorismus bekämpfen müssen, sind auch nur vorgeschoben. Ich kann den Terrorismus nicht effektiv dadurch bekämpfen, dass ich Terroristen töte. Ich kann den Terrorismus, den wir in der Tat bekämpfen müssen, nur dadurch besiegen und überwinden, indem ich die Ursachen analysiere. Die Ursachen sind Ungerechtigkeit und Hunger und Ausbeutung.
Aber gerade diese Diskussion hat man in den USA unterbunden.
Franz Alt: Und das ist sehr praktisch für Bush. Denn die Terroristen sind ja auch so blöd und liefern ihm mit ihren schrecklichen Anschlägen genau die Argumente, die er braucht, um seine Ölkriege durchführen zu können. Das ist Dummheit auf beiden Seiten.
Ethnisch vertretbar ist ein solcher Krieg nicht. "Du sollst nicht töten" - das gilt für Bin Laden genauso wie für George W. Bush. Dies ist Grundgesetz aller Religion und aller Ethik. Und "Du sollst nicht stehlen", denn Kriege sind Diebstahl. Und in Kriegen werden die Menschen angelogen und betrogen - also "Du sollst nicht lügen". Das alles passt in alle Religionen und deshalb in ein Weltethos für eine globalisierte Welt. Aber wir nehmen dieses Ethos nicht ernst, denn sonst würden wir dieses Terrorismusproblem ganz anders angehen. Feindesliebe wie in der Bergpredigt bedeutet, dass wir den jetzt vorbereiteten Krieg nicht durchführen, sondern wir müssen intelligenter sein als unsere Feinde. Und natürlich nicht das machen, was man ihnen vorwirft. Denn dieser Krieg, den Bush vorbereitet, ist Staatsterrorismus. Das ist dieselbe Ebene für die Opfer wie der Terrorismus, den wahrscheinlich Bin Laden zu verantworten hat.
Craig Morris ist Translation Director bei Petite Planète.