Jeffrey D. Sachs: Der Wirtschaftskrieg der USA gegen China

Seite 2: Biden folgt Trump, Trump folgt Obama: "China als Feind"

Die USA kramten das alte Konzept hervor, um Chinas rasantes Wachstum zu bremsen. US-Präsident Barack Obama schlug zunächst vor, eine neue Handelsgruppe mit asiatischen Ländern zu gründen, die China ausschließen sollte, aber Präsidentschaftskandidat Donald Trump ging noch weiter und versprach einen regelrechten Protektionismus gegen China.

Nach seinem Wahlsieg 2016, den er mit einem Anti-China-Programm errungen hatte, verhängte Trump einseitige Zölle gegen China, die eindeutig gegen die WTO-Regeln verstoßen. Um sicherzustellen, dass die WTO nicht gegen die US-Maßnahmen votiert, setzten die USA das WTO-Berufungsgericht außer Kraft, indem sie Neubesetzungen verhinderten. Die Trump-Administration blockierte auch Produkte führender chinesischer Technologieunternehmen wie ZTE und Huawei und forderte US-Verbündete auf, dasselbe zu tun.

Als Präsident Joe Biden sein Amt antrat, erwarteten viele (auch ich), dass Biden Trumps chinafeindliche Politik umkehren oder abmildern würde. Das Gegenteil war der Fall. Biden verschärfte die Maßnahmen, indem er nicht nur Trumps Zölle gegen China aufrechterhielt, sondern auch neue Durchführungsverordnungen unterzeichnete, um Chinas Zugang zu fortschrittlichen Halbleitertechnologien und US-Investitionen zu beschränken.

Amerikanischen Unternehmen wurde informell geraten, ihre Lieferketten von China in andere Länder zu verlagern, ein Prozess, der als "Friendshoring" im Gegensatz zum Offshoring bezeichnet wird. Bei der Durchführung dieser Maßnahmen haben die USA die Grundsätze und Verfahren der WTO vollständig ignoriert.

Die USA bestreiten vehement, dass sie sich in einem Wirtschaftskrieg mit China befinden. Aber wie ein altes Sprichwort sagt: Wenn es aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, ist es wahrscheinlich eine Ente.

Die USA greifen auf ein vertrautes Schema zurück. Und die Politiker in Washington bedienen sich einer martialischen Rhetorik, indem sie China als Feind bezeichnen, der eingedämmt oder besiegt werden muss.

Die Ergebnisse zeigen sich in einer Umkehrung der chinesischen Exporte in die USA. In dem Monat, in dem Trump sein Amt antrat, im Januar 2017, entfielen 22 Prozent der US-Wareneinfuhren auf China.

Als Biden im Januar 2021 sein Amt antrat, war der Anteil Chinas an den US-Einfuhren auf 19 Prozent gesunken. Im Juni 2023 war der Anteil Chinas an den US-Einfuhren auf 13 Prozent gesunken. Zwischen Juni 2022 und Juni 2023 sanken die US-Einfuhren aus China um satte 29 Prozent.

Natürlich ist die Dynamik der chinesischen Wirtschaft komplex und kaum allein durch den Handel zwischen China und den USA bestimmt. Vielleicht werden sich Chinas Exporte in die USA teilweise erholen. Dennoch scheint es unwahrscheinlich, dass Biden im Vorfeld der Wahl 2024 die Handelsschranken gegenüber China lockern wird.

Im Gegensatz zu Japan in den 1990er-Jahren, das in Bezug auf seine Sicherheit von den USA abhängig war und daher den Forderungen der USA nachkam, hat China angesichts des US-Protektionismus einen größeren Handlungsspielraum. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass China seine Exporte in das übrige Asien, Afrika und Lateinamerika durch Maßnahmen wie die Ausweitung der Belt and Road Initiative erheblich steigern kann.

Meiner Einschätzung nach ist der Versuch der USA, China einzudämmen, nicht nur prinzipiell falsch, sondern auch in der Praxis zum Scheitern verurteilt. China wird überall in der Weltwirtschaft Partner finden, die eine kontinuierliche Ausweitung des Handels und des technologischen Fortschritts unterstützen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem Online-Medium Other News. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.

Jeffrey D. Sachs ist Universitätsprofessor und Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, wo er von 2002 bis 2016 das Earth Institute leitete. Außerdem ist er Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network und Kommissar der UN Broadband Commission for Development. Er war Berater von drei Generalsekretären der Vereinten Nationen und ist derzeit SDG-Beauftragter von Generalsekretär Antonio Guterres. Sachs ist der Autor des kürzlich erschienenen Buches "A New Foreign Policy: Jenseits des amerikanischen Exzeptionalismus" (2020). Zu seinen weiteren Büchern gehören: "Building the New American Economy: Smart, Fair, and Sustainable" (2017) und "The Age of Sustainable Development," (2015) mit Ban Ki-moon.