Jenseits von Kyoto

Die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union steigen zum zweiten Mal in Folge

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Die Zeit, da umweltbewusste Europäer auf den internationalen Gipfeltreffen die Ablehnung des Kyoto-Protokolls durch die Vereinigten Staaten, Australien oder auch Russland als kurzsichtige Ökosünde brandmarken und stolz auf die eigene Political Correctness verweisen konnten, scheint allmählich vorbei zu sein. Denn die Befürchtung, dass irgendjemand den selbsternannten Beschützern unserer natürlichen Lebensgrundlagen etwas über Dornen und Balken, Fegen vor der eigenen Haustür oder die Erledigung von Hausaufgaben erzählen könnte, dürfte allmählich konkrete Gestalt annehmen.

Darauf deutet jedenfalls der neueste Emissionsbericht der Europäischen Umweltagentur hin, der für 2001 einen Anstieg der wichtigsten Treibhausgasemissionen um 1% gegenüber 2000 feststellt. Das klingt nicht besonders spektakulär, ist vor dem Hintergrund der im Kyoto-Protokoll festgelegten Grenzwerte aber immerhin bedenklich. Schließlich hatte die Europäische Union 1997 zugesagt, den Ausstoß klimarelevanter Gase bis 2012 um 8% im Vergleich zum Bezugsjahr 1990 zu verringern. Wie aus dem jüngsten Bericht hervorgeht, lagen die Gesamtemissionen im Jahr 2001 aber nur um 2,3% unter denen von 1990, während es zwei Jahre zuvor schon einmal 3,6% waren. Der Ausstoß des wichtigsten Klimakillers Kohlendioxid, aus dem europaweit 82% aller Treibhausgasemissionen bestehen, lag sogar 1,6% über dem Bezugswert.

Die Europäische Umweltagentur nennt als Hauptursachen für den spürbaren Anstieg in nahezu allen EU-Mitgliedsländern den kalten Winter, der zu einem höheren Verbrauch von Heizbrennstoffen führte, aber auch geringere Regenfälle, steigende Emissionen aus dem Straßenverkehr und einen zunehmenden Verbrauch fossiler Brennstoffe für die Strom- und Wassererzeugung.

Die höheren Heizanforderungen führten vor allem bei Haushalten und kleinen Unternehmen zu einem Anstieg der CO2-Emissionen um deutliche 6%, für deren Zustandekommen hauptsächlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien verantwortlich waren. Aber auch andere Länder haben erhebliche Probleme, wenigstens die EU-internen Stabilisierungsziele auf dem Weg zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls zu erfüllen. Während die Emissionen in Österreich (+ 4,8%) und Finnland (+ 7,3%) schon überdurchschnittlich anstiegen, lagen sie in Irland um 31% über dem Bezugswert von 1990. Die Umweltagentur kommt insgesamt zu der wenig erfreulichen Überzeugung:

"Die neuesten Zahlen zeigen, dass 10 von 15 Mitgliedsstaaten ihren vereinbarten Anteil am Stabilisierungsziel für Treibhausgase in der EU bei weitem nicht erfüllen werden. Dies trifft auf Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, die Niederlande, Portugal und Spanien zu."

Gute Nachrichten kommen dagegen aus dem Großherzogtum Luxemburg. In dem kleinen Land, das mehr Fluggäste als Einwohner hat, wurden die Treibhausgasemissionen seit 1990 um beispielhafte 44% gesenkt. Und auch Deutschlands Beitrag zu einem besseren Klima in der Europäischen Union kann sich bislang sehen lassen. Mit 993 Millionen Tonnen Emissionen im Jahr 2001 ist Deutschland zwar noch immer der größte Klimaverschmutzer in der gesamten EU, der Ausstoß wurde gegenüber 1990 aber bereits um 18% vermindert und nähert sich so der von der Bundesregierung angepeilten Marke von 21% bis 2010.

Kritische Stimmen wie die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung schreiben diese positive Tendenz allerdings nicht allein einer fortschrittlichen Umweltpolitik zu, und sie halten auch das deutsche Sonderziel, die CO2-Emissionen bis 2005 um volle 25% zu senken, für schlichtweg utopisch. Das DIW konstatierte deshalb bereits im Februar diesen Jahres:

Um eine Reduktion in dieser Größenordnung zu erreichen, müssten die temperaturbereinigten CO2-Emissionen in den nächsten drei Jahren jeweils um rund 30 Millionen Tonnen oder um 3,8% reduziert werden. Eine derart hohe Rate gab es bisher nur einmal Anfang der 90er Jahre als Folge des drastischen wirtschaftlichen Einbruchs in den neuen Bundesländern. In der Periode von 1991 bis 2002 betrug die jahresdurchschnittliche Emissionsminderung nur knapp 1%. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verwirklichung des für 2005 genannten Zieles als aussichtslos. Selbst das im Rahmen des europäischen 'burden sharing' vereinbarte Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2008/2012 gegenüber 1990 um 21 % zu mindern, könnte verfehlt werden, wenn die klimaschutzpolitischen Anstrengungen nicht konsequent fortgesetzt werden."

Dieser Einschätzung entspricht der aktuelle Bericht der Europäischen Umweltagentur. Schlimmer noch: Er konstatiert im Vergleich der Jahre 2000 und 2001 auch in Deutschland einen Anstieg der Treibhausgasemissionen um 1,2%.