Jobmotor grüne Biotechnologie?

Während Gentech-Befürworter mit positiven Effekten für den Arbeitsmarkt argumentieren, sehen Ökonomen die Sache wesentlich differenzierter

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Rund um die grüne Gentechnik gibt es heftige Glaubenskonflikte und jede Menge Mythen. So könnte Agro-Biotechnik positive Beschäftigungseffekte bringen, argumentieren Befürworter häufig. Auf seriöse Potentialabschätzungen, die das ergeben hätten, können sie sich dabei aber nicht stützen. Die wenigen Ökonomen, die sich überhaupt ernsthaft mit dieser Frage beschäftigt haben, sehen mögliche Benefits der grünen Gentechnik eher in anderen Bereichen.

"Offener denn je bleibt zudem die Frage, wie nach rot-grünen Vorstellungen in Deutschland neue Arbeitsplätze überhaupt noch entstehen sollen, Die systematische Verhinderung von Forschung und Innovation ist nichts anderes als die systematische Verhinderung von Arbeitsplätzen", wetterte Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vor wenigen Wochen als wieder einmal um die grüne Gentechnik gestritten wurde (Grüne Forschungsfeinde?) Angesichts der über 5 Millionen arbeitslosen Menschen in Deutschland schmerzen solche ein Vorwürfe.

Doch wie sehen es die Gegner der Agro-Gentechnik, fühlen sie sich als Jobvernichter? "Wer mit dem Beschäftigungs-Argument ein schwaches Gentechnik-Gesetz erreichen will, führt eine Scheindebatte um Potemkinsche Arbeitsplätze", erklärte Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) kürzlich und legte auch gleich Zahlen vor:

Unsere Branche konnte 2004 ein Umsatzwachstum von 10 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro realisieren. Im vergangenen Jahrzehnt wurden 75.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Dies muss man in Relation zur Agro-Gentechnik sehen. Nur wenige hundert Arbeitsplätze sind diesem Bereich zuzuordnen. Sie werden zu einem nicht unerheblichen Teil aus Steuergeldern bezahlt. Wenn die Agro-Gentechnik Arbeitsplätze hervorbringt, dann in den Laboren, in denen wir unsere Produkte auf Gentechnikfreiheit untersuchen lassen.

Felix Prinz zu Löwenstein

Agro-Gentechnik-Befürworter wiederum verweisen auf den weltweiten Anstieg von GV-Anbauflächen und prognostizierte Umsatzsteigerungen in diesem Bereich.

Doch wer hat nun Recht? Wie schätzen unabhängige Experten Beschäftigungseffekte im Segment der Agro-Biotechnik ein? Die Frage lässt sich gar nicht so einfach beantworten, zumal man schon sehr weit laufen muss, um überhaupt einen Wissenschaftler aufzuspüren, der sich jemals ausführlicher damit auseinandergesetzt hat. Telepolis fand einen - in den Niederlanden.

Anthony Arundel vom Maastricht Economic Research Institute untersuchte vor einigen Jahren im Auftrag der EU-Kommission u.a. das Beschäftigungspotenzial der Agrarbiotechnologie. Auf Telepolis-Anfrage schreibt er, dass er nach wie vor an ein großes Potential der grünen Biotechnologie glaube, allerdings vorrangig für Entwicklungsländer. Was Beschäftigungseffekte betrifft, so betont Arundel, dass konkrete Zahlen kaum vorliegen, zumal ökonomische Forschungen bisher vorrangig auf Produktivitätssteigerungen fokussierten. Tendenziell würden weltweit gesehen eher Arbeitsplätze verloren gehen, so Arundel, wenngleich auch nur in einem Ausmaß von "wenigen Prozentpunkten". Positive Effekte könnte es für die Forschungsabteilungen der Saatguthersteller bzw. Agro-Konzerne geben. Diese wenigen - dafür aber hoch qualifizierten - neuen Arbeitsplätze würden aber den zu erwartenden Verlust an Jobs in der Produktion nicht kompensieren können.

I am not aware of any quantitative estimates of the effect of GM on employment. Most research has focused on the effect of GM on revenues per hectare. In general, however, most first generation GM crops will reduce employment, either on the farm or in the input supplying sectors, but the effect on employment is likely to be fairly small - a few percentage points. The positive effect of GM is largely in the research departments of seed firms, but this employment effect is very small and does not cover expected employment losses. This is, of course, what one would expect. GMOs would not be economically viable if they increased employment needs (and hence production costs) for basic commodity crops such as corn, sugar beet, soyabeans, cotton, etc. In competitive markets, who would pay more for the same thing?

Anthony Arundel

Ähnlich sieht das auch der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Dolata vom Forschungszentrum Nachhaltigkeit (artec), Universität Bremen. Bereits 2001 warnte er vor überzogenen Hoffnungen. Selbst, dass mehr Beschäftigung in den Konzernen entstehen könnte, zweifelt er an:

Positive Arbeitsmarkteffekte sind von der Grünen Gentechnik nicht zu erwarten. Die Beschäftigungsentwicklung im großindustriellen Sektor ist negativ. Vor allem die Fusions- und Akquisitionspolitik der Großunternehmen, die immer das Ziel verfolgt, Einsparungen zu erzielen und Kapazitäten zusammenzulegen, ist arbeitsplatzvernichtend. Allein die Übernahme von Aventis Crop Science durch den Bayer-Konzern ist mit dem Abbau von 4.000 Stellen verbunden. Biotechnologiefirmen werden diese Arbeitsplatzverluste nicht ausgleichen können.

Und in einem Statement fügt er hinzu: "Allerdings kann die Einführung der Grünen Gentechnik ohnehin nicht mit Arbeitsplatzargumenten begründet werden."

Der Mythos vom Beschäftigungsmotor Agro-Gentechnologie scheint somit nicht haltbar zu sein. Und man sollte wohl eher jene Pro-Gentech-Argumente ernsthaft (fachlich und interdisziplinär!) diskutieren, die tatsächlich nicht von der Hand zu weisen sind. Etwa: Wie können stressresistente Pflanzen rasch entwickelt werden, die einen Nutzen für Entwicklungsländer darstellen beziehungsweise die absehbare Klimaveränderung überstehen? Und da gäbe es noch Vieles in diesem Bereich, das wirklich öffentliche (und nachvollziehbare) Diskussionen wert wäre. Mit Scheindebatten, angezettelt von Lobby-Gruppen, ist jedenfalls niemandem geholfen - und die Ernährungssicherheit für Menschen in Europa wie in allen anderen Kontinenten und insbesondere in den Entwicklungsländern wird damit ganz sicherlich nicht gewährleistet.