Jörg Tauss wurde SPD-Fraktion zu unbequem

SPD-Fraktion sagt Tschüs zu ihrem langjährigen Datenschutzexperten

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss ist seit Donnerstag nicht mehr für den Datenschutz in der SPD-Bundestagsfraktion zuständig. Dieser Rückzug ist eine Zäsur - und verheißt wenig Gutes für die zahlreichen Datenschutzvorhaben, die diverse Abgeordnete in der Presse angesichts der zahlreichen Skandale in diesem Jahr angekündigt haben..

Hintergrund des Eklats ist ein Eckpunktepapier zum Datenschutz, das Tauss’ Büro erarbeitet hatte. Über das umfangreiche Papier wird seit Wochen in den verschiedensten Fraktionsarbeitsgruppen abgestimmt, da es zahlreiche Bereiche wie Innen, Wirtschaft, Recht und Verbraucher betrifft.

Tauss' nomineller Nachfolger Michael Bürsch hatte vergangene Woche das Papier im Rohzustand dem Handelsblatt zugespielt. Über die Freude seiner Fraktionskollegen darf man gerne mutmaßen.

Dass Bürsch den Whistleblower der Fraktion spielte, war für Tauss Anlass genug, eine Klärung der Zuständigkeiten von der Fraktionschef Peter Struck zu verlangen – ganz nach dem etwas gefährlichen Motto: „Er oder ich.“ Bürsch war im Innenausschuss formell für zahlreiche Datenschutzaspekte zuständig - die inhaltliche Arbeit hatte jedoch vornehmlich das Büro Tauss geleistet. Zuletzt war jedoch Tauss mit seinem "Nein" gegen das BKA-Gesetz ausgeschert, was ihm in der Fraktionsspitze nicht unbedingt einen Bonus eingebracht hat. Sie entschied sich nun jedenfalls am gestrigen Donnerstagnachmittag überraschend für Bürsch. Mit ihm sind wohl auch diverse Einigungen mit der Unionsfraktion etwas geschmeidiger zu bewerkstelligen.

Tauss hatte sich seit 1997 mit dem Thema befasst. Am erfolgreichsten war er in Oppositionszeiten im Zusammenspiel mit dem bündnisgrünen Abgeordneten Manuel Kiper gewesen. Damals ging es um Themen wie die Kryptoregulierung, die der ehemalige Innenminister Manfred Kanther auf Drängen der USA favorisierte – aber auch bereits um die Speicherung von Verbindungsdaten.

Kiper musste seinen Sitz später für den designierten Umweltminister Jürgen Trittin räumen. In Regierungszeiten der SPD agierte Tauss eher glücklos aus der zweiten Reihe, musste sich durch zahllose Absprachen mit den Fraktionskollegen, aber vor allem mit den Ministerien fesseln lassen.

Bei den Grünen fand sich lange Zeit kein wirklicher Nachfolger für Kiper. Grietje Staffelt übernahm zunächst das Thema, um sich recht rasch der damals öffentlichkeitsträchtigeren Medienpolitik zuzuwenden. Danach verwaiste es für lange Zeit angesichts der von den Terroranschlägen vom 11.9.2001 ausgelösten rechtspolitischen Schockwellen, bis es schließlich von Silke Stokar adoptiert wurde.

Nun aber ist es schon sehr erstaunlich, dass die SPD-Bundestagsfraktion bereitwillig auf die Expertise ihres langjährigen Datenschutzexperten verzichtet - ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem das Thema Datenschutz wie kein anderes die Menschen nach Jahrzehnten wieder auf die Straße treibt. Offensichtlich ist in der Fraktion nicht wirklich angekommen, was dieses Querschnittsthema tatsächlich bedeutet - und dass es nicht eben mal über Nacht kompetent übernommen werden kann. In der Datenschutzszene dürfte das nun einige Schockwellen auslösen.