John McCain: Steinmeier gehört zur Appeasement-Schule Chamberlains
Politik im Schneesturm: Die Atomverhandlungen mit Iran und das unentwegte Arbeiten am totalitären Feindbild
Außenpolitik, amerikanisch-republikanisch: Weil die Nachrichten vor einem heranbrausenden Schneesturm warnten, wollten die Senatoren schnell ihr Flugzeug nach Hause erreichen, so setzten manche ihre Unterschrift recht hastig und unüberlegt unter den Brief an die iranische Führung, verfasst von einem freshman, einem Mann ohne große politische Erfahrung (siehe Atomvereinbarung: "Die Unterschrift des US-Präsidenten kann mit einem Strich zunichte gemacht werden"). Jetzt stehen sie zersaust im Wind.
Der iranische Außenminister belehrte sie über die Verbindlichkeiten internationaler Abmachungen, in der politischen Szene zu Hause wird ihnen selbst im eigenen Lager "Dilettantismus" vorgeworfen und bei den 5+1-Verhandlungen mit Iran werden beide Seiten tunlichst darauf achten, eine etwaige Vereinbarung mit einer UN-Sicherheitsratsresolution festzuklopfen.
Gegenstand der derzeitigen Verhandlungsrunden in Genf sind die Sanktionen, die in der UN-Sicherheitsratsresolution von 2006 aufgeführt sind. Einigen sich die Verhandlungspartner auf einen stufenweisen Abbau von Sanktionen, wie er im Gespräch ist, so wird dies in einer neuen Sicherheitsratsresolution münden. An der Verbindlichkeit der neuen Abmachungen wird nicht viel zu rütteln sein - auch wenn Obama für seine Unterschrift keine Kongressmehrheit im Rücken hat, worauf die 47 Unterzeichner die Teheraner Führung in ihrem Schneesturm-Brief aufmerksam machten.
Kann man also mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Verhandlungspartner infolge des Senatorenbriefes noch mehr Druck von außen verspüren, tatsächlich handfeste Ergebnisse zu erreichen, so gehört die Annahme, ob der Brief eine grundsätzliche Rolle dabei spielt, ob es überhaupt zu einer Einigung im Atomstreit zwischen den 5+1-Staaten und Iran kommt, zu einer Spekulation zweiter Ordnung. An der wird ersichtlich, welche Kräfte und Konflikte im Hintergrund wirken. Deren Zischeleien lassen nichts Gutes ahnen für den Fall, dass es zu keinem Konsens in der Atomfrage kommt.
Steinmeier zu soft, "keine Glaubwürdigkeit"
Der deutsche Außenminister hat bei seinem USA-Aufenthalt den Brief kritisiert. Die Verhandlungen seien ohnehin schwierig genug, die Aktion der Senatoren habe sie noch schwieriger gemacht. Das sei keine triviale Sache. Darauf reagierte der Falke unter den Unterzeichnern, John McCain, mit einer Beleidigung. Er positionierte Steinmeier unter die Politiker, die nicht wissen, wann sie es mit Nazis zu tun haben, und wie man mit Nazis umzugehen habe, nämlich rauh und robust, keinesfalls zu soft.
Steinmeier habe "keine Glaubwürdigkeit", so McCain in seiner Replik auf die Kritik des deutschen Außenministers am diplomatisch destruktiven Brief. Zur Begründung holte McCain weiter aus, bis zur Ukraine und Russland. Der deutsche Außenminister sei derselbe Typ, der in seiner Regierung "jede Restriktion gegen das Verhalten Putins ablehnt", Damit gehöre Steinmeier zur "diplomatischen Schule von Neville Chamberlain".
Der frühere britische Premier steht für die fatale Appeasement-Politik gegen die Forderungen Nazi-Deutschlands, die zur Annektion des Sudentenlands führten (Münchner Abkommen, 1938). Der Vorwurf der Beschwichtigungspolitik kommt regelmäßig vonseiten der Hardliner, wenn deren politische Gegner versuchen, nicht-militärische Lösungen für einen Konflikt zu finden. Dazu gehört als Voraussetzung das Feindbildframing: Iran als Staat mit totalitärer, expansionistischer Führung, die die Welt bedroht, Russland unter Putin mit ebensolchen Zügen, zuvor Saddam Hussein mit Massenvernichtungswaffen etc.
Netanjahus Entweder-Oder Position bringt viele in Schwierigkeiten
Netanjahu, der der Welt 2002 in Aussicht stellte, dass die Befreiung Iraks von der Herrschaft Saddam Husseins eine blühenden friedlichen Nahen Osten zur Folge hätte, warnt seit Jahren vor der Bedrohung durch Iran, verlässlich unterlegt mit Hinweisen auf das nationalsozialistische Mörderregime. So auch vor kurzem vor dem Kongress.
Das bringt viele in Schwierigkeiten, die Sympathie mit dem Staat Israel haben, weil der israelische Premier auf Entweder-Oder-Positionen setzt: Wer im Fall Iran nicht auf seiner Linie ist, schadet Israels vitalen Interessen, steht also auf der falschen Seite, lautet die Vorgabe. So stehen diejenigen, der die Einschätzung Netanjahus und seiner politischen Gefährten nicht teilt und die Bedrohung durch den Iran relativiert, auf Verhandlungen setzt, die nicht allein auf Drosseln und Druck setzen, sondern auf Kooperation, schon halb im feindlichen Feld.
Für die Juden in den USA, die ihrer politischen Überzeugung nach auf Seite der Demokraten stehen, vielen Berichten zufolge die Mehrheit der jüdischen Amerikaner, ergibt sich daraus ein Dilemma, das in einem Haaretz-Bericht sehr anschaulich wiedergegeben wird. Und ebenso der Schluss, der immer öfter aus der harten Linie Netanjahus gezogen wird: dass immer mehr pro-israelische Gesinnte einen Unterscheidung zwischen Israel und seiner politischen Führung treffen. Das sei neu und habe unbekannte Implikationen für die Zukunft.
Die Lobbyorganisation AIPAC: auch hinter dem Senatoren-Brief?
Altbekannt und den politischen Ambitionen, die auf Kooperation und "Grautöne statt Schwarz-Weiß" (Steinmeier) aus sind, entgegengesetzt, ist die politische Arbeit der Lobbyorganisation AIPAC, wie dies Peter Beinhart sehr kritisch in seinem Buch "Die amerikanischen Juden und Israel" aufblätterte. So ist es keine große Überrschaung, wenn nun in Veröffentlichungen aufgezeigt wird, dass der Verfasser des Briefes an die iranische Führung, wie auch Unterzeichner, mit israelischen Lobbyorganisationen und derem Netzwerk in bestem Einvernehmen stehen, was sich auch in Spenden bemerkbar machte.
Kommt es zu keiner Einigung der 5+1 mit Iran, so steht mit einer republikanischen Führung unter Präsident Jeb Bush vielleicht kein Schneesturm, aber eine Eiszeit zu bevor, nicht ausgschlossen, dass es dann einige unüberlegten, hastige und beschränkten politische Aktionen geben wird. Auch Ayatollah Khameneis Antwort auf den Brief der Senatoren spricht nicht unbedingt in allen Teilen dafür, dass die politische Weisheit auf der Seite der iranischen Führung besser gedeiht und ausgeprägter ist. Aber immerhin setzt er weiter auf Verhandlungen.