KI: Der neue Dotcom-Crash?
Seite 2: Aufsicht? Warum niemand die eigentlichen Kosten kennt
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Die Integration von KI in alltäglich genutzte Technologien wie Suchmaschinen habe erhebliche, oft unsichtbare Umweltkosten, heißt es in Jacobin.
Jede KI-gestützte Google-Suche verbrauche etwa drei Wattstunden Strom, und damit zehnmal mehr als eine herkömmliche Suche, zitiert das Magazin Alex de Vries, der sich auf seinem Blog Digiconomist mit der ökonomischen Folgenabschätzung technologischer Entwicklungen befasst.
Eine Integration von KI in alle Google-Suchanfragen könnte dem Stromverbrauch eines gesamten Landes wie Irland entsprechen.
Weiterhin bleibe der tatsächliche Strom- und Wasserverbrauch von KI-Systemen oft im Dunkeln, heißt es bei Jacobin. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil es keine Pflicht zur Offenlegung entsprechender Daten gebe, wie Merve Hickok von der US-NGO Center for AI and Digital Policy ausführt. Diese Geheimhaltung erschwere es Versorgungsunternehmen und Regulierungsbehörden, die Auswirkungen nachzuvollziehen und (gegen) zu steuern.
Eine Gruppe ehemaliger OpenAI-Mitarbeiter warnte Anfang Juni in einem offenen Brief, dass KI-Unternehmen starke finanzielle Anreize verspürten, einer wirksamen Aufsicht zu entgehen und eine Selbstüberwachung durch "maßgeschneiderte Corporate-Governance-Strukturen" nicht ausreiche, um an dieser Intransparenz Grundlegendes zu ändern.
Zusätzlich verkompliziert werde die Situation dadurch, dass im Zuge der KI-Expansion auch die Verflechtungen zwischen den Interessen privater Unternehmen und öffentlicher Einrichtungen immer engmaschiger würden.
37 Rechenzentren mit Strombedarf von rund 750.000 Haushalten
Als Beispiel führt Jacobin das Digital Gateway-Projekt in Virginia an, das bis zu 37 neue Rechenzentren vorsieht und mindestens drei Gigawatt Strom benötigen wird.
Das entspreche dem Strombedarf von rund 750.000 Haushalten. Wie das Magazin ausführt, kämen IT-Unternehmen im Zuge solcher Projekte oftmals in den Genuss spezieller, ermäßigter Stromtarife – ein Zugeständnis, das die jeweiligen Kommunen mit "Investitionen in die Region" begründeten.
Allerdings würden die Kosten für diese Ermäßigungen auf die Gesamtheit der übrigen Stromkunden abgewälzt. Eine Praxis, die der Chef der Verbraucherschutzbehörde des US-Bundesstaats Maryland, David Lapp, als "grundsätzlich unfair" beschreibt.
Wasserbedarf so groß wie der von Großbritannien
Hinzu kämen außerdem die ökologischen Auswirkungen der Serverfarmen, die für das Angebot jener vermeintlich immateriellen KI-Dienstleistungen erforderlich sind. Jene Rechenzentren, die sich oftmals in wasserarmen Gebieten befinden, verbrauchten nicht nur enorme Mengen an Strom, sondern seien auch auf große Mengen an Wasser zur Kühlung angewiesen.
Eine von Jacobin zitierte Studie schätzt, dass der weltweite Wasserbedarf für Rechenzentren in den nächsten Jahren halb so groß sein könnte wie der des Vereinigten Königreichs.
CO2-Emissionen von Microsoft et al. um 30 Prozent gestiegen
Die physischen Auswirkungen des Digitalen laufen Jacobin zufolge nicht nur dem Gebot des schonenden Umgangs mit Ressourcen zuwider, sondern auch den Klimaschutzbemühungen und der Netto-Null-Ziele bis 2030, die große IT-Unternehmen für sich beanspruchen.
So seien die CO2-Emissionen von IT-Unternehmen wie Microsoft 2023 um 30 Prozent gestiegen.
Ein Bericht der US-amerikanischen NGO Electric Power Research Institute prognostiziert, dass KI bis zum Ende des Jahrzehnts etwa neun Prozent des gesamten Energiebedarfs der USA ausmachen könnte. Diese Entwicklung verlangsame den Übergang zu grüner Energie erheblich, so das US-Magazin.
Als möglichen Ausweg aus diesem Missstand beschreibt Jacobin die Einführung einer CO2-Steuer für Unternehmen. Diese könne helfen, die wahren Kosten des Energieverbrauchs abzubilden und Anreize für eine effizientere Nutzung von Ressourcen zu schaffen.
Einen Grund dafür, dass die verborgenen Umweltkosten der KI und deren Abwälzung auf die Gesamtbevölkerung nicht Gegenstand öffentlicher Untersuchungen sind, sieht Grant Fergusson vom Electronic Privacy Information Center auch darin, dass die Technologieunternehmen durch ihre Lobbyarbeit erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben.
Tatsächlich zeigt ein Bericht der US-amerikanischen NGO Public Citizen vom Mai 2024, dass die Zahl der Lobbyisten für KI-Themen 2023 um 120 Prozent gestiegen ist.
"Wo Gefahr ist, wächst das Rettende"?
Auch Jacobin muss allerdings bekennen, dass KI, "wie jede Technologie, sowohl auf gute als auch auf schlechte Weise eingesetzt werden" kann. Behauptungen wie derjenigen von Microsoft, dass KI dazu beitragen könne, klimafreundliche Lösungen in Form von Methoden zur Kohlestoffabscheidung oder einer effizienteren Produktion erneuerbarer Energien zu entwickeln, scheint Autorin Parshley allerdings eher skeptisch gegenüberzustehen.
Auch dieser emanzipatorische Gesichtspunkt zählt zur kanonischen Auseinandersetzung mit dem ambivalenten Verhältnis des Menschen zur Technologie. Martin Heidegger hat ihn in "Die Technik und die Kehre" (1962) mit den Worten Friedrich Hölderlins beschrieben: "Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch."