KI-Gesetz: EU legt Künstlicher Intelligenz Zügel an – zu wenig, zu spät?
Künstliche Intelligenz wird alle Lebensbereiche erfassen. Energie- und Ressourcenverbrauch inbegriffen. Wo bleibt im KI-Gesetz die Nachhaltigkeit?
Die EU ist einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem KI-Gesetz. Am Freitag stimmten die Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsländer für den Entwurf des "Artificial Intelligence Act". Nun muss nur noch das Europäische Parlament zustimmen, damit das Regelwerk in Kraft treten kann.
Grenzen der KI: Cybersicherheit und die roten Linien
In erster Linie geht es um Fragen der Cybersicherheit. Als hochriskant eingestufte Anwendungen von Künstlicher Intelligenz sollen mit dem Gesetz reglementiert werden, wie etwa solche, die in Auswahlverfahren von Bewerber:innen oder bei der Vergabe von Krediten eingesetzt werden. Manche Einsätze von KI bleiben auch ganz verboten.
Lesen Sie auch:
So darf diese weder manipulieren noch täuschen und oder sozialen Bewertungen ("social scoring") vornehmen. Das Sammeln biometrischer Daten oder deren Auswertung und Kategorisierung wird ebenfalls stark reglementiert – mit Ausnahmen für Sicherheitsbehörden.
Der vergessene Klima-Gigant: KI und ihr Durst nach Energie
Abgesehen von Fragen der Datensicherheit, der Nicht-Diskriminierung und dem Verhindern von Manipulation gibt es einen weiteren Aspekt, der in den Gesetzentwurf kaum Eingang gefunden hat. Je mehr Künstliche Intelligenz trainiert und eingesetzt wird, je mehr Rechenleistung ist erforderlich, mit entsprechendem Energie- und Ressourcenverbrauch.
Forschende des Projekts "SustAIn" kritisieren, dass Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte im KI-Gesetz der EU zu wenig Berücksichtigung finden. SustAIn ist ein gemeinsames Projekt des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), von AlgorithmWatch und dem Distributed Artificial Intelligence Labor der TU Berlin. Während der dreijährigen Laufzeit entwickelten die Forschenden Kriterien für die Nachhaltigkeitsbewertung von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz.
Ein Schritt vor, zwei zurück? Die Umweltbilanz von KI
Kilian Vieth-Ditlmann von Algorithm Watch räumt zwar ein, "dass der AI Act erste Schritte geht, um die Umweltrisiken von Künstlicher Intelligenz nachvollziehbar zu machen." Darüber hinaus sollten aber auch Mess- und Reporting-Standards für die Phase der KI-Nutzung entwickelt werden.
Denn bislang bezögen sich Angaben zu Energieverbrauch und Emissionen häufig nur auf den Trainingszyklus der Programme. "So bleibt das Bild unvollständig. Berücksichtigt man zusätzlich die Hardwareproduktion und die Betriebsenergie, kann sich der Emissionswert schnell verdoppeln", erklärt KI-Expertin Friederike Rohde vom IÖW.
ChatGPT: Der Eisberg unter der Oberfläche
ChatGPT, das Programm, mit dem die Künstliche Intelligenz schlagartig in der breiten Bevölkerung ankam, beziehungsweise von dieser bewusst wahrgenommen wurde, ist ein sogenanntes "Large Language Model" (LLM), bei dem Sprache evaluiert und ausgegeben wird. Die Forschenden von SustAIn schreiben, dass die LLM zwischen 30 und 552 Tonnen CO2-Äquivalente für das Training des Programms aufwenden.
"Diese Berechnung berücksichtigt jedoch weder die Herstellung der für das Training der Modelle verwendeten Hardware noch die Emissionen, die beim Einsatz dieser Modelle eingesetzt werden." Hinzu käme weiterer Energieverbrauch in den Rechenzentren, etwa für Kühlung oder Beleuchtung. Neben Energie setzen die Rechenzentren zur Kühlung häufig auch Wasser ein, was vor allem in trockenen Regionen ein Problem sei.
Grüne KI oder grüne Waschmaschine? Chancen und Pflichten
Und während oftmals Daten zur Energieeffizienz der IT erhoben werden, fehlten Angaben zu CO2-Emissionen und Wasserverbrauch. Das zukünftige KI-Gesetz könnte Unternehmen erstmals dazu verpflichten, Informationen über die Umweltauswirkungen bestimmter KI-Systeme zu messen und offenzulegen.
Künstliche Intelligenz wird vermutlich fast alle Lebensbereiche verändern. Dabei kann sie genauso die Energiewende und den Klimaschutz unterstützen wie auch neue Formen von unnötigem Energieverbrauch vorantreiben.
Mehr als CO2: Die soziale und wirtschaftliche Dimension von KI
So kann sie beispielsweise einen Beitrag leisten für die Netzintegration erneuerbaren Stroms und ein entsprechendes Verbrauchsmanagement. Sie kann aber auch für neue, energiefressende Anwendungen gebraucht werden, etwa für personalisierte Werbung, wie im Policy Paper des Projekts dargestellt wird.
Die Nutzung von Suchmaschinen, Social Media etc. ermöglichen es, immer genauere Datenprofile von Nutzer:innen anzulegen, sodass jedem und jeder möglichst die passgenaue Werbung ausgespielt werden kann – mit dem entsprechenden Daten- und Energieverbrauch, versteht sich.
Monopole und Marktmacht: Die dunkle Seite der KI-Entwicklung
Betont wird in dem Papier aber auch, dass Nachhaltigkeit über die reinen Umweltauswirkungen der Technologie hinausgehen sollte. Diese sollte auch soziale Aspekte wie Transparenz, Diskriminierungsfreiheit, den Schutz der Privatsphäre und kulturelle Sensibilität umfassen, ökonomische wie etwa einen gleichberechtigten Zugang zu Märkten und faire Arbeitsbedingungen in der Branche – auch für die Beschäftigten im Globalen Süden.
"Aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht liegen die problematischen Tendenzen der KI-Entwicklung in einer starken Marktkonzentration in der KI-Industrie begründet, die zu globalen Verteilungsungerechtigkeiten, hohen Eintrittsbarrieren für neue Marktakteure, ungleichem Zugang zu Daten und Ausbeutung von Arbeitskräften führen."