Kairo in Wisconsin
Seite 2: Haushaltskrise und "Unionbusting"
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Das von Republikanern in Wisconsin ausgearbeitete Sparprogramm sieht massive Einsparungen im öffentlichen Dienst des US-Bundesstaates vor. Den circa 170.000 Beschäftigten droht eine stärkere Beteiligung an den Beiträgen zur Renten- und Gesundheitsversicherung, die zu einer enormen finanziellen Mehrbelastung führen würde.
Ein Lehrerehepaar rechnete vor, dass es nach Umsetzung des angestrebten Sparprogramms mit Mehrhausgaben von 1.200 US-Dollar zu rechnen hätte - monatlich! Von diesen Maßnahmen sollen - vorerst - Polizisten verschont bleiben. Doch Walkers entscheidender Schlag gegen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst scheint auf den ersten Blick überflüssig, da hierdurch unmittelbar keine finanziellen Einsparungen erreicht werden. Die Republikaner wollen den Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst ihr Tarifrecht nehmen. Kollektive Lohnverhandlungen sollen laut den Gesetzesvorhaben extrem erschwert werden, zudem dürften künftig die Gewerkschaften nicht mehr die Mitgliedsbeiträge vom Lohn direkt abziehen.
Das Gesetz gilt als ein Testlauf, der für republikanische Gouverneure in anderen Bundesstaaten als Vorlage für ähnliche Gesetzesvorhaben dienen könnte. Den Republikanern gehe es darum, den Arbeitern im öffentlichen Dienst das anzutun, was im privaten Sektor längst durchgesetzt wurde: "Die Zerstörung der Gewerkschaften und die Nötigung der Arbeiter, gegeneinander um die Küchenabfälle zu kämpfen", kommentierte Marketwatch.
Begründet wird dieser radikale Kahlschlag bei Arbeiterrechten und Sozialleistungen mit einem Haushaltsnotstand, mit dem sich Wisconsin konfrontiert sieht. In diesem Jahr droht dem US-Bundesstaat ein Haushaltsdefizit von 137 Millionen US-Dollar, das binnen der nächsten zwei Jahre auf 3,6 Milliarden US-Dollar anwachsen würde, sollten keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die von Walker angestrebten Kürzungen im Öffentlichen Dienst sollen zu Einsparungen von rund 300 Millionen US-Dollar innerhalb der kommenden zwei Jahre führen. Zu dieser angespannten Haushaltslage trug die Rezession in den USA bei, die in Wisconsin zu sinkenden Steuereinnahmen in Höhe von 7 % zwischen 2008 und 2009 führte. Zudem stieg die Arbeitslosigkeit in dem US-Bundesstaat um 4 %, so dass die Sozialausgaben entsprechend anwuchsen. Krisenbedingt sinkende Steuereinnahmen und steigende Ausgaben trugen unzweifelhaft zu der Haushaltskrise bei.
Verstärkt wurde dieses Haushaltsdefizit aber noch durch die Steuersenkungen, die Gouverneur Walker gleich nach Amtsantritt Anfang 2011 durchsetzte, und die zu jährlichen Mindereinnahmen von rund 117 Millionen US-Dollar führen werden. Diese Steuersenkungen kamen zumeist lokalen Unternehmern und der Gesundheitsindustrie in Wisconsin zugute. Ohne diese erst vor Kurzem erlassenen Steuergeschenke für Unternehmer und Vermögende würde sich die Haushaltslage in dem US-Bundesstaat bei weitem nicht so dramatisch gestalten.
Der von Walker postulierte Haushaltsnotstand ist somit von diesem zum großen Teil selbst verschuldet worden. Überdies wurde in Wisconsin seit 2003 eine ganze Reihe von Steuersenkungen verabschiedet, die zu kumulierten Steuerausfällen von 3,6 Milliarden US-Dollar führten, und die in 2013 jährliche Mindereinnahmen von 800 Millionen US-Dollar mit sich bringen werden.
Die amerikanische Schuldenkrise
In einer ähnlich schweren Finanzlage wie Wisconsin befinden sich aber noch viele andere US-Bundesstaaten. Im Endeffekt ist die Schuldenkrise der Vereinigten Staaten von Amerika noch schwerwiegender als die in der Europäischen Union. Rund zehn US-Bundesstaaten weisen Haushaltsdefizite von mehr als 20 Prozent des Gesamthaushalts auf, wobei insbesondere Kalifornien, Nevada, Illinois und Texas von einem Bundesstaatsbankrott bedroht sind.
Der prozentuale Anteil der Haushaltslöcher an den Gesamteinnahmen des Haushalts beträgt etwa in Nevada stolze 45,2 %, in Illinois sind des 44,9 %, in Texas 31,5 % und in Kalifornien 29,3 %. Die Mehrheit der amerikanischen Bundesstaaten ist mit Defiziten von mehr als 10 % ihrer Gesamteinnahmen konfrontiert. Insgesamt fehlen den allen Teilstaaten der USA im Haushaltsjahr 2012 rund 125 Milliarden US-Dollar.
Diese durch die Weltwirtschaftskrise und eine neoliberale Steuersenkungspolitik zugunsten von Unternehmen sowie Vermögenden verursachten Haushaltslöcher führen nun zu den radikalen Kürzungsprogrammen und Sparpaketen, unter denen vor allem sozial Schwache und die Lohnabhängigen der USA zu leiden haben werden. Insofern sind die Auseinandersetzungen in Wisconsin tatsächlich nur ein Vorgeplänkel auf die Kahlschlagspolitik, die bald bundesweit zwischen New York und Los Angeles zur Anwendung gelangen wird. Diese Haushalskürzungen werden auch die Illusion einer allmählichen wirtschaftlichen Erholung in den Vereinigten Staaten zerstören, da hierdurch ein enormer Einbruch der Binnennachfrage ausgelöst werden dürfte.