Kalifornien: Wie die Tech-Elite die Kultur neu definiert
- Kalifornien: Wie die Tech-Elite die Kultur neu definiert
- Den Staat eher abschaffen: Dafür mehr Technologie
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Technologiegiganten und ihre Vision von der Zukunft: Kritiker sehen eine Pervertierung linken Denkens. Ist die westliche Demokratie überaltert?
Nicht ohne Grund wird Kalifornien immer wieder als der äußerste Rand der westlichen Welt beschrieben. Dort, wo die USA an den Pazifik grenzen, scheinen immer wieder kulturelle und ideologische Extreme aufeinanderzustoßen und sich manchmal sogar miteinander vermengen.
Das Resultat ist eine bunte Mischung kultureller Extreme, welche die einzigartigen kreativen und subkulturellen Szenen des Küstenstaates ausmachen und seit Jahrzehnten bei einem internationalen Publikum Anklang finden.
Mit den kulturellen Erzeugnissen aus Film, Literatur und Kunst wird auch immer ein Stück kalifornische Ideologie mitgeliefert. Einst waren es die Hippies, Yuppies oder Punks, aber auch immer die Musik- und Filmindustrie, welche diese Ideologie prägten.
Die "Dunkle Aufklärung"
Derzeit, jedoch, ist es mehr und mehr die Tech-Industrie, die in Kalifornien den Ton angibt. Angeblich planen Tech-Giganten wie Apple große Summen in die Filmindustrie Hollywoods zu investieren.
Angesichts ihres ständig steigenden Einflusses auf die kulturelle Produktion in den USA ist es sinnvoll, darauf zu achten, welche Ideologien Start-up-Szene und Tech-Industrie untermauern. Die vielleicht besorgniserregendsten ist die obskure, neu-reaktionäre Theorie der "Dunklen Aufklärung", die vor allem durch das Internet an Verbreitung gewonnen hat.
Pervertierung linken Denkens zu neofaschistischen Ideen
Die von Nick Land begründete Theorie enthält für den US-amerikanischen Faschismus typische Merkmale – allen voran, dass sie auf linken Ideen aufbaut – wird aber von Anhängern wie auch Kritikern oft als neu-reaktionär bezeichnet.
Die Pervertierung linken Denkens zu neofaschistischen Ideen, wie es ihm Kritiker vorwerfen, spiegelt sich in der Karriere ihres Schöpfers, Nick Land.
Lands Karriere begann in den 1990er-Jahren in England als Dozent an der University of Warwick. Dort gründete er zusammen mit Sadie Plant und später Mark Fisher die CCRU (Cybernetic Culture Research Unit). CCRU gilt als treibende Kraft hinter dem Akzelerationismus, einem theoretischen Konzept, das sich besonders in den 2010er-Jahren einiger Popularität erfreute.
Akzelerationismus: Die Umarmung des Fortschritts
Akzelerationismus ist eine linke politische Haltung, die Fortschritt und Technologie in der modernen Welt der Abstraktion und Komplexität umarmt und dem entgegenwirkt, was sie als Linken Kult der Entschleunigung wahrnimmt.
Gleichzeitig gilt die Theorie als Absage gegenüber der Idee, der Kapitalismus habe gesiegt, wie in Francis Fukuyamas einflussreichen Text Ende der Geschichte behauptet wird, und beschwört stattdessen den unabwendbaren Kollaps des kapitalistischen Systems.
"Die westliche Demokratie ist überaltert"
Während Mark Fisher und andere der Linken treu blieben, wurde aus Lands Kritik an linken und liberaler Ideologien neu-reaktionäres Gedankengut. Seit seiner Zeit als Professor schreibt Land online unter verschiedenen Pseudonymen. In seinen Veröffentlichungen behauptet er, die westliche Demokratie sei überaltert.
Weiterhin äußerte er sich ganz in der kryto-faschistischen Tradition der Alt-Right positiv zu Konzepten "menschliche Artenvielfalt" und "kapitalistische Menschensortierung", die vor allem dazu gedacht sind, soziale und globale Ungerechtigkeiten auszublenden und sich dabei auf alte sozialdarwinistische Ideen stützen.
Auch betont Land immer wieder den kommenden "Zerfall der menschlichen Spezies" und behauptet, dieser komme, sobald die künstliche Intelligenz ausreichend fortgeschritten ist. Es fällt schwer, in solchem Gerede nicht eine Form des faschistischen Todestriebes zu lesen.
Lands Hoffnung: die Beschleunigung von kapitalistischen und technologischen Prozessen, die dann unweigerlich zu einer Transformation oder zum Zusammenbruch der existierenden Gesellschaft führen sollen.
Aus der Asche der Alten Welt: die CEO-Zukunft
Aus der Asche der Alten Welt soll dann eine neue entstehen, in der sich das soziale Leben in einer Art Techno-Feudalismus abspielt. In dieser Zukunft würden große Nationalstaaten, die auf liberalen Institutionen basieren, durch kleinere Staaten ersetzt, die von CEOs geleitet und beherrscht werden.
Das klingt nach einer dunklen Zukunft, doch leider existieren schon die ersten real existierenden Beispiele für solche oder ähnliche Projekte. US-amerikanische Libertäre versuchen immer wieder Sphären außerhalb sozialer und staatlicher Kontrolle zu schaffen.
Zuletzt haben es einige Anhänger dieser Ideologie versucht, frei nach Ayn Rand ihr eigenes Galt's Gulch zu gründen. Es ist vielleicht kein Zufall, dass es sich bei vielen der Investoren in dem mittlerweile gescheiterten Projekt um Bitcoin-Anleger handelte.