Kampf um Ohio
Im US-Bundesstaat laufen Wahlkampf und Rivalen zur Höchstform auf
Es sind keine 90 Tage mehr, bis am 6. November 2012 der neue oder alte US-Präsident gewählt wird. Es werden insgesamt 50 Bundesstaaten abstimmen, doch für Barack Obama und Mitt Romney scheint in den letzten Wochen nur ein einziger zu zählen: Ohio. Die Entscheidung des Industriestaats gilt als richtungsweisend dafür, wer vom Januar 2013 an im Weißen Haus regiert. Vor allem Mitt Romney muss sich ins Zeug legen: Noch nie wurde ein Republikaner zum Präsidenten gewählt, wenn er nicht vorher Ohio gewann. Für einen Demokraten gilt das erst seit John F. Kennedy. Die Statistik sieht für Barack Obama also nicht ganz so düster aus, ausruhen darauf kann und will er sich aber nicht.
Vor vier Jahren gegen John McCain entschied Obama das Rennen um Ohio mit einem Vorsprung von lediglich vier Prozentpunkten oder 207.000 Wählerstimmen. Ein hauchdünner Sieg, der dieses Jahr bei landesweit weiterhin über acht Prozent Arbeitslosigkeit mit Sicherheit nicht deutlicher ausfallen wird. Wie wichtig dem Präsidenten ein Sieg hier ist, zeigt sein eigener Einsatz vor Ort: Bereits neun Mal hat Obama sich in diesem Jahr persönlich blicken lassen, seine knapp bemessene Zeit für Ansprachen, Bustouren und Restaurantbesuchen gewidmet, und damit indirekt seine 45 lokalen Wahlbüros unterstützt. Seit Amtsantritt ist es sein 25. Besuch - man könnte auch sagen, Obama hat nach seinem Sieg 2008 nie aufgehört, Wahlkampf zu machen in Ohio.
Da passt es ins Bild, dass er zusätzlich zu den Auftritten die Kriegskasse für Ohio extra weit hat öffnen lassen: In keinem anderen Bundesstaat lässt Obama so viele TV-Werbespots von sich und gegen Romney schalten wie hier. Bisher hat er fast 30 Millionen US-Dollar investiert - 5 Millionen weniger als in Florida, einem weiteren Swing-State. Das Geld scheint gut angelegt. Es sind vor allem die "Negative-Ads", die Romney während seiner Arbeit bei der Private Equity Firma Bain Capital als Outsourcer von Jobs nach China darstellen und dessen Bankkonten in Steueroasen wie der Schweiz und Bermuda anprangern, welche die erhofften Resultate einbringen.
"Es ist irgendetwas Zwielichtiges daran," drückt ein unabhängiger Wähler aus Ohio gegenüber der Los Angeles Times seine Bedenken aus, "dass (Romneys) Geld nicht in der Heimat, sondern auf ausländischen Konten liegt."
Immerhin, so der Mann weiter, hätte auch die Mafia ihr ganzes Vermögen bei Offshore-Banken gebunkert. Laut einer aktuellen Umfrage der New York Times und des Fernsehsender CBS führt Obama mit sechs Punkten vor Romney in Ohio 44 zu 50 Prozent.
Die Nase voll vom "Werbe-Blitz"
Obamas Bonus bei der Arbeiter-Bevölkerung durch die Rettung der lokalen Autoindustrie vor drei Jahren, macht es Romney nicht leichter. Doch er hat genug Geld zur Verfügung, um seine Version der Geschichte zu erzählen. Knapp 26.5 Millionen US-Dollar flossen bisher über die Mattscheiben in Ohio. Allein in der vergangenen Woche investierte er mit 5.25 Millionen 2 Millionen mehr als Obama im gleichen Zeitraum. In einem seiner neusten Videos, Dream, heißt es, als Folge von Obamas Auto-Bailout hätten tausende Autoverkäufer ihre Geschäfte schließen müssen: "Für all diese kleinen Gewerbe war Hope und Change nicht so angenehm."
Bei all dem Geld - insgesamt gaben beide Kandidaten 457 Millionen US-Dollar für Fernsehwerbung aus, davon fielen 88 Millionen auf Ohio - wundert es wohl kaum, dass einige in der Bevölkerung bereits die Nase voll haben vom politischen "Werbe-Blitz". "Ich versuche gar nicht mehr hinzuhören, es ist sowieso alles dirty politics," sagt eine allein erziehende Mutter aus Ohio gegenüber der Washington Post. Ein anderer beschwert sich darüber, dass er vor allem "Negative-Ads" zu sehen bekäme. Dabei spielt sich das Gerangel um Ohios 18 Wahlstimmen längst nicht nur auf dem Fernseher ab, sondern mittlerweile auch vor Gericht.
Streit ums "Early Voting"
Obama will das von den Republikanern geänderte Wahlverfahren beim Early Voting wieder zurücksetzen lassen und hat Klage eingereicht. Vor vier Jahren durften alle Bürger noch bis Montag, also einen Tag vor der Wahl, ihre Stimmen abgeben. 2012 gilt das nur noch für Personen des Militärs. Alle anderen müssen ihr Kreuz schon Freitag davor gezeichnet haben - aus Kostengründen, heißt es von Seiten der Republikaner; und sicherlich wohl wissend, dass bei der knappen Niederlage 2008 genau in diesen letzten drei Tagen für Obama 93.000 Personen gestimmt haben. Alle Wähler sollen das gleiche Recht und den gleichen Zeitraum zum Abstimmen haben, heißt derweil die Begründung der Demokraten, Klage einzureichen um die alte Regelung des Early Voting wieder herzustellen.
Und so gibt es seit einigen Tagen eine weitere Front bei der Schlacht um Ohio. Es sei "verabscheuungswürdig", ließ Romneys Kampagne über die Medien verbreiten, dass Obama die rechtliche Entscheidung, die in Ohio getroffen wurde, anfechten wolle, und den Soldaten die extra drei Tage nicht gönne. Worauf David Axelrod, Obamas oberster Wahlkampfleiter, am Wochenende konterte: Es sei "beschämend" für Romney, dass er sich hinter den Soldaten verstecke, um einen Prozess zu gewinnen, der Bürger vom Wählen abhalte. In Ohio zählt jede Stimme.