Kampf um das Recht

Seite 5: Demokratie braucht Recht

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In seiner Entscheidung zum Sternmarsch hat das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung des Demonstrationsrechts für die Demokratie als wichtiges Instrument der Machtkritik hervorgehoben und die Behörden für ihre grundrechtsnihilistischen Sicherheitskonzepte gerügt. Auch wenn es sich nicht getraute, den letzten, konsequenten Schritt zu tun und die Demonstrationen zu genehmigen, hat es dem Protest seine Legitimation und seine Bedeutung für den freiheitlichen gesellschaftlichen Entwicklungsprozess zurückgegeben.

Zugleich aber hat es deutlich gemacht, dass diese Rechte nur in einem Staat wahrgenommen werden können, der sie auch schützt. Gesellschaftliche Entwicklung und gewaltfreie Kritik sind also nur in einem gehegten Rechtsraum möglich. Dass sich die Demonstranten ihr Recht letztlich nur in einem Akt des Widerstands gegen gerichtliche und polizeiliche Verbote zurückerobern konnten, spricht dafür, dass den Polizeibeamten vor Ort dies letztlich auch bewusst war. Die Legal Teams haben mit ihrer Arbeit dafür gesorgt, dass solche Werte auch im herbeigeredeten Ausnahmezustand nicht vergessen wurden.

Die Arbeit des Legal Teams/Anwaltlichen Notdienstes war von viel Arbeit und guter Atmosphäre unter den Kolleginnen und Kollegen bestimmt. Allerdings haben uns die massiven Übergriffe der Polizei selbst überrascht. Letztlich ist jedoch die Eskalationsstrategie der BAO Kavala nicht aufgegangen. Es ist unverantwortlich, dass selbst Anwälte von der Kavala nicht als Organe der Rechtspflege, sondern als Feinde betrachtet werden. Vor allem dem besonnenen Vorgehen der Demonstranten und der Anwälte ist es zu verdanken, dass die Lage nicht weiter eskaliert ist. Das polizeiliche Vorgehen war an vielen Stellen eines demokratischen Rechtsstaats unwürdig.

Martin Dolzer, Öffentlichkeitsreferent des RAV, Hamburg

Wenn die Kollegen bei den polizeilichen Aktionen oder in der GeSa den Eindruck hinterlassen haben, sie würden Anwälte als Feinde ansehen, ist das natürlich außerordentlich bedauerlich, lässt sich aber sicherlich durch die von Stress und Hektik geprägten Abläufe der letzten Tage erklären. Fakt ist jedoch, dass das Recht der Inhaftierten auf einen Anwalt jeder Zeit gewährt wurde. [...] Die Kollegen sind jedenfalls alle froh, dass es vorbei ist, sie nach Hause zu ihren Familien können und nichts Schlimmeres passiert ist. Wir werden in den nächsten Wochen unseren Einsatz und die Geschehnisse auszuwerten haben. Dabei wird es sicherlich auch Gespräche mit den Veranstaltern und den Anwälten geben. Die gab es ja auch vorher schon und auf dieser guten Basis können wir aufbauen und gegenseitig profitieren. Schließlich wird dies nicht das letzte Großtreffen in Deutschland gewesen sein. Wir können aus den positiven Ansätzen und kreativen Protestformen nur lernen.

Polizeihauptkommissar Lütjan, Pressestelle Kavala, NRW

Rostock-Laage, Freitag, 8.6.07, 20:00 Uhr: Als Daniel Becker mit dem Auto auf dem Heimweg nach Berlin wieder am Flughafen Rostock-Laage vorbeikommt, ist dort vom Gipfel nichts mehr zu sehen. Keine Schützenpanzer, kein Helikopter im Himmel, nicht ein Polizeifahrzeug weit und breit. Nur die tiefen Abdrücke im Gras erinnern noch daran, dass hier gestern noch Ausnahmezustand geherrscht hat. Er schraubt das Fenster herunter und schaltet das Radio ein.

In den Nachrichten wird verkündet, die BAO Kavala ziehe nach der Beendigung des G8-Gipfels eine positive Bilanz: Die Gewährleistung der Sicherheit der Staatsgäste sowie der störungsfreie Verlauf des Gipfeltreffens seien zu jedem Zeitpunkt gewährleistet worden, ebenso wie der Schutz friedlicher demonstrativer Aktionen; in Berlin würden sich Teilnehmer einer Reclaim the Street Party in der Nähe des Rosentaler Platzes Straßenschlachten mit der Polizei liefern, der Evangelische Kirchentag in Köln übe deutliche Kritik an den G8-Staaten und ihrer Politik; das Wetter bleibe warm, heiter bis bewölkt bei Temperaturen über 20 Grad. 'Als sei nichts gewesen', denkt Becker und drückt aufs Gaspedal.