Kampf um das Recht

Seite 4: Protest, Recht und Medien

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Der Einsatz des Legal Teams wurde von der Presse nicht immer wohlwollend bedacht. Waren sie bereits von den Hausdurchsuchungen des BKA im Vorfeld der G8-Proteste nicht verschont worden, wurden die Anwälte auch in den Medien schnell als Rückzugsraum der Randalierer gebrandmarkt. Vor allem im Hause Springer:

Immer können sich die Gewalttäter auf ein legales, ebenfalls hoch politisiertes Umfeld verlassen, das Demonstrationen nicht nur organisiert, sondern im Ernstfall auch gleich sympathisierende Rechtsanwälte vermittelt. Biedermänner und Brandstifter arbeiten eng zusammen.

Berliner Morgenpost vom 4. Juni 2007

Auch die BILD-Zeitung fiel durch ihre verleumderische Berichterstattung auf. So wurde ein Foto, auf dem eine Anwältin zu sehen ist, wie sie einen als Autonomen getarnten Zivilbeamten ihre Hilfe anbietet und ihn aus der Blockade heraus zur Polizeikette zurückgeleitet, mit der Erklärung untertitelt: „Aufgebrachte Schläger versuchen, einem Zivilpolizisten die Kapuze vom Kopf zu reißen.“ Tatsächlich verdankte der Beamte seine Unversehrtheit jedoch dem umsichtigen Einschreiten der Anwältin. Er hatte sich am 5.6.2007, gegen 19.00 Uhr mit vier weiteren Polizeibeamten in Zivil bei der Blockade am Osttor des Sicherheitszaunes eingeschlichen und versucht, die anwesenden Demonstranten zu Straftaten anzustacheln, war aber erkannt worden. (Nach dem Gipfel).

Auch im Nachhinein erscheinen die Anwälte in den Medien eher als Sprachrohr der Randalierer denn als Organe der Rechtspflege. Das wurde insbesondere in der sonntäglichen Talkshow-Runde von Sabine Christiansen deutlich.

Berlin, 10.6.07, ARD: Zum Thema „Die Polizei – Prügelknaben der Nation“ diskutieren der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), der ehemalige FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum, der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, die Bundesvorsitzende der Grünen Claudia Roth, der Polizeiwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Feltes und die Hamburger Rechtsanwältin Karen Ullmann vom Anwaltsnotdienst des RAV. Während der rechtspopulistische zweite Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft mit seinen verbalen Entgleisungen gegen die Menschenwürde und das Demonstrationsrecht selbst noch dem Maßnahmenpolitiker Beckstein linksliberale Reflexe unterstellt, hat Rechtsanwältin Ullmann alle Mühe, in der Diskussion auf die Berücksichtigung der Faktenlage zu bestehen. Von Anfang an wird sie von Christiansen stellvertretend für Attac als die Globalisierungskritikerin schlechthin vorgestellt, nur am Rande ihre Funktion als Anwältin des Legal Teams erwähnt. Sie schlägt sich hervorragend, interveniert, wenn sie unterzugehen droht, schwafelt nicht nur daher wie diejenigen, die bei Frau Christiansen nicht ins Wort fallen müssen, um zum Reden zu kommen.

Am Ende muss sogar Beckstein zurückrudern und leise Zweifel an der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards während der G8-Proteste einräumen, während er am Anfang noch zu berichten wusste, er kenne niemanden, der unrechtmäßig verhaftet worden sei. Auf Ullmanns Frage, ob er den Gerichten in Rostock Linksradikalismus unterstellen wolle, weil diese mit ihren Beschlüssen die Rechtswidrigkeit der Inhaftierungen festgestellt hatten, bleibt er lange Zeit sprachlos, was nicht häufig vorkommt an diesem Abend.

Auch die Funktion der Medien für die Arbeit der Anwälte insgesamt muss als sehr ambivalent eingeschätzt werden. Zum einen trugen sie mit ihren Nachfragen und Recherchen, letztlich auch mit der Skandalisierung von Rechtsverletzungen, entschieden dazu bei, dass die Polizei ihr Vorgehen revidierte oder zumindest der öffentliche Druck wuchs, den Forderungen der Anwälte nachzukommen. Andererseits griffen sie jedoch auch die gezielten Falschmeldungen und Übertreibungen der BAO Kavala ohne eigene Prüfung auf, prägten damit das Bild vom permanenten Ausnahmezustand und nährten die unreflektierte Angst vor der Randale (Opferzahlen der Randale in Rostock weit übertrieben?).]

Auf der Pressekonferenz des RAV sieht Rechtsanwalt Ullrich von Klinggräff vor allem in den gezielten Falschmeldungen der BAO Kavala eine wesentliche Behinderung der anwaltlichen Arbeit und einen Widerspruch zu der von der Polizei verkündeten Deeskalationsstrategie. Die maßlosen Übertreibungen bei den Verletztenzahlen nach der Randale in Rostock, die lancierten Meldungen über Messerstiche auf Polizeibeamte, Säureangriffe durch Clowns oder angebliche Vermummung in Demonstrationszügen, könnten nicht mehr als Versehen gewertet werden, sondern als bewusste Delegitimationsstrategie gegen die Proteste, so Klinggräff.

Die Polizei erzeugte so das Bild von der permanenten politischen Ausnahmesituation, die jederzeit in äußerste Gewalt umschlagen kann. Dieses Bild hat sich verheerend auf die Funktionen des Rechtsstaats ausgewirkt. Aus generalpräventiven Erwägungen heraus, wurden in Schnellprozessen Leute zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt, wo – das Ergebnis der beschleunigten Beweisaufnahme als wahr unterstellt – die Voraussetzungen für eine Bewährung unproblematisch gegeben waren, wurden Demonstrationen verboten, wurden Hunderte von Demonstranten in Gewahrsam genommen und getraute sich nicht mal das Bundesverfassungsgericht, dem MaßnahmestaatEinhalt zu gebieten.

Rechtsanwalt Thomas Moritz, Berlin

Immerhin bewiesen neben vielen Haftrichtern auch die Verwaltungsgerichte Augenmaß. Gegen zahlreiche Platzverweise, die von der Polizei für den gesamten Innenstadtbereich von Bad Doberan, Rostock oder die Umgebung von Heiligendamm teilweise für über sechs Tage ausgesprochen wurden, gewährte das Verwaltungsgericht Schwerin Eilrechtsschutz. Nur so konnten vielen Demonstranten vermeiden, in der überregionalen Polizeidatei „gewaltbereite Störer“ aufgenommen und bei zukünftigen Demonstrationen in Vorbeugegewahrsam genommen zu werden.